Kapitel 128

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"Gab es die Mathe Arbeit heute schon zurück?", fragt Leon, als Taro in den Wohnbereich tritt. Er sieht müde aus, seine Locken sind ganz wild und er hat tiefe Augenringe. Besorgt mustere ich meinen Sohn.

Heute morgen habe ich Taro nicht gesehen. Er war spät dran und ist direkt aus der Haustür gestürmt. Nicht einmal Essen hat er sich mitgenommen. Ich hoffe wirklich, er hatte wenigstens etwas Geld dabei um sich etwas zu kaufen.

"Ja, eine eins", seufzt Taro und lässt sich auf einen der Barhocker fallen. Müde stützt er den Kopf auf seiner Hand ab.

"Alles gut Schatz? Hast du heute Nacht schlecht geschlafen?", frage ich besorgt und wende mich unserem Sohn zu.

Müde nickt er und gähnt auf.

"Wir können gleich essen und dann solltest du dich etwas hinlegen", schlage ich vor und lächel ihn sanft an. Ich mag es nicht ihn so zu sehen, absolut nicht.

"Ich schreibe morgen eine Englisch Klausur und muss noch lernen, damit Dad die Noten bekommt, die er will", entgegnet Taro und hat am Ende einen ziemlich scharfen Ton drauf. Das Verhältnis zwischen ihm und Leon ist in letzter Zeit etwas schwierig, was ich unfassbar schade finde. Die beiden waren immer ein Herz und eine Seele, aber gerade ist das leider überhaupt nicht der Fall.

"Es sollten die Noten sein, die auch du haben möchtest. Aber in diesem Zustand würde es dir vermutlich sowieso nichts bringen zu lernen. Etwas Ruhe sollte dir besser tun", meint Leon und wirft Taro ein aufmunterndes Lächeln zu, das dieser jedoch gar nicht sieht.

"Mach dir heute einen entspannten Tag. Es ist bloß Englisch, das kannst du doch sehr gut. Falls es dir aber doch ein schlechtes Gefühl geben sollte, bleibst du morgen einfach zuhause", munter ich Taro auf, während ich die Teller auf den Esstisch stelle.

"Maddie", meint Leon mit strengem Unterton und schaut mich mahnend an. Als mein Blick zu Taro fährt sehe ich erst ein müdes und erleichtertes Lächeln, dann ein genervtes Gesicht als Reaktion auf Leons Kommentar.

"Es ist bloß Englisch, Liebling. Wir wissen beide, dass Taro das kann und dann schreibt er eben die Klausur nach. Das ist ja wohl kein Problem", entgegne ich und schaue genauso mahnend zurück. Es geht hier schließlich um das Wohl unseres Jungen und da sollte die Schule definitiv später kommen.

Genervt schaut mich mein Mann an, während sich Taro müde zu dem Esszimmertisch herüber schleppt. Sanft fahre ich ihm durch die Haare und lächel ihn aufmunternd an. Er sieht wirklich nicht sonderlich gut aus. Ich glaube Leon setzt ihn zu sehr unter Druck. Natürlich möchte ich, dass Taro gut in der Schule ist aber seine Gesundheit geht definitiv vor.

"Maila, kommst du bitte? Es gibt Essen", rufe ich nach oben und einen kurzen Moment später kommt sie ebenfalls dazu.

"Das riecht sehr lecker", strahlt sie mich an und lässt sich auf ihren Platz fallen.

"Danke, Süße", lächel ich und gebe ihr einen Kuss auf das Haar. Leon und ich setzen uns ebenfalls. Maila schaut zu ihrem Bruder auf und verzieht leicht das Gesicht.

"Du siehst ganz schön fertig aus", stellt sie fest und bekommt sofort einen genervten Blick zurück.

"Ich weiß, danke", entgegnet Taro und hört sich deutlich genervt an. Ich werfe ihm kurz einen warnenden Blick zu, wodurch er weitere Kommentare unterlässt. Die beiden sollen sich verstehen.

Während des Essens erzählt Maila von einem neuen Schulprojekt und scheint ganz begeistert zu sein. Obwohl ich ihr aufmerksam zuhöre, merke ich wie Leon mir immer wieder einen Blick zuwirft. Doch ich vermeide den direkten Blickkontakt zu ihm.

"Taro, Schatz, leg dich hin. Maila, bist du so lieb und nimmst die Sachen hier für mich mit nach oben?", wende ich mich nach dem Essen an meine Kinder. Taro schlurft davon. Maila bestätigt meine Frage und nimmt meine Unterlagen mit nach oben. Leon stellt das Geschirr in den Geschirrspüler und dreht sich dann mir zu.

