Kapitel 11 - Das Ramen Date

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Isa

Es war kurz vor 19:00 Uhr, als ich mein Japanisch-Buch zuklappte und zurück in meinem Rucksack steckte. Obwohl wir morgen einen Test schreiben würden, bekam ich einfach nichts mehr in meinen Kopf hinein. Zu sehr kreisten meine Gedanken wieder um Kuroo. Ich hatte mich zwar mittlerweile an seine Gegenwart gewöhnt, da Sakana und ich fast jeden Tag mit dem Jungen-Volleyball-Team zu Mittag aßen, aber ihm direkt in die Augen zu schauen und seine volle Aufmerksamkeit zu bekommen, war eine ganz andere Sache. „Er mag Mädchen mit langen Haaren", dachte ich und zwirbelte an eine meiner langen braunen Haarsträhnen zwischen meinen Fingern. Dies entlockte mir ein verliebtes Grinsen und ich war bestimmt wieder rot geworden.

Das Knurren meines Magens holte mich zurück in die reale Welt. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich auf einmal große Lust auf eine Portion Ramen von meinem Lieblingskiosk. „So soll es sein!", bestätigte ich mich und schnappte mir eine kleine Umhängetasche. Darin verstaute ich meine Geldtasche, die Wohnungsschlüssel und mein Handy. Ich sah mich kurz im großen Wandspiegel an, der in meinem Zimmer hing und musste kichern. Ich trug eine graue Oversize Jogginghose, einen rosa Pulli, auf dem eine kleine Katze mit einem Wollknäuel spielte und meine schwarze Umhängetasche. Dazu würde ich noch meine weißen Sneaker anziehen und schon war mein „Ich-geh-mal-schnell-zum-Kiosk"-Outfit perfekt. Meine langen braunen Haare band ich zu einem hohen Pferdeschwanz.
„Mum, Dad, ich gehe mal eben schnell zum Kiosk.", rief ich durch die Wohnung als ich meine Schuhe anzog. „Alles klar, mein Schatz!", rief Mama aus dem Wohnzimmer. „Pass auf dich auf!", fügte Papa hinzu. „Werd' ich!" Mit diesen Worten verließ ich um 19:11 Uhr die Wohnung. Es war schon recht dunkel draußen, aber der Weg zum Kiosk war hell erleuchtet, da das Hochhaus, in dem wir wohnten, in der Nähe einer Einkaufsstraße lag.

Es war Donnerstagabend und da in Tokyo sowieso rund um die Uhr die Hölle los war, bahnte ich mir meinen Weg vorbei an Geschäftsleuten, die gerade Feierabend machten, Touristen, die sowieso das ganze Jahr über hier waren und jungen Leuten, in Feierlaune. Apropos feiern. Diesen Samstag hatte ich Geburtstag und ich noch keine Ahnung wie, wo und mit wem ich ihn verbringen würde. „Vielleicht frage ich Sakana-chan, ob sie mit mir einen gemütlichen Abend machen will.", dachte ich mir und nahm mein Handy raus, um ihr im Gehen schnell eine SMS zu schicken.

Gerade in dem Moment als ich die ersten Zeichen in mein Handy tippen wollte, vernahm ich eine Männerstimme nur wenige Schritte vor mir. „Hey Kleine, bitte nicht wieder einen Zusammenstoß." Ich blickte auf und sah Kuroo, der nur drei Schritte vor mir entfernt stand. Ich hätte fast mein Handy fallen lassen, als ich ihn erblickte. Er hielt schützten seine Arme vor sein Gesicht und zog ein Bein an, als ob er wirklich einen Aufprall verhindern wollte. „S-sehr witzig, Kuroo-kun.", sagte ich gespielt beleidigt und konnte mir ein Grinsen bei dem Anblick nicht verkneifen.

