„Hallooo! Erde an Hannes!" reißt Thomas seinen Bruder aus seinen Gedanken. „Was? Oh, äh...entschuldigt...war grad in Gedanken" stammelt er, bekommt sein Grinsen aber weiterhin nicht aus dem Gesicht. Nowi lacht. „Ist uns gar nicht aufgefallen!" brummt Stefanie, die den Grund für Johannes geistige Abwesenheit erahnt. „Sag mal...Wann stellst du sie uns denn endlich vor?" fragt sie weiter und sieht Johannes forschend an. „Damit du sie gleich wieder vergraulen kannst?" funkelt er in ihre Richtung, was Stefanie hörbar die Luft ausstoßen lässt. „Sag mal..." protestiert sie, wird jedoch von Thomas mit einer Handbewegung unterbrochen. „Lass es, Steff! Wir alle kennen deine Eifersucht nur zu gut. Johannes muss eindeutig was an ihr liegen, wenn er sie vor uns versteckt" sagt Thomas und zwinkert seinem Bruder zu. Dafür erntet er einen bösen Blick von Stefanie. „Wir zwei sprechen uns später noch" zischt sie in seine Richtung, was Thomas ein lautes Lachen entlockt. „Ich kann es kaum erwarten" schießt er in ihre Richtung zurück und lässt seine Augen funkeln. Nowi spürt, wie die Temperatur im Raum ansteigt und hebt abwehrend die Hände. „Bitte, erspart uns das, Leute!" ruft er, was Stefanie erröten lässt. „Kommt, lasst uns weitermachen" sagt Johannes, dem es unangenehm ist, dass seine besten Freunde den Grund für seine Unaufmerksamkeit durchschaut haben. Doch das Lied, das sie gerade proben, macht es ihm nicht leicht, seine Gedanken von Vera wegzubekommen. Ein halbes Jahr ist es schon her, dass er sie kennengelernt hat. Und er hat es ihr wahrlich nicht leicht gemacht.
Zu sehr sitzen ihm immer noch die letzten Jahre im Nacken, in denen keine einzige Frau ihn, Johannes, gesehen hat. Alle waren immer nur an dem Bassisten der Band Silbermond interessiert – an seiner Bekanntheit. Wie neidisch war er immer schon auf Nowi gewesen, der mit seiner Freundin schon seit Schulzeiten zusammen ist, bevor sie noch als Band bekannt geworden sind. Und als dann Thomas und Stefanie verkündet haben, dass sie ein Paar sind...Natürlich gönnt er es ihnen, hat er doch immer schon gewusst, dass die beiden irgendwie zusammengehören, auch wenn die zwei selbst ewig gebraucht haben, um das zu kapieren. Trotzdem hat es ihm einen kleinen Stich versetzt. Wieso muss er der Einzige sein, der sich damit herumschlagen muss, ob eine Frau nur auf Berühmtheit aus ist und sich deshalb an ihn ran macht? Aber bei Vera hat er irgendwie ein gutes Gefühl, dass sie es ernst mit ihm meint. Er stößt einen leisen Seufzer aus, was ihm drei fragende Blicke einbringt. „Findest du das keine gute Idee?" fragt Thomas überrascht und Johannes muss wieder mal zugeben, dass er keine Ahnung hat, wovon die drei grade gesprochen haben. „Thomas meinte gerade, dass wir bei Ja auch einen langen Instrumentalteil am Ende einbauen könnten, so wie damals bei Unendlich" erklärt ihm Nowi. Johannes nickt zustimmend. „Find ich gut!" sagt er, während er grinsend beobachtet, wie Stefanie seinen Bruder verstohlen anschmachtet. Kein Wunder, nachdem er ihr dieses Lied zu ihrem vierten Jahrestag geschrieben hat. „Steff, kannst du meinen Bruder bitte noch angezogen lassen, während wir hier sind?" schiebt er mit einem unschuldigen Augenaufschlag in ihre Richtung, um wieder von sich abzulenken. Ertappt wendet sich Stefanie sofort mit ihrem Blick von Thomas ab und spürt, wie ihre Wangen heiß werden. Dass Thomas losprustet, macht die Situation nicht besser. „Lass uns lieber wissen, wen du die ganze Zeit so ansiehst" giftet Stefanie zu Johannes, während sie versucht, ihre aufsteigende Wut hinunterzuschlucken.
Nowi verdreht die Augen. „Mensch Leute, was ist denn los heut? Sind wir im Kindergarten, oder was? Hört auf, euch anzuzicken und lasst uns endlich fertig machen!" brummt er und sieht genervt in die Runde. Die anderen drei nicken und konzentrieren sich alle endlich wieder auf den Song. Auch Johannes versucht, sich nicht zu sehr ablenken zu lassen. Trotzdem entsteht während der restlichen Probe in seinem Kopf eine Idee, die ihn nicht mehr loslässt. Als sie endlich fertig sind und alles zusammenpacken, schreibt er schnell eine Nachricht an Vera, ob sie sich in einer halben Stunde bei ihm treffen. Sie haben sich mehrere Tage nicht gesehen, weil Vera beruflich unterwegs war. Er lächelt, als sie ihm sofort antwortet. Stefanie beobachtet ihn und kann es nicht lassen, einen Kommentar dazu abzugeben „Na, noch viel vor heut Abend mit Lena...Anna...Emily...?" Thomas verdreht die Augen, legt die Hand auf den Rücken seiner Freundin und murmelt „Steff, lass ihn doch endlich! Er wird sie uns schon vorstellen, wenn er soweit ist." Doch Johannes freut sich so auf den Abend, dass er Stefanie versöhnlich ansieht. „Nur gemütlich essen bei mir" antwortet er ihr „Und sie heißt Vera" fügt er leise hinzu und merkt, wie er leicht rot wird. Stefanie spürt, dass sie ihm wirklich was bedeutet und geht schnell die paar Schritte zu ihm hin. Sie legt ihre Arme um ihn und flüstert „Ich verspreche dir, dass ich mich zusammenreiße, wenn du sie uns vorstellst" Johannes knuddelt sie einmal ganz fest und grummelt dann „Danke, kleine Nervensäge!" Mit einem Grinsen verlässt er kurz darauf den Proberaum und macht sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Wie gut, dass Thomas damals ziemlich schnell zu Stefanie gezogen ist. So hat er seine eigenen vier Wände und kann selbst entscheiden, wann er Vera seinen Bandkollegen vorstellen will. Immerhin konnte er sie ein halbes Jahr in Ruhe kennenlernen, ohne dass die anderen drei ihm reinquatschen. Als er daran denkt, dass Vera vermutlich schon vor seiner Wohnung auf ihn wartet, spürt er das aufgeregte Flattern in seinem Bauch. Schon lange hat er nicht mehr so für eine Frau empfunden, wie für sie.
