𝑆𝐸𝐼𝑆

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„Wie, nicht Helsinki?“, hakte ich verwirrt nach.
„Jorge…“

Ach so, ich verstand!

Einer der letzten Abende in Florenz.

Ungeduldig klopfte ich an Martíns Zimmertür und wartete gar nicht erst ab, dass eine Antwort kam, sondern drückte sofort die Klinke herunter – hätte ich wohl lieber sein gelassen.
Der Anblick, der sich mir bot, nämlich er und Helsinki, wie sie blitzschnell eine Decke über sich zogen, würde mich bestimmt bis an mein Lebensende verfolgen!

Naja. Immerhin hätte ich dadurch später direkt meinen Aufhänger… immer schön positiv bleiben.

„Athen, was können wir für dich tun?“, schief grinste mich mein alter Freund an.
„Euch anzuziehen, wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee. Aber hey, lasst euch Zeit, ich wollte nicht stören. Ich komme einfach später wieder“.

Unangenehm.

Etwa eine Stunde später klopfte es an meine Zimmertür.
„Ja?“, ich war zu faul zum Aufstehen und außerdem zu sehr vertieft in mein Fotoalbum, als dass ich mich davon lösen wollte.

Keine Reaktion.

„Jaa?“, wiederholte ich also lauter. Lauter und gereizter.

Weiterhin nichts.
Konnte wohl nur Martín mit einem seiner idiotischen Scherze sein.

Entnervt stand ich nun doch auf und stapfte hin, um die Tür angesäuert aufzureißen.
War klar gewesen!
Grinsend stand er davor.

„Darf ich reinkommen? So macht man das nämlich“.
„Todlustig“, kommentierte ich trocken und machte eine einladende Handbewegung, der er nur zu gerne Folge leistete. „Was soll das?“

„Athen, du musst dich schon etwas genauer ausdrücken. Gedankenlesen gehört leider nicht zu meinen beeindruckenden Fähigkeiten“, feixend  schmiss Martín sich nun auf MEIN Bett.

„DAS! Dass du so rundum glücklich wirkst, kann nur daran liegen, dass du den Sex deines Lebens hattest. Du machst jetzt also wirklich ernst mit deinem ‚Bum, Bum, Ciao‘? Weißt du eigentlich, dass Helsinki dir völlig verfallen ist? Nicht nur körperlich, sondern mit seinem ganzen Herzen! Und was machst du? Du nutzt es einfach aus, um deine Bedürfnisse zu befriedigen, ganz grandios! Ich bin stolz auf dich“, ironisch klatschte ich mir in die Hände und stolzierte währenddessen durch mein Zimmer.

Ein leises Lachen ertönte, als er sich wieder ein Stück weit aufrichtete.
„Weißt du eigentlich , dass du zu einem richtigen Spießer geworden bist, seitdem du Reya hast? ‚Bum, Bum, Ciao‘ ist ursprünglich unsere Erfindung gewesen, nicht nur meine“, schneller, als er sehen konnte, stand ich vor ihm und umpackte seinen Hals.

„Hast du gerade meine Tochter beleidigt?! Wage es noch einmal und du bist tot!“, zischte ich ‚Palermo‘ ins Ohr und biss meine Zähne zusammen.

„Ge- genau das meine ich“, presste er mühevoll hervor.
„Du hattest doch nie etwas gegen ein bisschen Spaß einzuwenden und jetzt spielst du dich plötzlich so auf? Was ist dein Problem, du Arsch?“

Ich überlegte es mir anders.
Entschied mich dazu, nun doch eine andere Schiene zu fahren als die bloßer Gewalt.

„Mein Problem ist, dass du absichtlich Menschen verletzt. Dir ist irgendwo durchaus bewusst, dass du Helsinki jedes Mal, wenn ihr miteinander schlaft, neue Hoffnung machst – und gleichzeitig ruderst du aber auch wieder zurück und nimmst ‚Bum, Bum, Ciao‘ als Vorwand. Warum, mhh? Was ist so schlimm daran, es einfach zu versuchen? Auszuprobieren, wohin das mit euch noch führen könnte, anstatt es als reine körperliche Beziehung aufrechtzuerhalten?“, abwartend blieb ich vor ihm stehen.

𝘽𝙚𝙡𝙡𝙖 𝘾𝙞𝙖𝙤 - 𝙐𝙣𝙖 𝙏𝙧𝙖𝙙𝙞𝙘𝙞𝙤́𝙣 𝙁𝙖𝙢𝙞𝙡𝙞𝙖𝙧 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt