Leere. Ohne einen Gedanken starre ich in den dunklen Raum vor mir. Ohne Fenster. Ohne Lichter. Ein Ort, der gerade grenzenlos scheint, unendlich. Als kämen mir keine kalten Gitterstäbe in den Weg, wenn ich meine Hände ausstrecken würde.
Nachdem ich mich an der endlosen Weite des dunklen Horizonts in der pechschwarzen Dunkelheit satt gesehen habe, schließe ich meine Augen und fange an, mir mein Bild von Freiheit weiter auszubauen. Ein friedliches Bild. Unterstützt von einer allgegenwärtigen Stille. Kein Geräusch weit und breit. Nur ich, allein in dieser endlosen Welt, die mir alle Freiheiten gibt, die ich brauche. Oder vielleicht auch nicht? Langsam verändert sich die Atmosphäre. Es wird wärmer und der Boden angenehmer als zuvor. Vorsichtig fahre ich mit der Hand über das Gras, das ich unter meinen Fingerkuppen spüren kann. In der Ferne ertönt fröhliches Zwitschern. Ein Bach rauscht und Wind fährt durch die Blätter eines alten Baumes. Entspannt genieße ich diese angenehme Atmosphäre. Sie erinnert an einen Sonnenaufgang im Frühling. Warme Sonnenstrahlen wandern meine Arme hinauf -
Und plötzlich werde ich von einem hellem Licht geblendet. Abrupt zerspringt meine perfekten Halluzination in nicht mehr zusammenfügbare Teile und ungewollt lande ich wieder in der harten Realität. Gefangen hinter Stahlstäben, bloßgestellt in einem menschenunwürdigen Zustand und ausgestellt, wie ein Tier im Zoo. Links und rechts neben mir und auch vor mir und hinter mir und eigentlich überall in dieser riesigen Lagerhalle stehen weitere Käfige mit Menschen, wie mich. Präsentiert, um einer reichen Person zu gefallen und diese Hölle verlassen zu können, nur um die nächste zu betreten.
Der Gedanke, dass das mein Leben ist, treibt mir ein ironisches Schnauben über die Lippen, welches ich lieber hätte unterdrücken sollen. Denn direkt im nächsten Moment wird das Metall, in dem ich sitze, einmal kräftig angeschlagen. Die dadurch entstandene Bewegung und der schrille Ton hallen in meinem Körper wieder und bringen mein Trommelfell zum Pulsieren. Doch damit wird der Horror nur eingeleitet. Zu dem Schlag gehört nämlich üblicherweise auch ein gebrülltes "SEI LEISE!" des Wärters, der den Käfig zum Vibrieren gebracht hatte. Und egal, wie häufig ich es schon gehört habe, es schüchtert mich jedes Mal wieder ein. So stark, dass ich verängstigt versuche in dem engen Stück Metall nach hinten zu rücken, nur um irgendwie dem gefährlichen Blick des Wächters ausweichen zu können. Doch das ist unmöglich. Denn der Käfig, in dem ich sitze, ist von allen Seiten durchschaubar. Praktisch, wenn man das, was sich darin befindet, ohne großen Aufwand präsentieren möchte. Recht unpraktisch, wenn das, was sich darin befindet, Privatsphäre oder wenigstens nur eine sichere Ecke zum Schutz sucht.
Zum Glück hat der Aufpasser mit dieser kleinen Warnaktion erreicht, was er wollte - nämlich, dass ich mich still und ängstlich zusammenkauere - und verschwindet, kurz nachdem er mir die tägliche Nahrungsration durch die Gitterstäbe geschoben hat. Und da es schon ab und an vorkam, dass ein vorbeilaufender Wächter aus Spaß diese Essensration wieder weggenommen hat, stürze ich mich wie eine verhungernde Person auf eben diese Mahlzeit. Heute eine breiige Maße mit Stückchen. Es fühlt sich an, als würde man Erbrochenes essen. Schmeckt aber besser als Wiederhochgeholtes, auch wenn man es nicht wirklich als gutschmeckend betiteln kann. Aber wer Hunger hat, kriegt vieles runter...
Hungrig schlinge ich einen Löffel nach dem anderen herunter, sodass mir erst, als es schon so weit ist, bewusst wird, dass die Schüssel wieder leer ist. Dabei nehme ich mir jedes Mal vor, einen Rest für später aufzuheben. So als Abendessen oder so. Aber immer bevor ich daran denken kann, ist schon alles in meinem Magen verschwunden. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so. Denn wer weiß schon, was über den Tag alles damit passieren könnte.Da ich nun etwas gegessen habe und die ganze Nacht wach war, tritt nun eine starke Müdigkeit ein. Folglich schlafe ich, trotz der lebendigen Geräuschkulisse von herzzerreißendem Jammern, wütendem Brüllen und Schlägen von Metall auf Metall, schnell ein.
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Like a beautiful flower (Deutsche Kurzgeschichte) ✔️
Short StoryJust like a beautiful flower that got cut off from its life to be seen and hold close or be sold off for someone else you get sold to people treasured for as long as your beauty holds and then thrown away once you begin to welk 'cause somebody had k...