s e v e n

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Emily

Immernoch ziemlich verwirrt bemerkte ich, wie Jacob abbog in eine Auffahrt.
Vor uns lag ein kleines Einfamilienhaus mit einem Vorgarten in dem viele Kleinkinderspielzeuge herumlagen. Hatte Jacob Geschwister?
War er nicht einbisschen alt für noch so kleine Geschwister zu haben? Das wäre ja einen riesen Altersunterschied! Leicht kopfschüttelnd stieg ich aus und stellte mich nebens Auto. Jacob ging wortlos an mir vorbei und bestieg die Veranda. Zögernd lief ich ihm hinterher und wartete bis er die Haustüre aufgeschlossen hatte. Als die Türe aufschwang blickte ich in ein vollgestelltes Wohnzimmer, in dem kein einziges Möbelstück mehr hineingepasst hätte. Überall lagen Spielsachen, Kleider, Abfälle und dreckiges Geschirr herum. In etwa so stellte ich mir eine Jungs-Collage-Verbindung vor. Doch Jacob  lebte doch nicht in einer WG? Wo waren denn seine Eltern? Und dass überall Spuren von Kleinkindern waren, verwirrte mich noch viel mehr.

Eine Berührung am Arm schreckte mich aus meinen Gedanken auf und ich sah, dass Jacob voraus lief und mich am Arm mitzog. Wir kamen in der Küche an, die nicht viel besser aussah als das Wohnzimmer. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Stuhl, der neben dem kleinen Tisch stand und sagte mir, dass ich mich setzten soll. Wartend sass ich auf dem Stuhl und sah mich um, während Jacob in einem Schrank etwas zu suchen schien. Nach wenigen Sekunden drehte er sich um und grinste mich schief an. In seiner Hand hielt er eine Box, die sich als Erste-Hilfe-Kiste herausstellte, als er sie auf den Tisch ablegte und öffnete. Mit seinem Bein zog er zeitgleich einen Stuhl hinter sich, damit er sich setzten konnte. Er hielt meine Hand und betrachtete meinen Finger vorsichtig. Konzentriert schaute er ihn an und holte ein Fläschchen aus der Kiste. Er schielte nach oben und bemerkte: "Dass könnte nun etwas weh tun."

Er spreite vom Desinfektionsmittel etwas auf meine Wunde und augenblicklich spürte ich ein starkes Brennen am Finger. Ich zog scharf die Luft ein und kniff mir die Augen zu. Schnell klebte mir Jacob ein Pflaster drauf und schaute mich besorgt an.

"Gehts wieder?"
"Jaja, ist nicht so schlimm." antwortete ich ihm leise.
"Danke." fügte ich nach kurzem Schweigen hinzu.
"Wofür?" schaute er mich verwirrt an.
"Naja... für das Verarzten."
"Ach so. War doch kein Problem. Hab ich gerne gemacht. Und war ja schliesslich meine Schuld." grinste er mich an und mein Herz schlug immer wie schneller.

Was machte ich hier eigentlich? Ich war bei Jacob McArthur zu Hause .
Ich, die unbekannte und unbeliebte Emily, bei dem beliebten und heissesten Badboy der Schule.
Unwohl rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her und senkte meinen Blick nach unten.
"Willst du was trinken?" Jacobs frage liess mich wieder nach oben schauen und ich blickte in seine fragenden Augen.
"Ehm... Nein danke. Ich glaub ich geh mal langsam wieder nach Hause."
"Oh, okey. Komm, ich fahr dich."
"Was? Nein, das musst du nicht tun. Ehrlich, ich kann auch gut nach Hause laufen. Oder mit dem Bus, oder ich rufe meine Eltern an und sie kommen mich abholen."
"Nein, das ist echt nicht nötig. Und alleine herum laufen solltest du besser nicht in dieser Gegend." erwiderte er, auch wenn er den zweiten Teil mehr zu sich selber sagte als zu mir.

Entschieden lief er auf die Türe zu und hielt sie mir auf.
Langsam lief ich ihm hinterher und schritt durch den Türbogen hinaus auf die Veranda. Mit gesenktem Blick lief ich auf sein Auto zu und erschrak, als er mich plötzlich überholte. Er blieb neben der Beifahrertür stehen und öffnete diese. Mit einer Handbewegung bedeutete er mir einzusteigen und ich fühlte mich wie in einem Film. Schnell senkte ich meinen Kopf, damit er nicht sah, wie mein Kopf rot wurde und ich war mir sicher, dass ich schon bald einer Tomate Konkurrenz machte. Er schloss die Autotür und lief um das Auto herum, um sich auf seinen Sitz fallen zu lassen. Schnell fuhr er aus der Ausfahrt heraus und fuhr wieder den selben Weg zurück, auf dem wir gekommen sind.

"Wo wohnst du eigentlich?" Fragte mich Jacob plötzlich und drehte seinen Kopf schnell zu mir, bevor er sich wieder auf die Strasse fokussierte. Verwirrt schaute ich zu ihm und verstand nicht wieso er dies plötzlich fragen sollte, bis mir in den Sinn kam, dass er mich ja nach Hause fahren wollte.
"Du musst echt nicht bis zu mir fahren, du kannst mich einfach beim Friedhof rauslassen, ich habe eh noch mein Auto dort stehen lassen." fiel mir plötzlich ein und schaute zu ihm auf die Seite. Er nickte und wir fuhren schweigend weiter.

Plötzlich bemerkte ich, wie sich Jacob runterbückte und aussah, als ob er sich vor etwas verstecken wollte. Verwirrt schaute ich zu ihm und sah ihn fragend an. Im Augenwinkel sah ich wie ein schwarzer Sportwagen uns entgegenkam und uns kreuzte. Im Innern entdeckte ich zwei Jungs im selben Alter, die gespannt in unser Auto schauten und zusammen sprachen.  Dieser Moment dauerte allerdings nur wenige Sekunden und ich war mir nicht mal mehr sicher ob sie wirklich zu uns schauten und doch, kamen mir ihre Gesichter irgendwie bekannt vor.
Weil ich nicht davon ausging, dass er es mir erklären würde, fragte ich gar nicht nach, sondern schaute weiter aus dem Fenster. Wir kamen immer näher zum Friedhof und bogen schliesslich in die Strasse ein, wo man schon mein Auto am Strassenrand sehen konnte.

Jacob parkte in eine Parklücke und stellte den Motor aus. Ich wollte mich schon dem Türgriff zuwenden um auszusteigen, doch da hielt mich plötzlich Jacob am Handgelenk zurück.
"Warte."
Fragend sah ich ihn an und wartete auf seine Antwort.
"Bitte... bitte sag niemandem, dass ich hier war. Wirklich niemandem." rückte er schliesslich mit der Sprache raus und schaute mich mit einem ernsten Blick an. Ich war wieder einmal verwirrt und fragte mich, warum ich in letzter Zeit immer so viel verwirrt war, als mir auffiel, dass ich immer bei Begegnungen mit Jacob halbzeitlich nicht schlau wurde aus ihm. Plötzlich kam ich wieder in die Gegenwart zurück und schaute in stechend blaue Augen. Benommen nickte ich und es fühlte sich an als würde die Zeit still stehen. Ich verlor mich in seinen Augen, die aussahen wie ein riesiges Meer, als ich mich wieder zusammenriss und mir plötzlich eine Idee kam.

Der RosendornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt