Kapitel 9: Die Gedenkstätte

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Ich wache auf, als Xi mich sanft weckt. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen, schon kurz nachdem wir losgefahren waren. Die beiden Agenten haben mich schlafen lassen.

„Ihr zieht das wirklich durch?", frage ich etwas schläfrig.

Ich steige aus und spüre die frische Morgenluft, die mich schlagartig trifft und ich bin sofort hellwach. Gemeinsam gehen wir die letzten Schritte zu der Gedenkstätte. Überall sind Baustellen zu sehen. Die ganze Stadt gleicht einem Trümmerfeld. Mir wird ein wenig mulmig. Haben sie wirklich die Wahrheit gesagt? Ich sehe mich sehr genau um und das bekommen natürlich auch die Agenten mit.

„Jetzt schon beeindruckt? Sie sind ganz schön still.", sagt Sigma.

„Ich weiß nicht genau, was hier passiert ist und ob es mit Magie zu tun hat, aber ich glaube gern, dass hier viele Menschen gestorben sind. Da bleibe ich doch ein wenig ruhiger. Das ist sicher angemessen."

Die beiden sagen nichts weiter dazu und bringen mich direkt zur Gedenkstätte. Der erste Anblick verschlägt mir sofort die Sprache. So weit das Auge reicht, wachsen hier die goldenen Blüten, die beide erwähnt haben. Egal, wo ich hinschaue, sie sind da. Sie wachsen auf Steinen, auf Glas und sogar auf den Überresten der Helikopter.

„Versuchen Sie eine davon zu entfernen.", sagt Agent Sigma und weist mir mit der rechten Hand den Weg.

Ich neige mich nach unten und rupfe eine der Blüten aus dem Stein. Natürlich kann ich nicht die Wurzel aus dem Stein ziehen, aber es ist trotzdem erstaunlich, dass sie sofort wieder nachwächst. Ich bin etwas perplex und reise die gleiche Blüte immer wieder heraus, aber sie wächst jedes Mal nach.

„Das ist unglaublich!", sage ich erstaunt.

Als ich mich erhebe, lächeln mich beide Agenten an. Sie haben wohl doch recht behalten. Ich will ihnen nicht zu früh glauben und etwas zu ihnen sagen, aber ein mir vertrautes Phänomen zeigt sich wieder. Der seltsame Nebelschleier in der orangenen Farbe schwebt hier durch die Luft. Mit offenem Mund schaue ich ihn an.

„Könnt ihr das auch sehen?", frage ich die Agenten und zeige in den Himmel.

Die beiden drehen sich um und blicken nach oben. Sie suchen den Himmel ab, aber sie sehen ihn offenbar nicht. Das zeigt mir ihr angestrengter Blick. Sie müssen sich nicht anstrengen, um ihn zu sehen, denn er ist alles andere als schwer zu erkennen. Die Kellnerin und die Männer konnten ihn damals auch nicht sehen. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Entweder bin ich krank im Kopf und halluziniere oder ich bin die einzige, die ihn sehen kann. Und abgesehen von der Amnesie bin ich ganz sicher nicht krank im Kopf.

„Da ist nichts.", meint Xi.

Ich sage nichts weiter und meine Blicke folgen dem Nebelschleier, der von einem Obelisken kommt. Ich folge ihm langsam und starre dabei immer in den Himmel. Sicher glauben die beiden, ich bin verrückt und da ich eine Amnesie habe, wäre eine solche Schlussfolgerung durchaus plausibel. Da ich keine weiteren Fragen beantworten möchte, können sie das ruhig denken. Ohne mich anzusprechen, folgen sie mir. Schließlich stehe ich vor dem Obelisken. Er ist ungefähr zwei Meter groß und ist mit den Bildern der tapferen Frauen versehen. Ich schaue sie mir nur flüchtig an, denn ich kenne sie sowieso nicht. Mein Interesse gilt dem Obelisken, denn auf ihm steht auch noch eine Vitrine. Darin befindet sich eine Lanze. Von der werden die Nebelschleier in mehrere Richtungen ausgesandt. Sie muss etwas Besonderes sein, denke ich mir.

„Was ist das für eine Waffe?", frage ich die Agenten.

„Das ist die Lanze von Noria. Sie war eine der Frauen, die hier ihr Leben verloren. Sie konnte mit dieser Waffe einen Laser abfeuern. Es gab nach ihrem Tod einige Versuche das zu rekonstruieren, aber sie funktioniert wohl nicht bei normalen Menschen.", erklärt Sigma.

„Weil sie magisch ist.", platzt es aus mir heraus.

„Das ist sicher möglich, aber wir können das nicht prüfen...", versucht Xi zu erklären.

„Ihr könnt Magie nicht nachweisen", sage ich laut, „oder sehen.", sage ich leise.

In diesem Moment wird mir klar, dass ich die Magie sehen kann. Mir ist nicht klar, warum das bei den goldenen Blüten nicht funktioniert, aber wenn nur ich diesen Schleier sehen kann, muss das was bedeuten. Mit dieser unglaublichen Erkenntnis bildet sich auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut. Ich will beiden meine Vermutung an den Kopf werfen und ihre Blicke sehen, wenn ich es ihnen sage, aber ich bin mir nicht sicher, ob das eine kluge Idee ist. Die letzten Frauen, die Magie besaßen, sind hier offensichtlich verheizt worden. Sicher haben die Behörden ihren Teil dazu beigetragen, dass sie hier gestorben sind. In solchen Angelegenheiten ist es nicht klug, den Behörden oder irgendwelchen Organisationen blind zu vertrauen. Sie können mir alles Mögliche erzählen. Nein, so naiv bin ich nicht.

ValeriaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt