21. Negativ

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Kayas Perspektive:

Vor knapp einer Stunde war Sophie wieder gefahren. Sie war zwei Tage hier zu besuch gewesen. Es war wirklich nett und schön sie wieder zu sehen. Wir hatten gestern einen wirklich langen Spaziergang alle zusammen gemacht. Fränki war auch mitgekommen und wir waren etwas raus aus Berlin gefahren. Wie eng das Verhältnis zwischen Felix und seinem Vater war, war bewundernswert. Ich wusste, wie unglücklich er war, dass er ihm in der Jugend so viel Stress bereitet hatte. Doch jetzt verstanden sie sich unglaublich gut. Fränkis Humor glich dem von seinen Kindern, was es wirklich einfach machte, ihn zu mögen. Rückblickend konnte ich selber nicht mehr nachvollziehen, wie ich damals solch eine Panik vor dem ersten Treffen gehabt hatte. Doch ich war erleichtert, dass so etwas nicht mehr vorgekommen war. Ich mochte Felix Familie und ich hatte auch das Gefühl, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte.
Bei dem ausgiebigen Spaziergang hatten die drei auch über ihre Mutter gesprochen. Fränki hatte ein paar Geschichten erzählt, welche für beide neu gewesen waren. Es war emotional Felix dabei zu zu sehen, wie er etwas über seine Mutter erfuhr. Ich hatte gesehen, wie er hin und her gerissen war. Denn einerseits freute es ihn zu hören, wie sie so gewesen war. Doch gleichzeitig war es schwer, weil er sie nie kennengelernt hatte. Ich hatte den Schmerz gesehen. Seine eigene Mutter nicht zu kennen musste ein komisches Gefühl sein. Ich stellte es mir enorm schwer vor. Wie viele Fragen er wohl haben musste.

Vor nun knapp einem Monat hatten Felix und ich beschlossen, dass wir bereit wären für ein zweites Kind. Das hieß, die letzten Wochen hatten wir nicht verhütet. Seit drei Tagen sollte ich nun eigentlich meine Periode haben. Ich wusste, dass es in der Stillzeit unregelmäßig war, aber trotzdem war ich angespannt. Hatte es wohl so schnell schon geklappt? Heute morgen hatten wir besprochen, dass ich einen Test machen würde, sobald Felix von der Arbeit zurück war.
Nun stand ich also mit dem Test im Bad und zog langsam die Kappe ab.
Die Anweisung hatte ich mir bereits gründlich durchgelesen.
Auf meinem Timer startete ich die 5 Minuten, wusch meine Hände und lief ins Wohnzimmer. Den Test hatte ich bewusst liegen lassen. Ich konnte nicht 5 Minuten davor sitzen und warten.
„Schon fertig?" fragte Felix überrascht, doch ich schüttelte den Kopf.
„5 Minuten noch. Ich wollte nicht alleine da sitzen" antwortete ich und ließ mich gegenüber von ihm nieder.
Oskar stand zwischen seinen Beinen und lief immer mal wieder ein paar Schritte, bevor er auf den Teppich fiel.
„Komm zu Mama" motivierte ich ihn und breitete grinsend meine Arme aus.
Oskars Augen wurden groß und Felix ließ eine Hand von ihm los.
„Geh zu Mama" sagte auch er und befreite seine zweite Hand aus Oskars kleinen Fingern.
Nun stand er alleine und schaute zu mir. Ein Lächeln entstand auf seinem Gesicht, bevor er sich tapsend in meine Richtung bewegte. Zwei Mal dachte ich schon er würde fallen, doch dann kam er bei mir an. Stolz drückte ich ihn an meine Brust.
„Das hast du toll gemacht mein Kleiner" lobte ich ihn und küsste ihn freudig.
„Dada" machte er und griff in meine Haare.
Sofort begann Felix zu lachen. Ich hatte wirklich gehofft, dass die Phase bald enden würde. Seine kleine Hand hatte eine lange Strähne von meinen Wellen sicher gefasst und zog nun daran.
„Aua" sagte ich und schaute traurig, in der Hoffnung, dass er die Haare von alleine los lassen würde.
Doch keine Chance.
„Dadaaaa" lachte er fröhlich und zog an ihnen, was Felix dazu brachte aufzustehen.
Vorsichtig löste er die kleinen Finger von meinen Haaren und schaute böse zu Oskar.
„Das tut Mama weh" versuchte er zu erklären.
Dann begann der Wecker zu klingeln und ich erhob mich. Ich hatte den Timer fast vergessen. Felix schaute mir hinterher.

Ein Strich. Okay, das wäre ja auch echt unwahrscheinlich gewesen. Es war schließlich der erste Versuch.
Ich warf den Test in den Müll und lief zurück ins Wohnzimmer.
Felix saß wieder mit Oskar und schaute sofort zu mir.
„Und?" wollte er wissen.
„Ne. Aber wäre ja auch unwahrscheinlich so beim ersten Versuch" sagte ich und überspielte die Traurigkeit.
Es war naiv zu denken, dass es sofort klappen würde. Aber trotzdem hatte ich Hoffnung gehabt.

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