2 • Brennende Blumen und Massenkarambolagen

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Meine Tante setzte sich auf die Armlehne der Couch und spielte mit ihren Fingern, darauf bedacht mich nicht anzusehen.

"Jetzt sag doch endlich!" zischte ich und mit einem Mal hatte der Blumenstrauß auf dem Tisch Feuer gefangen. "Echt jetzt?" fragte ich genervt und erlosch den Blumenstrauß im Wasser der Vase. Ich zog einen Stuhl vom Tisch hervor und setzte mich darauf. Abwartend sah ich meine Tante an, die scheinbar mittlerweile ihre Worte gefunden hatte.

"Lina. Du..." setzte sie an, doch kam nicht weit.

Sie stand auf und schlurfte zum fenster, wo sie betrübt den Teich betrachtete.

"Du hast Gaben, die niemand anderes hat. Ich hatte gehofft, es würde noch etwas dauern, aber anscheinend ist es soweit.

Du bist ein Elementarier, einer, der eines der vier Grundelemente beherrschen kann.

Ich kann verstehen wenn du mir nicht glaubst, aber-"

Einen kurzen Moment hielt ich inne, ehe ich sie unterbrach: "Du hast recht, ich glaube dir nicht."

Amelia seufzte. Ich konnte es sofort erkennen, dass sie nicht log, aber es war doch auch seltsam wenn man jemandem sagt, dass man Superkräfte besitzt, oder nicht?

Zumal ich bisweilen noch garnicht wusste, dass es in unserer Welt überhaupt Übernatürliches gibt.

"Lina, ich kann verstehen, dass es dir nicht leicht fällt das zu verstehen, mir ging es damals genauso, als ich von meinen Kräften erfuhr.-"

"Moment das heißt du hast auch dieses Gaben-dingens, oder wie man das nennen sollte?" Überrascht weiteten sich meine Augen, damit hätte ich nicht gerechnet.

"Nicht ganz. Ich hatte welche, aber habe meine Kräfte freiwillig abgegeben, als ich einen Menschen geheiratet habe, deinen Onkel. Er hat mich verlassen, aber die Kräfte bekomme ich nicht zurück."

Ihr Blick senkte sich erneut und ich konnte sehen, dass sie das sehr mitnahm.

"Du willst mir jetzt also damit sagen, dass ich Übernatürliche Kräfte besitze?" Entsetzt schaute ich sie an.

"So in etwa, ja."

"Super." murmelte ich sarkastisch und verdrehte die Augen.

"Ich muss kurz telefonieren." Meine Tante verschwand aus dem Raum und ließ mich zurück. Gestern war noch alles normal und heute.. mein Leben wie ich es kannte gab es nicht mehr, denn ich bezweifelte, dass ich in allzunaher Zukunft heiraten, oder sterben würde.

Mein Kopf brummte und ich ließ mich erschöpft auf das grüne Ledersofa sinken. Ich starrte die Decke an, besser gesagt das große Deckengemälde, dass meine Tante gemalt hatte. Am war schon immer sehr talentiert gewesen, was das Malen anging, auch wenn sie es nicht gerne zeigte.

"So ich bin fertig." Meine Tante kam mit ihrem Handy zurück in den Raum und setzte sich neben mich.

"Ich habe mit einem alten Freund telefoniert. Er leitet eine Akademie für Menschen wie dich. Das wird dir zwar nicht gefallen, aber du wirst auf diese Schule gehen müssen und-"

"BITTE WAS?!?!" schrie ich und sprang auf, dabei ignorierte ich den Schmerz der durch meine Knochen fuhr, als ich aufsprang.

"Lina beruhige dich erstmal-"

"Wieso sollte ich?" schrie ich sie nicht mehr ganz so laut, aber mit voller Energie an.

"Weil du hier nicht sicher bist." antwortete meine Tante ganz gelassen. Manchmal bewunderte ich sie echt, dass sie immer die Ruhe selbst war.

"Können wir da bitte in Ruhe drüber reden?" fragte sie mich vorsichtig.

Widerwillig nickte ich. Ich hatte keine Lust weiter zu schreien, außerdem tat mein Kopf höllisch weh.

***

Nach gefühlten Stunden der Diskussion waren wir uns letztendlich einig, dass ich auf diese Akademie gehen würde. Ob ich das jetzt toll fand, konnte ich noch nicht sagen.

Sagen wir einfach mal, sie hat einen ziemlichen Dickschädel und ich mag es nicht, wenn Menschen weinen. So konnte man sich unser Gespräch vorstellen.

Meine Tante hatte mir noch viel erklärt, wie dort alles abläuft und was ich dort lernen würde.

Jetzt stand ich hier mit drei Koffern in meinem Zimmer und hatte keine Ahnung was ich einpacken sollte. Ist es dort warm? Oder eher kalt? Soll ich meine Winterjacke mitnehmen, oder nicht?

Verzweifelt raufte ich mir die Haare und setzte mich aufs Bett.

"Weißt du nicht was du einpacken sollst?" Meine Tante stand im Türrahmen und schaute mich belustigt an.

"So offensichtlich?" fragte ich.

"Komm ich helfe dir."

Eine weitere Stunde später waren meine Koffer gepackt. Winterjacke konnte ich also doch hierlassen. Ich holte einen Koffer nach dem anderen aus meinem Zimmer und stellte ihn an die Haustüre.

"Lina, ich habe hier noch etwas für Julie besorgt. Ich weiß nicht ob es dir gefällt, aber ich hoffe es"

Meine Tante kam in den Flur, wo ich gerade den letzten Koffer platzierte. Sie hielt mir mit einem dicken Grinsen im Gesicht eine Transportbox in Knallblau entgegen.

"Für Julie?" fragte ich während ich die Box begutachtete.

"Nein, eigentlich war sie für dich gedacht. " antwortete sie ironisch, woraufhin ich nur lachte.

"Danke." flüsterte ich.

"Immer wieder gerne."

***

Mit drei Koffern und einer Transportbox  mit einer aufgekratzten Katze enthalten, versuchten meine Tante und ich uns einen Weg durch die Menschenmenge am Bahnhof zu bahnen.

Es war vielleicht eine überstürzte Abreise, aber die Gesten, die meine Tante gemacht hatten, deuten darauf hin, das diese Akademie sehr wichtig für mich sein würde.

"Siehst du den Zug?" rief ich ihr entgegen. Wir suchten jetzt schon eine ganze Zeit diesen verdammten Zug, aber diese Giganten von menschen versperrten mir die Sicht.

"Ja, da vorne!" antwortete eine Stimme mir. Ich warf meine Kopf herum und konnte tatsächlich die Abfahrtnummer meines Zuges erkennen.

Wir schubsten alle Personen aus dem Weg und stellten uns möglichst nah an die Gleise. Ein Wunder, dassbei dieser Massenkaramolage noch niemand umgekommen ist.

"Ich werde dich vermissen." sagte ich, den Tränen nahe und umarmte sie ganz fest.

"Ich dich auch." flüsterte sie.

Eine Computerstimme riss uns aus unserer Umarmung. "Du musst los!" hetzte mich meine Tante. Ich nickte heftig und und umarmte sie ein letztes mal ehe ich mit meinen Sachen den Zug betrat.

Wenige Minuten schlossen sich die Türen und der Zug setzte sich in Bewegung. Ein letztes Mal winkte ich meiner Tante, ehe der Bahnhof vor meinem Fenster verschwand.

Erst als ich im Zug saß, ließ ich den Tag Revue passieren und mir wurde erstmals bewusst, wie verrückt das eigentlich alles war.




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