9. Kapitel - Maliee's Träumereien

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Gedankenversunken stellte ich verschiedene Theorien auf und bemerkte nicht, dass Maliee weiterhin mit mir gesprochen hatte. Erst als sie meinen Namen energisch in den Hörer brüllte, wurde ich wieder aufmerksam.

„Ja?"

„Was hast du dann zu ihm gesagt?"

„Zu wem?", fragte ich immer noch etwas abwesend und ließ meinen Blick durch den Flur schweifen.

„Na zu Jayden. Hast du mir überhaupt richtig zugehört?"

„Ja, also nein, aber woher hast du dieses Wort?", stotterte ich.

„Was für'n Wort?", entgegnete sie gleichgültig und wollte das Gespräch gleich wieder auf Jayden zurückführen.

„Willst du mich rollen? Das hast du so noch nie zu mir gesagt. Und ich habe es heute zum ersten Mal von jemanden aus dem Mathekurs gehört. Also verstehst du? Ich habe diese Redewendung noch nie zuvor gehört. Kurz darauf hast du sie verwendet, also ist..." Auf der anderen Seite wurde es still. Ich hatte Maliee's nachdenkliches Gesicht genau vor Augen. Wenn sie konzentriert war, bildeten sich tiefe Falten auf ihrer blassen Stirn und die blauen Augen wurden jedes Mal noch ein kleines Stück schmaler.

„Ist es ein Zufall, ja", beendete sie meinen Satz aufgeregt.

„Vielleicht hast du ja doch etwas damit zu tun? Ich meine vor unserem Gespräch gab es keinen einzigen Zufall. Und jetzt spreche ich nicht mal eine Stunde mit dir und schon haben wir den nächsten Zufall?", gab ich gedankenversunken zu. Eigentlich wollte ich Maliee in diesem übernatürlichen Kram nicht unnötig unterstützen, aber langsam wurde es auch für mich seltsam.

„Vielleicht. Aber dann ist es doch klar, dass wir unbedingt versuchen müssen etwas vorherzusagen. Ich meine, dass ist ja fast so was wie ein Zeichen", antworte sie. Maliee sprudelte über vor Ideen und riss mich mit ihrer träumerischen Art fast mit. Sofort fielen ihr tausend Sachen ein, die ich ja prophezeien könnte und hätte ich sie nicht wieder in die Realität gebracht, wäre sie wahrscheinlich noch Stunden in ihren Träumereien versunken gewesen. Wenig überzeugt stimmte ich letztendlich ihrem Vorschlag zu. Zusammen wollten wir also prophezeien, dass ich morgen einen Zehn-Doller Schein finden würde. Das Geld könnte ich gut gebrauchen, auch wenn ich mir immer noch ziemlich sicher war, dass das niemals funktionieren würde.

„Aber warte mal ne Sekunde, hast du eben von einem Mathekurs gesprochen? Gehst du dort etwa zur Schule?", hinterfragte sie plötzlich aufgebracht. Angestrengt versuchte ich ihr vom heutigen Morgen zu erzählen. Wobei ich zusätzlich von meinem gefälschten Ausweis berichtete. Aber alles was Maliee daraufhin von sich geben konnte, war ein erschrockenes: „Fuck!", das mir verriet, dass sie die Situation bis eben deutlich unterschätzt hatte.

„Kommst du irgendwie weg von dort? Wenn du hier wärst, wäre alles einfacherer. Wir könnten der Sache zusammen auf den Grund gehen."

„Keine Chance", entgegnete ich und erklärte ihr all die Umstände, die mich hier hielten. Maliee fiel fast von Glauben ab. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es tatsächlich Orte gab an denen keine öffentlichen Verkehrsmittel fuhren. Oder zumindest welche, die den Ort verließen.

„Aber ich kann nicht ohne dich hier bleiben! Wir wollten doch zusammen beim Cheerleading anfangen. Alleine halte ich das mit diesen Zicken nicht aus." Wieder seufzte sie.

„Dir bleibt ja gar nichts anderes übrig", sagte ich geknickt. Ich hatte mich gefreut zusammen mit ihr zum Cheerleading zu gehen. Ich war okay damit gewesen mein normales Leben in New York zu führen. Es war nie besonders aufregend gewesen und genau das hatte ich daran gemocht. Ich hatte alles unter Kontrolle gehabt. Doch jetzt fühlte es sich an, als würde sich mein Leben rasend schnell auflösen. Maliee und ich versanken noch eine Weile in wehleidigen Beschwerden und der Suche nach Antworten.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt