Die nächsten Wochen verliefen ruhig, wenn man von dem Geschnatter und dem Gelächter absah, dass nun auf der kleinen Farm jeden Tag die Ruhe durchschnitt. Enian und Brychan verzogen sich meist schon sehr früh in ihre Werkstatt und stopften sich Schafswolle in die Ohren, um konzentrierter arbeiten zu können, was nicht so richtig gelang. Einige Male hatte Brychan versucht, die Frauen mit guten Worten oder einem bösen Blick dazu zu bringen, endlich leiser zu sein, aber irgendwann sah auch er ein, dass er auf verlorenen Posten stand und sechs Frauen, neben seiner eigenen und nochmal so vielen Kindern einfach nicht beherrschen konnte.
Dennoch war es auch eine fröhliche Zeit, obwohl die Erwachsenen, am Anfang sehr angespannt waren und das galt nicht nur für Brychan und Clara. Allerdings war es auch eine Zeit des Lernens, denn es war etwas anderes, wenn man die Gebräuche einer anderen Kultur nun jeden Tag vor Augen geführt bekam. Brycvhan war der Meinung gewesen, er wüsste schon etwas über die Aborigines, doch dem war weit gefehlt.
Wie Alinta es versprach, versorgten die Frauen sich selbst, auch wenn sie meist nur Wurzeln ausgruben und diese dann mit einer gewissen Anzahl von Käfern und Maden aßen, was Brychan widerlich fand. Ihr Gesang war gewöhnungsbedürftig, aber nach einer Weile gewöhnte man sich daran. Auch das wunderte Brychan, denn er dachte, nur Männer wäre es erlaubt zu singen. Wenn die Frauen aber unter sich waren, schienen sie das nicht so eng zu sehen.
Irgendwann holte Clara heimlich die Frauen ins Haus und kochte gemeinsam mit ihnen. Es war ein gutes Abkommen, denn es kochten meist drei Frauen, während die anderen auf alle Kinder achteten. Und wieder lernte Brychan die Kochkunst einer anderer Kultur kennen. Das Seltsame für ihn war allerdings, dass es ihm immer besser schmeckte, was er Clara auch verwundert beichtete.
Einan konnte es zwar nicht ausstehen, wenn er die Frauen während seiner Arbeit hörte, doch sobald sein Meister ihn aufforderte, das Werkzeug zu reinigen und dann zum Essen zu kommen, war er wie ausgewechselt. Die Kinder warteten schon vor der Werkstatt auf ihn und sie konnten kaum erwarten, wenn er mit ihnen spielte. Bevor die Frauen sich zu ihren Schlafstätten zurück zogen, saßen sie alle noch beisammen, Brychan und Clara auf der Veranda, Einan auf der Treppe zum Haus und Bran bei den anderen Kindern. Gemeinsam lauschten sie den Frauen, die jeden Abend eine Geschichte erzählten. Meist waren es Geschichten über die Vorfahren, doch manchmal erzählten sie auch von ihren Göttern. Sie forderten auch Clara und Brychan auf, Geschichten zu erzählen, die Alinta dann versuchte zu übersetzen. Brychan erzählte Geschichten von der Bibel, die ihm im Gedächtnis geblieben waren, denn irgendwie hatte er das Gefühl, er musste Bran seinen Glauben näherbringen. Clara erzählte von Kobolden und Elfen, was die Kinder immer wieder von Neuem faszinierte.
So vergingen Wochen, in denen die Frauen und die Kinder etwas zur Ruhe kommen konnten. Dabei ahnten sie nicht, dass sie bewacht wurden.
Wie Duncan vorgeschlagen hatten, stellten Hamish und Callahan Männer, die Brychans Farm im Auge behielten und jeden Fremden argwöhnisch beobachteten. Doch auch hier war es wie bei Brychan selbst. Je länger alles ruhig blieb, desto unvorsichtiger wurden sie. Nachdem sich auch drei Wochen nach der Ankunft der Frauen niemand Fragen über fliehende Aborigines stellte, wurden die Runden nicht mehr ganz so streng eingehalten, weil man sich lieber der den anderen Arbeiten widmeten, die wichtiger erschienen.
Deswegen blieb auch der junge Mann unerkannt, der seinem Vater bis ins kleinste Detail verriet, dass der Zimmermann Bryan Llewellyn, ein Lauchfresser, die gottlosen Huren bei sich beherbergte.
Natürlich sollte das nicht ungesühnt bleiben, doch man beriet sich, wie man die Nachbarn umgehen konnte, denn niemand wollte sich mit Hamish McRiley oder Callahan Walsh anlegen, die ihnen das Leben schwer machen konnten. Doch der Waliser war harmlos. Das dachten die Farmer zumindest, was bewies, dass sie nicht gerade mit Verstand gesegnet waren, denn sie dachten einfach nicht daran, dass der Zimmermann der Schwager von Walsh und der beste Freund von McRiley war.
DU LIEST GERADE
Clara
Historical FictionClara Walsh ist gerade einmal fünfzehn Jahre alt, als ihr Bruder Callahan wegen Wilderei zum Tode verurteilt wird. Von nun an muss sie sich alleine durchschlagen und alle Macht darauf verwenden, ihre Brüder zu beschützen. Dabei ahnt sie nicht, dass...