Er ließ seine Arme sinken und kam gut gelaunt einen Schritt auf mich zu. „Cooler Pulli, Kudo-chan.", sagte er grinsend und beugte sich direkt vor mir runter, die Augen auf die Katze auf meinem Pulli gerichtet. Erst in diesem Moment viel mir mein absolut peinliches Outfit wieder ein. Augenblicklich wurde ich knallrot und drehte mich um. „Oh, nein, nein, ich wollte nicht deine... ich meine... tut mir leid!", entschuldigte er sich gleich und wedelte wild mit den Armen. Ich sah im Augenwinkel, wie lustig er dabei aussah und musste kichern. „So, du lachst mich also aus?", sagte er plötzlich mit gespielt ernster Stimme.
Ich sah, wie die Leute an uns vorbeigingen und keinerlei Notiz von der Show, die Kuroo und ich hier gerade abzogen, wahrnahmen. „Nützt ja nichts, jetzt hat er mich eh schon gesehen.", sagte ich zu mir selbst und drehte mich langsam zu ihm um. „Nein, ich hab' nicht... das-das sah nur gerade sehr witzig aus.", sagte ich kleinlaut und verbeugte mich dabei leicht. „Schon gut.", sagte Kuroo freundlich und legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich hab' dich nur auf den Arm genommen." Als er seine Hand von meiner Schulter nahm, kribbelte die Stelle immer noch und dieses Kribbeln zog sich durch meinen ganzen Körper. „Aber was machst du um diese Zeit hier draußen? Bist du verabredet?", fragte er und ich glaubte einen leicht besorgten Tonfall herauszuhören. „Ja, mit einer Portion Ra-Ramen." Ich zeigte auf den Kiosk, der auf der anderen Straßenseite lag. Kuroo lächelte und ich versuchte mit aller Kraft, die ich hatte, gerade auf meinen Beinen stehenzubleiben.

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„Das klingt doch super, darauf hab' ich jetzt auch Lust!", sagte er und nahm einfach so meine Hand. In mir tanzten die Schmetterlinge Samba und ich war wie in Trance als er mich hinter sich her auf die andere Straßenseite zog. Träumte ich gerade? Nahm Kuroo Tetsuro mich bei der Hand und wollte mit mir Ramen essen gehen. Ich kam erst wieder zu mir, als ich ihn neben mir fragen hörte „Hallo! Erde an Kudo! Welche Ramen möchtest du?" Sein Gesicht war direkt vor meinem. „Die-die mit Rindfleisch bitte." Er nahm zwei Packungen aus dem Regal. „Und zu trinken?" Wie ein Roboter zeigte ich auf den Eistee mit Erdbeergeschmack. „Gute Wahl!" Wieder schnappte er sich zwei Flaschen und eilte mit seiner Beute zur Kasse. Ich ging mit weichen Knien zu den Tischen an den Fenstern und setzte mich auf einen Barhocker.

Keine fünf Minuten später kam Kuroo mit den beiden Portionen Ramen, in die er schon heißes Wasser gefüllt hatte, zwei Paar Essstäbchen und den zwei Flaschen Erdbeer-Eistee zu mir an den Tisch. „Vorsicht, heiß!", sagte er und grinste dabei frech. Ich war mir nicht sicher, ob er sich oder die Nudeln meinte. Als ich mein Portemonnaie herausholen wollte, schüttelte er nur den Kopf. „Nein, lass nur. Sieh es als Entschuldigung dafür, dass ich deine Katze- ich meine- deinen Pulli angestarrt habe." Er wendete den Blick ab und nahm einen großen Schluck Erdbeer-Eistee. Ich sah mein Spiegelbild im Fenster und verstand nun, was er meinte. Die Katze war direkt auf Höhe meiner Brüste. Schlagartig wurde ich rot und wendete mich den Ramen zu. „Danke.", sagte ich leise und wäre am liebsten im Boden versunken. Wir wünschten uns guten Appetit und nahmen die ersten Bissen schweigend zu uns. „Boa, sind die gut!", unterbrach Kuroo plötzlich die Stille und ich musste schmunzeln, als ich sah, wie sehr er sich über ein Nudelgericht freute. „Du magst Ramen echt gerne, was?", fragte ich ihn und war erstaunt darüber, dass dies der erste gerade Satz war, den ich je zu ihm gesagt hatte.

Kuroo nahm eine große Portion Nudeln in den Mund und zeigte mit dem Daumen nach oben. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragt ihn, was er denn um diese Zeit in dieser Gegend trieb. „Naja, ich wohne hier ums", er zog eine Nudel in den Mund „Eck und musste den Kopf frei bekommen." „Kopf frei bekommen? Wovon denn?", dachte ich und gegen meinen Willen formten meine Lippen diesen Satz und ich sprach ihn laut aus.
Er war wohl genauso wenig auf diese Frage vorbereitet, wie ich, denn er schaute mich nur eindringlich mit seinen Katzenaugen an und ich musste schlucken. „Naja es ist so, ich habe bald eine wichtige Englisch-Prüfung und Sakana-chan hat mir gesagt, dass du ziemlich gut, naja, in Englisch bist ich-nun...", er machte eine Pause und schluckte seine Ramen runter, „ich bin's nicht." Es schien fast so, als wäre ihm diese Aussage extrem schwergefallen.
Ich legte meine Stäbchen weg und sah sein Profil an. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Schämte sich Kuroo etwa gerade? Der Kuroo, der der Inbegriff von Selbstsicherheit war? „Ist doch kein Problem, ich-ich kann dir Nachhilfe geben, wenn du möchtest." „Hast du das gerade ernsthaft gesagt?!", schrie mich mein inneres Ich an und knallte wohl gerade seinen Kopf gegen eine Wand. Kuroo sah mich mit leuchtenden Augen an. „Wirklich?", fragte er, als ob man ihn gerade zum besten Volleyballspieler Japans ernannt hätte.
„Nun, ja... ich meine ich bin keine Drittklässlerin, aber-" „Macht nichts!", sagte Kuroo sofort und lächelte. „Vielen Dank, Kudo-chan!", er nahm wieder meine Hand und drückte sie leicht, was wieder dieses Kribbeln in mir auslöste.

Wir aßen unser Portion Ramen auf und tranken dazu den leckeren Erdbeer-Eistee. Kuroo fragte mich, was ich von Sakana hielt, und ich erwiderte ihm, dass ich in ihr eine gute Freundin gefunden hatte und sie sehr liebenswert und hilfsbereit sei. Außerdem nahm sie ihre Aufgaben als Managerin für das Jungen-Volleyball Team der Nekoma-Oberschule sehr ernst „Oh ja, das tut sie.", sagte Kuroo zufrieden und nahm den letzten Schluck seines Eistees. „Sie und Kenma sind richtig süß zusammen, findest du nicht auch?" Er zwinkerte mir zu. Meine Wangen färbten sich leicht rot. „Ja, ich meine, sie sind gute Freunde..." Sakana hatte mit mir noch nicht wirklich über Kozume gesprochen, daher wusste ich nicht, was ich darauf erwidern sollte. Kuroo grinste nur und sah auf sein Handy.
„Oh, es ist schon spät. Deine Eltern werden sich schon fragen, wo du bleibst. Ich sollte dich jetzt nach Hause bringen." Er sprang auf. „Oh-nein, das musst du nicht, ich finde den Weg schon allein.", sagte ich gespielt cool und winkte schnell ab. „Vergiss es, ich bringe Mädchen immer nach Hause, wenn es dunkel ist." Ich verschluckte mich fast am letzten Schluck Eistee und sah beschämt zu Boden. „Oh nein! So war das nicht gemeint!", lachte Kuroo und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Diese Geste von ihm fand ich so niedlich, und egal, ob diese Aussage so gemeint war oder nicht, ich willigte mit einem Kopfnicken ein.

Die wenigen Minuten bis zu meiner Wohnung gingen wir schweigend nebeneinander her. Ich verbeugte mich schnell vor ihm, bevor er mich zum Abschied umarmen konnte und bedankte mich noch einmal für die Einladung und fürs Nachhause bringen. „Wir sehen uns dann morgen in d-der Schule. Oyasumi*, Kuroo-kun!", sagte ich und lief hastig den Weg zum Eingang des Hochhauses entlang.
Kuroo stand ein paar Sekunden wie angewurzelt da. Dass ein Mädchen ihn einfach so stehen ließ, war ihm wohl noch nie passiert. Doch er rief mir noch ein „Oyasumi, Kudo-chan!" hinterher, bevor ich im Wohnhaus verschwand. Dann schlenderte er mit den Händen in den Hosentaschen in die entgegengesetzte Richtung davon.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, als ich die Wohnung betrat. „Alles in Ordnung bei dir mein Schatz, du bist spät dran. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.", hörte ich meinen Papa plötzlich neben mir sagen. „Alles gut, Papa. Ich habe nur noch jemanden aus der Schule getroffen und mich ein wenig verquatscht. Oyasumi, Papa! Oyasumi, Mama!", ich gab ihm ein Küsschen auf die Wange und winkte meiner Mutter zu, die im Türrahmen zum Wohnzimmer stand und mir zuzwinkerte.

Als ich mich gegen 21:30 Uhr in mein Bett kuschelte, musste ich an die vergangenen Stunden denken. Sie waren so surreal und schön zugleich gewesen. Kuroo hatte sich ganz anders benommen als in der Schule unter den Augen der Mitschüler. Irgendwie gefiel mir diese niedliche Seite an ihm. Es hatte sich für mich fast wie ein kleines Date angefühlt und in meinem Bauch tanzten die Schmetterlinge wieder um die Wette, bis ich einschlief.


* Oyasumi = Gute Nacht

ichigo no akasa 🍓- Kuroo x OC (18+ Story)Where stories live. Discover now