Dienstag 13. Dezember

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Obwohl sie in der Nacht noch etwas anderes behauptet hatte, stand Katharina früh auf und machte Kaffee für alle.

„Ich dachte du wolltest heute ausschlafen“, meinte Bob, als er sein Schokostückchen aus dem Adventskalender in den Mund gesteckt hatte und sich zu ihr an den Tisch setzte.

„Da hatte ich noch nicht richtig nachgedacht. Das Auto muss gleich in die Werkstatt. Ich habe ab morgen Nachtdienst, wenn es bis dahin nicht fertig wird, brauche ich einen Leihwagen. Ich hoffe es geht ohne, aber das muss alles veranlasst werden. Ich will auch nochmal bei Herr Sauerlich vorbei und mit ihm reden, nach dem erneuten Anschlag auf mich. Auch wenn Frau Schmitz sagt, daß die Sache mit dem Gift nicht sie war und ich ihr glaube, hoffe ich sehr, daß nun endlich Bewegung in die offizielle Ermittlung der Polizei kommt. Vielen Dank, für euren Einsatz, vor allem dir Peter. Ich hätte sie niemals eingeholt und hätte wieder mit leeren Händen dagestanden“, legte sie sofort los.

„Gerne. Wir machen nach der Schule auch direkt weiter. Wir wollen auf dem Reiterhof vorbei und nochmal mit Hajos Exfrau reden“, erklärte Justus.

„Ich kann mir das kaum vorstellen, aber heute ist kein günstiger Tag. Mittwochs nachmittags ist die Praxis geschlossen, da dürfte es leichter sein sie anzutreffen“, informierte Katharina sie. „Wann lerne ich eigentlich deine Freundin mal kennen. Ich bin zwar nicht wirklich deine Tante, fände es aber trotzdem ganz nett, sie kennenzulernen.“

„Ja, ich frag sie, aber ich denke sie wird sicher die Tage mal herkommen“, versprach Justus.

„Das würde mich freuen“, erwiderte Katharina.

Katharina ging nach dem Frühstück mit ihnen gemeinsam raus und  schaute nochmal nach ihrem Auto, ehe sie die Werkstatt anrufen wollte. In der Nacht war sie noch zu sehr erschrocken von den Ereignissen gewesen. Der Motor sprang an  und sie schaffte es ihn auf dem Weg zu setzen, auch wenn die Stoßstange über den Boden schliff. Sie würde definitiv einen Anschlepper brauchen, um in die Werkstatt zu kommen.

Justus, Peter und Bob wünschten ihr viel Erfolg, dann  liefen sie los zur Bushaltestelle. Das Tor zu Katharinas Grundstück ließen sie wie kurz versprochen offenstehen.

Lara war etwas enttäuscht, daß Justus heute morgen nicht früher vorbeigekommen war, wartete aber bereits an der Bushaltestelle auf sie.

Justus gab ihr nur eine kurze Antwort darauf: „Jemand hat gestern am späten Abend einen Stein auf das Auto unserer Tante geworfen, die Polizei kam und es wurde spät. Alles andere erzähle ich dir später, wenn wir alleine sind. Meine Tante möchte dich übrigens auch gerne mal kennenlernen.“

„Na dann könnten wir doch heute Nachmittag zu dir. Ich muss nur zuvor kurz nach Hause“, machte Lara direkt einen Vorschlag, den Justus gut fand.

Bob war heute morgen besonders ruhig, fiel Peter auf. Wahrscheinlich dachte er ebenso wie er selbst weniger an die Schule oder ihren Fall, sondern an das Angebot, das Till ihm unterbreitet hatte.

Die Doppelstunde Englisch zog an Peter, wie an Bob vorbei. Sie dachten beide inzwischen wieder über das Angebot nach. Sie wussten beide, daß es total gut für Peter war und egal was Bob gesagt hatte, inzwischen müssten die Briefe mit den Stipendien längst raus sein und natürlich hätten die Shaws sofort angerufen, wenn ein solcher Brief angekommen wäre, egal zu welcher Tag oder Nachtzeit.

Herr Henning schaffte es dagegen ganz gut in der Doppelstunde Mathe Peter von seinen Gedanken abzulenken, so ein intensiver Eins zu Eins Unterricht taugte nicht, um mal für eine Weile abzutauchen. Und auch die Aufgaben lenkten ihn ab. Am Ende der Doppelstunde war Peter stolz, er bekam die Bruchrechnungen in allen Varianten so gut hin, daß er keine Ahnung hat, warum ihm das immer Schwierigkeiten bereitet hatte. Und Herr Hennings Lob war auch sehr motivierend. Vielleicht wäre es sinnvoll für ihn, hier zu bleiben, denn die Art wie der Unterricht hier aufgebaut war, half ihm wirklich weiter, selbst wenn es nicht für ewig wäre. Schon jetzt hatte er große Fortschritte in Mathe gemacht, verstand immer mehr Deutsch, lernte über das Erlernen der Fremdsprache auch die eigene Grammatik besser kennen. Er lernte neue Sportarten, spielte wieder Klavier und lernte Dinge über Geschichte und er durfte hier zu Themen eine eigene Meinung vertreten. Wahrscheinlich würde es ihm gut tun, weiterhin hier zur Schule zu gehen und den Footballvertrag zu unterschreiben. Wenn da nur nicht Bob wäre. Er würde es einfach nicht ertragen, von ihm getrennt zu sein.

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In der Pause hätten sie gerne miteinander geredet. oder wie Justus und Lara miteinander eng umschlungen dagestanden und sich geküsst, aber das würden sie beide aus verschiedenen Gründen definitiv nicht tun und so schwiegen sie und tauschten nur gelegentlich Blicke aus.

Frau Sommerfeld gab ihnen heute eine Liste mit fünfundzwanzig Präpositionen und deren Übersetzung und ohne jegliches Ächzen nahmen sie diese entgegen, trotz der Ankündigung, daß sie jetzt langsam bei dem Thema ankamen mit den vier Fällen, von denen es überall hieß, daß es so unglaublich schwer war, kam kein Wort der Beschwerde über ihre Lippen.

Frau Sommerfeld bemerkte, daß etwas los war und sprach sie an: „Was ist los? Ihr wirkt heute total niedergeschlagen.“

„Ich habe gestern hier einen Arbeitsvertrag angeboten bekommen“, erzählte Peter hin und hergerissen „es ist so wie ich das sehe, ein verdammt gutes Angebot, zumal zuhause sich meine Chancen täglich verschlechtern, aber ich will mich eigentlich nicht von meinen Freunden trennen.“

„Was ist das für ein Arbeitsvertrag?“, erkundigte sich Frau Sommerfeld irritiert.

„Als Profispieler für den American Football Verein in Braunschweig. Ich wurde zum Training der ersten Mannschaft eingeladen und habe dann vom Trainer einen Vertrag angeboten bekommen“, antwortete Peter etwas stolz auf sich.

„Das klingt gut, Profisportler würden viele gerne werden und nur wenige schaffen das. Du musst sehr viel Talent haben“, erkannte Frau Sommerfeld und lächelte freundlich ihm zu.

„Ja, das hat er“, bestätigte Bob ohne zu zögern.

„Hier steche ich raus, weil es nicht viele Talente gibt, bei uns bin ich ein Talent von vielen. Fast alle spielen Football und nahezu alle Talente bewerben sich wie ich auf ein Stipendium fürs College. Die Zusagen müssten längst raus sein und ich habe wohl keine, sonst hätten meine Eltern mich längst angerufen“, legte Peter die Situation offen.

„Und du brauchst ein Stipendium, um aufs College gehen zu können?“, hakte sie zur Vergewisserung nach.

„Das erste Jahr bekommen wir von ... das bekommen wir bezahlt, meine Eltern können aber die Summe nicht vollständig aufbringen von daher würde ich danach einen Kredit aufnehmen müssen, aber das wird alles schwierig... Ich bin nicht so intelligent wie Justus und Bob und wenn ich es nicht schaffe ..“, erklärte Peter verunsichert.

„Verstehe, dieser Vertrag ist also eine riesige Chance für deine Zukunft“, erkannte Frau Sommerfeld.

„Ja so wie es aktuell aussieht schon, das hieße aber ich müsste hier in Deutschland bleiben oder bald zurückkommen...“, bestätigte Peter.

„Ich würde sofort bleiben wollen“, warf Justus ein und seufzte. „Ich bin total glücklich mit Lara und der Gedanke in ein paar Wochen wieder zurück nach Kalifornien zu fliegen, fühlt sich grausam an.“

„Wenn ihr in Deutschland bleibt, möchte ich hier auch bleiben, habe aber keine Ahnung, ob das überhaupt möglich wäre“, stellte Bob klar. „Ich weiß zwar daß ich hier kostenlos studieren könnte, aber ich müsste ja von irgendwas leben und meine Eltern... “

Frau Sommerfeld fragte sie drei: „Habt ihr drei schon mal mit euren Eltern darüber geredet?“

„Nein“, sagten sie wie aus einem Mund.

„Ihr seid 17, das müsst ihr nachholen. Vielleicht stimmen sie ja zu, immerhin haben sie euch ja auch jetzt für einen Monat nach Deutschland gelassen. Ansonsten müsst ihr warten bis ihr 18 seid. Das ist ja jetzt auch nicht mehr allzulange hin“, riet ihnen Frau Sommerfeld.

„Aber grundsätzlich ist das möglich, also wir könnten auch hier einen Schulabschluss machen und dann hier studieren? Wie sieht es mit den Sprachkenntnissen aus?“, erkundigte sich Justus.

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