Mert's Sicht:
Mit einem lauten Stöhnen wachte ich am Morgen auf. Ich fasste mir direkt an den Kopf, der mir unglaublich weh tat. Langsam schaute ich mich im Zimmer um und versuchte mich daran zu erinnern, wie ich hierher gekommen war. Ich erkannte das Zimmer, aber wieso schlief ich hier? Ich blickte an mir herunter. Mein Oberkörper war frei, das Hemd lag neben mir. Die Schuhe hatte ich auch ausgezogen, diese lagen neben dem Bett. Langsam, mit schrecklichem Kater bewegte ich mich aus dem Bett und betrachtete mich im Spiegel, der an der Wand hing. Meine Haare waren zersaust, die Augen blickten ziemlich müde. An meinem Rücken hatte ich einige frische Kratzer von Caroline oder wie sie auch heißen mag. Aber was mir danach auffiel, war der Knutschfleck an meinem Hals. Scheiße! Hatte Elif das gesehen? Mert, du hast es so ziemlich bei ihr verkackt Junge!
Ich schnappte mir mein Hemd und zog es mir über. Die Schuhe nahm ich in die Hände, weil ich den Boden nicht dreckig machen wollte. Langsam öffnete ich die Tür und schlich mich aus dem Zimmer raus. Ich steuerte erst auf das Bad zu, in der Hoffnung, dass es nicht besetzt war. Zu meinem Glück war es leer und ich konnte mir das Gesicht gründlich waschen. Mit gefeuchteten Händen ging ich mir durch die Haare und brachte sie einigermaßen in Ordnung. Ich wollte das Bad wieder verlassen und so schnell wie möglich von hier abhauen. Ich erinnerte mich zwar nicht ganz an den gestrigen Abend, aber ich kann mir denken, wie unangenehm es für die Familie war.
Ich verließ leise und vorsichtig das Bad. Als ich auf die Treppen zusteuerte, fiel mein Blick auf Elifs Zimmer. Meine Füße steuerten automatisch dahin, mein Herz pochte wieder einmal zu schnell, wenn ich an sie dachte. Ich öffnete so leise ich konnte ihre Tür, indem ich die Türklinke vorsichtig runter drückte. Die Schuhe legte ich vor dem Eingang ab.
Mein Blick fiel direkt auf ihre dunkelblonden Haare, die ihr leicht auf dem Rücken lagen. Sie schlief noch, ihre Augen waren geschlossen und ihr Atem war laut und regelmäßig. Ihr Gesicht war so unschuldig und ich? Ich war inzwischen so dreckig geworden, dass ich sie gar nicht mehr verdiente. Sie hatte recht damit, mich zu hassen. Das war mir gestern Abend klar geworden. Ich lauschte kurz, ob jemand im Haus war. Es war jedoch so leise, sodass ich mich traute, in Elifs Zimmer reinzugehen. Ich bewegte mich auf ihr Bett zu und setzte mich auf die Kante. Vorsichtig und liebevoll strich ich ihr durch die Haare. Wann hatte ich zuletzt die Möglichkeit gehabt, ihr Haar durcheinander zu bringen? Es war schon sehr lange her, dass ich sie damit geärgert hatte. Ich schaute mir ihre langen Wimpern an, diese wunderbaren Lippen, die ich so gerne liebkosen würde.
Als ich sie weiterhin betrachtete, bewegte sie sich plötzlich. Scheiße, sie würde jetzt aufwachen. Schnell überlegte ich, ob ich lieber rausgehen sollte, doch sie war schneller. Sie öffnete ihre Augen und blickte direkt in meine. Sie blinzelte einige Male, bis sie sich plötzlich aufsetzte und mich geschockt anschaute.
Elif: Mert?! Was willst du hier??
Ich: Ich... ähm... ich wollte dich nicht aufwecken
Elif: Oh mein Gott! Wie lange sitzt du schon hier? Hast du mich die ganze Zeit beobachtet?
Ihre Augen wurden größer, als sie realisierte, was ich getan hatte.
Elif: Mert odamdan çık (verlass mein Zimmer)
Ich: Elif artık dayanamıyorum (ich halte es nicht mehr aus)
Elif: Ich möchte nicht mehr darüber reden, geh endlich
Ich wurde schon wieder wütend. Klar, sie hatte jedes Recht darauf, mich aus ihrem Haus zu verjagen. Doch wieso ignorierte sie meine Gefühle? Mit welchem Recht verletzte sie mein Herz jedes Mal?
Ich (lauter): Wieso möchtest du nicht verstehen, dass ich dich liebe?!
Sie strich sich durch die Haare und schaute kurz auf ihre Hände, bevor sie mich wieder etwas ernster anschaute.
Elif: Kannst du mir mal bitte sagen, wie ich dich ernst nehmen soll, wenn du mir zwar deine Liebe gestehst, aber danach zu deinen Schlampen gehst? Nur um deine Rache an denen zu nehmen, weil ich dich abgewiesen habe?
Ich blickte sie an. Sie hatte Recht. Aber ich konnte mich so schlecht kontrollieren, wenn es um sie ging. Sie sprach weiter.
Elif: Weißt du, wenn du der alte Mert gewesen wärst, dann hätte ich deine Worte sogar zu Herzen genommen. Aber so denke ich einfach nur darüber nach, womit du mich eigentlich verdienst, wenn du jeden Augenblick danach zu einer anderen abhauen würdest
Ich: Gib mir doch noch eine Chance, mich zu beweisen
Elif: Mert lass mich einfach in Ruhe. Geh jetzt, das ist das Beste für uns beide
Ich stand ruckartig auf und stellte mich auf. Wütend schlug ich auf die nächstbeste Wand neben mir, weshalb Elif erschrocken zusammenzuckte.