"Das kann doch nicht dein Ernst sein? Du lässt Taro wirklich die Option morgen einfach Schule zu schwänzen und eine Klausur zu verpassen?", regt er sich auf und zieht fragend eine Augenbraue nach oben.

"Hast du ihn dir mal angesehen? Er ist völlig fertig und komplett übermüdet. Wenn er so zu einer Klausur auftaucht dann wird das mit Sicherheit sowieso nichts. Die Gesundheit unserer Kinder steht an erster Stelle und nicht die Schule", erinnere ich den Lockenkopf und schaue ihn ernst an.

"Das ist mir durchaus bewusst, aber wir wissen beide, dass Taro am Wochenende die ganze Nacht weg ist und erst morgens schläft. Wenn er also nachts nicht schlafen kann, überrascht mich das herzlichst wenig", entgegnet Leon und ich spüre, dass er leicht sauer wird.

"Er ist ein Teenager, vergiss das bitte nicht"

"Du kannst es nicht darauf schieben. Ich war nie so und nur weil du ein Problemfall warst, muss du unseren Sohn nicht auch dazu erziehen", meint er sauer und erhebt leicht die Stimme.

"Du hast dein ganzes Leben dem Fußball gewidmet. Für dich war alles andere immer egal, du hast deine Jugend nie richtig genossen. Schieb die Schuld nicht auf mich, es ist unser Sohn. Ich bin nicht alleine für die Erziehung verantwortlich und wenn du ein bisschen weniger Druck auf ihn ausüben würdest, würde das auch gut tun", zische ich und verlasse dann einfach den Wohnbereich.

Oben gehe ich in Taros Zimmer. Er liegt auf seinem Bett und hat die Augen geschlossen. Als er mich wahrnimmt öffnet er diese jedoch wieder.

"Brauchst du irgendetwas? Soll ich dir etwas zu trinken hochbringen?", erkundige ich mich und setze mich auf die Bettkante. Meine Finger fahren durch seine Locken. Das mochte er früher immer besonders gerne.

Taro schüttelt verneinend den Kopf und lässt ein leichtes Seufzen frei.

"Wir machen uns Sorgen um dich. Beschäftigt dich etwas, dass du nicht schlafen kannst?"

"Du machst dir Sorgen. Dad sorgt sich höchstens um meine Noten", sagt Taro trocken und mit müder Stimme.

"Weißt du, dein Vater hat bloß Angst, dass du einen falschen Weg einschlägst. Einen Weg, den ich damals eingeschlagen habe. Dein Vater hat das alles schon einmal durchgemacht, mit mir, und ich kann verstehen, dass er das kein zweites Mal schaffen würde. Er hat bloß Angst um dich, auch wenn er es vielleicht nicht richtig zeigt", antworte ich ruhig und lächel Taro sanft an. Ich verstehe Leons Angst, auch wenn er diese nicht richtig ausdrückt.

"Du hast nie wirklich erzählt was passiert ist", stellt Taro fest. Er hat Recht. Leon und ich haben viele Details ausgelassen. Die Wahrheit ist zu unschön. Ich kann meinen Kindern nicht alles erzählen was damals passiert ist. Es ist Vergangenheit und die haben Leon und ich vor Jahren begraben.

"Ich weiß und ich denke auch nicht, dass ihr das hören solltet. Es sind ein paar wirklich unschöne Dinge passiert, Dinge die euer Bild von mir wahrscheinlich verändern würden. Aber ich bin eure Mutter. Ich muss euch beschützen und ich bin schon lange nicht mehr die Version von damals"

"Was war mit Dad damals?"

"Er war schon immer der Vernünftige von uns", schmunzel ich "Er war immer der Starke und hat versucht mich jederzeit zu beschützen und aufzufangen. Es war nicht einfach für ihn und wir wollen nicht, dass er das ein zweites Mal durchmachen muss. Sei etwas nachsichtig mit ihm, er hat bloß Angst um dich"

Taro nickt leicht.

"Schlaf etwas und falls du doch noch etwas brauchst, weißt du ja wo du uns finden wirst. Ich hab dich lieb", lächel ich sanft und setze einen Kuss auf seine Stirn, bevor ich von der Bettkante wieder aufstehe.

"Ich hab dich auch lieb", entgegnet Taro und schließt wieder seine Augen. Leise schließe ich die Tür hinter mir und gönne unserem Sohn Ruhe.


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Roommates // Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt