PoV Ryon
Hat er das gerade wirklich gesagt? Will er auch etwas...
Verblüfft sehe ich zu Silva, versuche vergeblich meine vor Freude funkelnden Augen in den Griff zu bekommen und doch schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Mein Herz hüpft hoch bis zum Himmel, wobei sich ein wohlig warmer Schauer über meinen Körper zieht, als ich ihn so vor mir sehe, wie er mich gedankenverloren mustert. Diese Nähe ist wunderschön, beruhigend, dass ich glatt vergessen könnte, dass ich mich für einen Angestellten höchst unprofessionell verhalte.
Doch als besinne sich mein Gegenüber langsam wieder, verhärten sich seine Gesichtszüge langsam und er senkt seufzend den Kopf. Verwirrt darüber greife ich vorsichtig nach seinem Kinn, was ich anhebe. »Hey... Ist alles in Ordnung?«
Silvas dunkle Augen blicken mich direkt an. Er öffnet den Mund, als wolle er etwas sagen, was ihm ewig nicht von den Lippen gehen wollte. Und doch stockt er, er legt mir eine Hand auf die Wange, beugt sich vor, um einen sanften Kuss auf meinen Mund zu hauchen, ehe er sich wieder entfernt und sein Jackett richtet.
Verunsichert fasse ich mir an die Lippe und sehe mit großen Augen zu dem Drogenboss, der sich leise räuspert und durch den Spiegel zu mir sieht. Hab ich etwas falsch gemacht? Hat er Angst vor seinen Gefühlen? Was ist denn nur mit ihm los?
»Wir müssen langsam zurück, komm«
Oder spielt er nur mit mir?
Silva nickt zur Tür und geht vor, woraufhin auch meine Beine sich automatisch in Bewegung setzen, während mein Kopf nicht versteht, was das gerade eben bitte war. Warum küsst er mich und ist dann wieder distanziert? Sein Blick durch den Spiegel war abweisend, als wolle er, dass ich gehe. Und doch war der Kuss so sanft und zart, als wolle er mir zeigen, dass ich nicht nur der bin, den er aufgelesen hat...
Männer sind so kompliziert. Und dabei dachte ich, Frauen sind die schlimmeren. Silva toppt alles... Im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Schmunzeln über meine eigenen Gedanken kann ich mir nicht verkneifen und doch geht es in ein frustriertes Seufzen über, was mich schwanken lässt. Sollte ich an dem Kribbeln für Silva festhalten oder es einfach lassen? Ich habe ihm doch nichts getan, warum ist er nur so ein Arsch? Klar, weil er der Boss ist. Scheiß auf diese eingebildeten Vorgesetzten. Davon hatte ich genug in letzter Zeit.
Missmutig tapse ich Silva hinterher zurück zu dem Konferenzraum, vor dem wir dennoch stoppen müssen. Zwei von Gordons Leuten tasten uns ab. Klar, wir haben Waffen auf dem Klo hereingeschmuggelt. Ich glaubs auch.
Als wir den Raum wieder betreten spüre ich, wie die Aufmerksamkeit sofort auf uns beiden liegt. Billys Blick besonders. Er sagt so viel wie: ‚Ihr habt hoffentlich nicht das gemacht, was ich denke.' Ich weiche ihm gekonnt aus und gehe wieder zu meinem Posten. Dennoch bemerke ich sofort ein anderes Augenpaar, was auf mich gerichtet ist und es ist nicht das von Silva... Zwei helle grau grüne Augen sehen mich neugierig, ja fast schon lüstern an, dass ein unwohles Gefühl sich in meinem Körper ausbreitet. Gordons Mund ist zu einem leichten Grinsen verzogen, als er mich so offensichtlich anstarrt und nur langsam, als würde er zeigen wollen es gibt ein Nachspiel, den Kopf abwendet.
Noch nie habe ich mich so sehr angewidert gefühlt beim Anblick eines Menschen. Mich schüttelt es innerlich, dennoch hebe ich das Kinn und bewahre meinen neutralen Gesichtsausdruck, umso besser, dass es mein Job ist, Silva die ganze Zeit im Auge zu behalten. Natürlich rattern meine Gedanke nur so vor sich hin, während diese beiden hohen Tiere ihren Deal besprechen. In dieser Hinsicht höre ich dann auch nicht mehr zu. Das wäre nichts für mich. Jemand, der Verhandlungen führt.
Ich wollte zwar nicht immer Polizist werden, habe aber gedacht, ich kann mich ja mal bewerben und schauen, ob ich gut genug wäre. Und siehe da, ich habe einen wunderbaren Job gestartet. Nunja, zu Beginn zumindest. Aber besser als an einem Schreibtisch festzukleben. So jemand war und bin ich noch nie gewesen.
