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Manuel

Zurück unter meiner warmen Decke, saß ich angelehnt an der Wand und beobachtete wie Christian ein prallgefülltes Tablett hineintrug. "Magst du es kurz nehmen? Dann kann ich mich setzen.". Vorsichtig nahm ich es entgegen und schaute mir neugierig den Inhalt an. "In den beiden Bechern ist Kaffee, dachte so bleibt dein Bett am ehesten sauber", hörte ich seine raue Stimme neben mir während er sich setzte. "Da hast du wohl Recht, danke dir.". Chris rutschte dicht zu mir ran und unter die Decke. "Ich hoffe dir schmecken die Pfannkuchen, ich hab einfach irgendein Rezept aus dem Netz genommen und noch Zucker dazugenommen. Und zum Belegen wusst ich nich, hab dir jetzt Marmelade, Nutella aber auch Wurst und Käse mitgenommen.". Ich unterbrach seine Ausführung mit einem Kuss. "Alles bestens. Vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast. Und das am frühen Morgen.". Schmunzelnd streichelte mein Freund mir über die Wange und gab leise zu: "Ist schon fast 13 Uhr Manulein. Ich hab ausschlafen können.". Brummend drückte ich meine Nase an seine Wange und lachte heiser. "Entschuldige, ich war nur so müde.". "War wohl mal wieder nötig länger zu schlafen hm.". "War einfach stressig die letzten Wochen.". Unsere Blicke verhakten sich ineinander. Ein leises Seufzen bevor Chris mir einen Becher in die Hand gab. "Lass uns erst essen.".

Schweigend genossen wir unser Frühstück. Ich brachte das Tablett anschließend zurück in die Küche, wo ich uns noch eine Kanne Tee kochte. Währenddessen versuchte ich meine Gedanken zu ordnen, um nicht erneut einen emotionalen Ausbruch wie den gestrigen zu bekommen. Auch Christians Worte hingen mir im Kopf. Sein Wille sich zu Bemühen, mein Freund zu sein.
"Wartest du bis der Tee trinkkalt ist?". Aufgeschreckt drehte ich mich um. Noch immer in denselben Klamotten wie zum Frühstück stand er vor mir und musterte mich wehmütig. "Du denkst nach.". "Kann sein, ja", gab ich zu. "Lass mich teilhaben. Ich bin nüchtern, ich erinnere mich an Alles Manu. Ich will es wirklich geklärt bekommen bevor wir gemeinsam weitermachen.". "Ist es denn das, was du willst? Gemeinsam?". Sein Blick wurde weicher als er sich nun zu mir stellte und die Hände über meine Schultern streichen ließ. "Ich habs dir gestern schon gesagt. Ich glaube nur meine Wortwahl war in der Situation falsch.". Seufzend wanderte er mit seinen Händen meine Arme hinab und umfasste zaghaft meine Hände. "Es stimmt, dass ich Bedenken habe öffentlich schwul zu sein. Vor den Kollegen, vor den neugierigen Blicken in der Innenstadt und ganz besonders vor jenen der Fans. Aber ich weiß, dass du nie an die Öffentlichkeit gehen würdest ohne zu wissen, ob ich das befürworte. Ich weiß das. Ich vertraue dir wie niemanden sonst Manuel. Ich brauch nur wirklich diese Zeit, um mich selbst zu finden und zu akzeptieren.". Leise, beinahe verzweifelt drang seine Stimme zu mir und doch war mein Kopf in diesem Moment wie leergefegt. "Ich will dir nicht noch einmal einen Korb geben.".

"Ich will-", flüsterte ich, in meiner Stimme alle Emotionen, die ich jemals für diesen Mann empfunden habe, "-Dich.". Ich hob den Blick und traf sofort auf seinen. "Ich weiß doch, wie kompliziert es ist. Allein schon mit dir als Person des öffentlichen Lebens. Aber ich bin bereit mich anzupassen, ich muss doch keine Dates im Stadtrestaurant haben aber vielleicht können wir ab und an zusammen Spazieren gehen, im Wald oder ans Moor. Pizza-Dates bei uns zuhause, Kuscheln im privaten Rahmen. Ich kann mich auf Tour zurückhalten, dich nur in deiner Garderobe küssen. Ich würde mich dir anpassen, solange es diese Möglichkeit-", ich holte tief Luft und musste mich einen Moment lang sammeln, um fortzufahren, "-diese Möglichkeit gibt, dass du zumindest im Freundeskreis zu mir stehst und wir irgendwann ein offenes, gemeinsames Leben teilen können. Eine gemeinsame Wohnung, vielleicht mit Familie, und das ganz ohne Hintergedanken, wie unsere Nachbarn das finden.". Erste Tränen hatten sich den Weg meine Wangen hinab gesucht, die Christian nun ganz sanft trocknete bevor er mich fest in seine Arme zog. Leicht wippend hielt er mich. Gehauchte Küsse auf meinem Schopf und das schwache Beben seines Oberkörpers, ließen mich aufsehen und zum ersten Mal auch bei ihm Tränen erkennen. "Nich du auch noch", murmelte ich schluchzend. "Tut mir leid, ich- ich weiß doch auch nicht. Du gehst mir so nah Manu, ganz tief ins Herz und selbst wenn ichs wollte, könnte ich nicht mehr leugnen, was-". Bibbernd holte er Luft und hob kurz den Kopf, um durchzuatmen. "Was ich für dich empfinde. Ich habe mich verliebt. In Manuel Josting.". Er lächelte mich unter Tränen an. Es war der schönste Anblick meines gesamten Lebens.

