Kapitel 17

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Es war die schallende Ohrfeige, die Tristan zuerst in seinem Gehör vernahm, erst wenige Sekunden später konnte er den brennenden Schmerz in seiner linken Wange vernehmen. Sofort schossen ihm Tränen in die Augen, während er sich mit der Hand an die Stelle griff, die kurz zuvor die Hand seines Vaters getroffen hatte. Seinen Blick hatte er starr auf den Boden gerichtet, damit Robert Livingston nicht sehen musste, wie sehr ihn dieser Schlag getroffen hatte – nicht körperlich, sondern vielmehr seelisch. Mal davon abgesehen, dass die Worte seines Vaters ebenso weh taten, dabei war er einmal zwölf Jahre alt.

„Dass du dich nicht schämst, mit dieser Arbeit nach Hause zu kommen", schimpfte der Mann vor ihm, der sich wieder hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte und so tat, als hätte es diesen Schlag gar nicht gegeben. Seine pochende Wange verriet ihm etwas anderes, aber Tristan würde auch nicht auf die Idee kommen, sich dagegen zu wehren, dagegen zu sprechen. Er nahm es hin. Schließlich hatte er es verdient, er hatte nicht so abgeliefert, wie gewünscht, deshalb war diese Strafe mehr als nur gerechtfertigt. Zumindest in seinen und den Augen seines Dads.

„Eine zwei plus, warum ist es nicht mehr geworden?", wollte der Unternehmer von ihm wissen und Tristan wusste, dass er ihm antworten musste. Es war ihm nicht erlaubt, nicht zu sagen, denn das würde Robert doch nur wütender machen. Ja, warum hatte er keine bessere Note auf diese Mathearbeit nach Hause gebracht?

Tristan schwieg einen Moment, fing an, an seinen eigenen Fingern herumzunesteln und versuchte seine Atmung zu kontrollieren, ruhig zu bleiben, denn er wusste, dass es nichts bringen würde, wenn er sich jetzt aufregte.

„Ich war wohl nicht konzentriert genug", gab er zu, was der Wahrheit entsprach.

„Ich habe viel an das nächste Geigenkonzert gedacht. Ich war in Gedanken nicht richtig anwesend. Es tut mir leid, Dad." Seine Stimme zitterte, sein Herz hämmerte ihm gegen die Brust, er war sich sicher, dass die Ohrfeige nicht die einzige Bestrafung bleiben würde. Er sah, wie sein Vater darüber nachzudenken schien, was er tun konnte, das ihn am Ende traf.

„Wie willst du eines Tages das Unternehmen übernehmen, wenn du keine Noten erbringst? Es reicht, dass dein Bruder schon eine Enttäuschung ist in der Schule, also muss ich doch auf dich bauen können, Tristan." Roberts Stimme war tief, ernst und vor allem angsteinflößend. Deshalb ging der Junge einen Schritt im Arbeitszimmer zurück und konnte über diese Aussage innerlich nur den Kopf schütteln. Es machte ihn traurig, dass er so über Benedict dachte, denn er war keine Enttäuschung. Er nicht der Beste in der Schule, aber er brachte ganz passable Noten nach Hause. Er war ein unglaublich toller Fußballspieler, zumindest so gut Tristan das beurteilen konnte, aber im Fokus ihres Vaters stand nur immer er.

Tristan wollte das Unternehmen nicht übernehmen. Er hatte doch gar keine Ahnung, was er machen wollte, wenn er älter war. Vielleicht wollte er Musik machen, Musik studieren, mehr Instrumente lernen, sich als Komponist versuchen, jedoch hatte er keinerlei Interesse daran, die blöde Firma seines Vaters zu übernehmen. Der Junge wusste nicht einmal, was dort überhaupt passierte, worum es dabei ging. Es hatte ihn nie interessiert, aber sein Vater hielt viel auf das, was er tat, war nur stolz, wenn er gute Noten nach Hause brachte, und war enttäuscht, wenn er nicht so zufriedenstellend ablieferte.

„Du wirst mit deinem Lehrer besprechen, wie du die Note ausbessern kannst und solange das nicht geschehen ist, wirst du auch nicht zu deiner Geige greifen und spielen. Dieses Ding lenkt dich auch nur ab." Da war sie, die Strafe. Sie erniedrigte ihn nicht nur, nein, sie sorgte dafür, dass er nicht wusste, wie er die nächsten Tage und Wochen durchstehen sollte, wenn er nicht auf seiner Violine spielen durfte. Vor allem war in zwei Wochen das Konzert, da wollte er doch glänzen. Das konnte er doch so gut.

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