Ich: Ich werde gehen, aber Elif ich schwöre auf alles, dass ich dich nicht aufgeben werde. Elinde sonunda benim olucaksın (am Ende wirst du irgendwann mir gehören)
So ließ ich sie zurück. Ich schnappte mir meine Schuhe vor ihrer Tür und lief die Treppen abwärts, um aus diesem Haus zu gehen. Unten zog ich mir meine Schuhe an und öffnete die Tür. Vor mir standen plötzlich Elifs Eltern, ihre Mutter hatte den Schlüsselbund in der Hand. Sie wollte wohl ihre Tür aufschließen, ich kam ihr zuvor.
Elif's Vater: Mert wir haben frische Brötchen gekauft, wo willst du denn hin, ohne gefrühstückt zu haben?
Mert: Danke, das ist sehr nett von dir Amca, aber ich muss schnell nach Hause
Elif's Vater: Schade, grüß deine Eltern von uns
Ich nickte beiden zu, bedankte mich für die Nacht und verabschiedete mich von beiden. Ich musste hier raus, so schnell wie möglich. Wütend lief ich in die Richtung meines Hauses, zwischendurch kickte ich einen Stein weg, der mir im Weg stand. Ich überlegte verzweifelt, wie ich Elif's Herz für mich gewinnen könnte. Verdammt Mert, wärst du doch der alte geblieben! Was hat es dir gebracht, mit der nächstbesten in der Nähe in die Kiste zu springen? Rein gar nichts! Idiot, du hast es viel schlimmer gemacht!
Ich ging gerade an Yasins Haus vorbei. Was machte er eigentlich seit unserem letzten Treffen? Ich lief die Schritte wieder zurück und entschloss mich dazu, mal vorbeizuschauen. Wir hatten lange nicht mehr miteinander gesprochen. Es war zwar Sonntag, aber ich hoffte, es störte ihn nicht. Ich klingelte an der Haustür und irgendwann wurde sie von Esra geöffnet.
Esra: Oh, Mert Abi?
Ich: Ja, genau. Ist Yasin da?
Esra: Ähm ja warte einen Moment, ich rufe ihn
Ich wartete geduldig an der Tür, innerlich brodelte es trotzdem bei mir. Irgendwann erschien Yasin dann auch, in einem ziemlich lässigen Look. Seit unserer letzten Begegnung hatte er sich verändert. Die Haare und sein Bart waren länger geworden, jedoch strahlte er Glück aus.
Yasin: Mert? Naa, lange nicht mehr gesehen Junge!
Er schloss mich in eine Umarmung, was mich wunderte. Doch ich glaube, das hatte ich gerade gebraucht. Schnell sprudelte es aus meinem Mund heraus.
Ich: Ich habe Scheiße gebaut
Yasin: Ich weiß. Komm doch rein
Ich: W-woher weißt du das?
Yasin: Aylin hat mir so einiges berichtet
Aylin. Sobald er ihren Namen aussprach, fühlte ich mich schlecht. Ihr hatte ich ebenfalls Unrecht getan, sie war wahrscheinlich genauso von mir enttäuscht. Yasin führte mich in sein Haus, ich grüßte kurz seine Eltern. Dann gingen wir hoch in sein Zimmer. Ich setzte mich auf die Couch und er bat mir etwas zu trinken an, was ich dankend annahm. Ich hatte noch nichts gegessen oder getrunken und das Wasser tat mir gerade gut gegen meine Kopfschmerzen, die nicht weggehen wollten.
Yasin: Komm schon Mert, erzähl mir was passiert ist
Ich: Sag du mir erst, wie es dazu kam, dass Aylin von mir erzählt hat
Yasin: Darf meine Freundin ihre Sorgen nicht erzählen und mir diese anvertrauen?
Ich: Freundin???
Er lächelte stolz und seine Augen leuchteten auf. Man, was hatte ich alles verpasst?
Yasin: Ja, wir sind zusammen
Ich schlug ihm spielerisch auf die Schulter und gratulierte ihm. Kein Wunder, dass ich nichts davon wusste. Ich hatte Elif und Aylin vernachlässigt in den letzten Monaten.
Yasin: Aber jetzt wieder zu dir, wieso hast du das alles gemacht? Ich dachte du wärst korrekt
Irgendwas sagte mir, dass mir Yasin weiterhelfen könnte und ich mich ihm anvertrauen kann. Irgendwie brauchte ich auch jemanden zum Reden, deshalb erzählte ich ihm alles. Er hörte mir aufmerksam zu.
Yasin: Du hast echt scheiße gebaut
Ich: Das weiß ich doch schon, sag mir am Besten, wie ich Elifs Herz erobern kann
Yasin: Du musst jetzt verstehen, dass sie einen Hass auf dich verspürt. Aber du kannst schon mal damit anfangen, nicht mehr zu diesen billigen Mädchen zu gehen
Ich: Die sind schon vergessen, nie wieder werde ich eine von denen berühren
Yasin: Du hast sie vergessen, Elif aber nicht. Sie muss auch merken, dass du sie hinter dich gelassen hast
Ich: Und dann?
Yasin: Dann wird alles von alleine gehen. Du hast ihr deine Liebe gestanden, sie denkt wahrscheinlich immer über deine Worte nach. Wenn sie sieht, dass du dich bemühst, dann könnte sie vielleicht auch Gefühle für dich entwickeln
Ich: Was wenn nicht?
Yasin: Gib ihr einfach ihre Zeit, die sie braucht
Ich nickte ihm zu. Er hatte Recht. Es brauchte alles nur seine Zeit. Ich würde mich verändern, der alte Mert muss wieder zum Vorschein kommen. Der, der ich wirklich bin!