"Hast du Lust auf ein Pizza-Date? Gleich heute Abend?". Seine filigranen Finger streichelten über meine Wangen. "Ich kann eben zum Späti, die haben sonntags offen und dann besorg ich uns alles für Pizza. Teig selbst machen, belegen und dann hauen wir uns mit den Pizzen aufs Sofa und genießen gemeinsam den Abend. Was denkst du?". Vorsichtig nickte ich und lehnte mich zurück in seine Arme, die mich sicher umfingen. "Du bist so ein wundervoller Mensch. Ich wünsch mir genau das, was du eben gesagt hast. Ein gemeinsames Leben. Und das schaffen wir.". Erneut nickte ich. "Hörst du? Mich wirst du nich mehr los", murmelte er an mein Ohr und ließ mich verlegen gegen seinen Brustkorb lächeln. "Ich kanns spüren Manu.". Schmunzelnd hob er meinen Kopf und lächelte mich an. "Ich bin gerade ganz überfordert mit meinen Emotionen, weißt du. Ich glaube seit Wochen hab ich mir erträumt, dass wir endlich miteinander reden. Aber in keinem Traum verlief es so harmonisch.". "Ich bin auch ein ganz schöner Sturkopf.". Leise lachend nickte ich. "Das bist du. Aber irgendwie schaff ichs ja dir die Stirn zu bieten.". "Bist auch der Einzige.". Leise seufzend legte ich die Arme um seine Hüfte und zog ihn nah zu mir heran.

"Ich fahr dann einmal los hm.". "Mit welchem Wagen?". Verwirrt schaute er mich an. "Ich hab dich vom GoParc eingesammelt, und da steht dein Auto auch nich.". "Oh", gab er leise von sich, was mich auflachen ließ. "Nimm mein Auto, ja?". "Wirklich?". "Klar. Steht in der Einfahrt, ich komm noch mit runter. Ich muss meinen Eltern eben fürs Mittag absagen. Dann bedien ich mich gleich an der Speisekammer und schau, was wir Zwei essen können.". Liebevoll drückte Chris mir einen Kuss auf die Wange bevor er meinen Schlüssel nahm und hinter mir die Treppen hinablief.
"Fahr vorsichtig, okey?". "Ist ja nicht allzu weit, ich pass auf.". Arm in Arm standen wir an meinem Wagen gelehnt, fernab von allen möglichen Blicken. "Ich vermiss dich schon wieder", flüsterte ich. Schmunzelnd erwiderte er dies und drückte mir noch einen Kuss auf. "Bis gleich, ich beeil mich.". Ich stahl mir noch einen kleinen Kuss bevor ich ihn einsteigen ließ. Noch einmal gewunken und schon fuhr er vom Hof. "Na wenn das nicht Christian Reinelt war hm.". Resigniert seufzte ich auf. "Ja Mom. Und jetzt?". Ich drehte mich um, nur um meine Mutter in der Haustür stehen zu sehen. "Ich denke er ist nicht schwul? Und jetzt leckt ihr euch hier ab, er fährt mit deinem Auto weg. Was passiert als nächstes? Zieht er hier auch noch ein?". "Selbst wenn es so wäre, dann könnte es dir egal sein. Das ist meine Wohnung, mein Auto, mein Leben!". Unsere Blicke führten einen stummen Kampf aus bis sie endlich nachgab und ohne weitere Worte zurück ins Haus ging. Wütend schnaufend nahm ich auf der Bank neben unserer Tür Platz und sah über das Grundstück. "Willkommen in der Familie, Christian.".

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