Nach sieben Stunden Stehen tun mir schließlich auch die Beine weh. Die Stimmung im Zimmer ist verhalten. Auch die Angestellten von Gordon scheinen ermüdet, während die vier da an ihrem Tisch mit Whisky ihre Verhandlungen ausführen. Ein Blick zu Billy zeigt, dass dieser trotz Langeweile kerzengerade dasteht und weitaus angespannter ist als ich. Kein Wunder, der Gute war auch einmal Teil einer Spezialeinheit. Für so eine wollte ich mich auch bewerben. Nur die besten werden genommen. Ich hatte ein hartes Training laufen und dann... Ja dann kam Silva.
Wie sich die Wege doch gekreuzt und geändert haben. Und nun stehe ich hier, als wohl selbst krimineller, für dessen Machenschaften eben solche Spezialeinheiten benötigt werden. Und dabei bin ich nicht mal relevant in all dem Gehabe hier.
Ein Seufzen entweicht meinen Lippen. Umso erleichterter wiederhole ich dies schließlich, als ich endlich die erlösenden Worte vernehme. »Dann steht der Vertrag hiermit« Die Anspannung die von allen im Raum abfällt ist deutlich zu spüren, das Seufzen ist fast zeitgleich, sodass ich mir nur mit Mühe ein belustigtes Auflachen darüber verkneife.
Silva selbst sieht auch nicht mehr so frisch aus. Seine Frisur ist etwas ramponiert durch das ständige Hindurchstreichen, bei seinem Hemd hat er die oberen zwei Knöpfe geöffnet und das Jackett hängt inzwischen über der Stuhllehne. Bei Gordon ist Ähnliches zu beobachten, bis auf das nicht vorhandene Haar. Dennoch merkte man auch bei ihm, dass er ein Hai in dem ganzen ist. Er hat es Silva durchaus schwer gemacht sich zu einigen. Ein ekelhafter alter Sack, aber ein offenbar kluger. Schlimme Mischung.
»Ein Vergnügen mit Ihnen Geschäfte zu machen« Grinst der etwas ermüdete Gordon Silva an, dem er einen Whisky einschenkt, worauf dieser dankend das Glas nimmt. »Ermattend aber effektiv« Kommentiert dieser trocken, räuspert sich und setzt sich dabei wieder gerade hin.
Lucas neben Silva schließt zufrieden den Laptop und nickt dem anderen Kumpanen zu, der ebenso froh scheint, dass sie endlich fertig sind. Ein wenig Schmunzeln lässt mich dies schon. Ob die feinen Leute dort die Polizeiausbildung durchgestanden hätten? Vermutlich nicht. Wir durften bei schönstem Regen, eiskaltem Schneesturm oder brühender Hitze immer unsere zehn Meilen Läufe absolvieren. Lucas zumindest hätte mit seiner großgewachsenen aber etwas schlaksigen Statur nicht lang durchgehalten. Bei Silva weiß ich es nicht, wie es um seine Ausdauer steht, wobei er im Bett lang durchhält...
Und schon wären meine Gedanken wieder bei Silva. So langsam reicht es mir. Der Typ soll sich endlich mal entscheiden. Was ist daran so schwer? Der tut ja fast so, als sei ich seine Affäre, von der er sich entfernen will. Arschloch.
»Auf unseren ersten Deal lade ich Sie und Begleitung gern in meinen Club ein, ich würde Sie gern mit ein paar Freunden bekannt machen« Beginnt Gordon auf einmal, wobei er den Whisky in seinem Glas leicht dreht. »Ich war mir ja nicht ganz sicher, ob ich mit so einem Jungspund etwas anfangen kann, aber man siehe da, Sie haben großes Potential« Scharf ziehe ich die Luft ein, wie auch der Rest des Raumes. Silvas Reaktion jetzt wird so einiges ausmachen. Dieser aber scheint gelassen auf die offensichtliche Provokation. Er nippt an seinem Glas und nickt. »Wenn Sie das Indigo meinen, dann kann ich auf Ihre Einladung verzichten. Ich stehe schon seit einiger Zeit auf der Liste. Komisch, dass Ihnen nichts davon bekannt war. Vermutlich einer Ihrer Freunde, aber dennoch großen Dank für das Angebot. Ich schätze es« Und so sieht es aus, wenn jemand anderes verbal ohne eine Beleidigung einen Schlag ins Gesicht erhält.
Mein Grinsen kann ich nicht verbergen, ebenso wie Billy es versucht und doch bemerken alle, Silva hat gerade dieses, wer hat den größten, gewonnen. Denn Gordon schürzt die Lippen missbilligend, nickt aber und setzt wieder sein altbekanntes Lächeln auf.
»Dann sehen wir uns dort sicherlich bald« Gordons Augen blitzen gefährlich auf, dabei schmunzelt er leicht und nickt in meine Richtung. »Bringen Sie doch gern ihren Freund dort mit, es wäre mir eine Freude« Nun weicht mir die Farbe aus dem Gesicht, als ich auch Silva überrascht stocken sehe. Jedoch entgegnet er nichts, da Gordon sich bereits erhebt und erfreut in die Hände klatscht.
