KAPITEL 46

266 26 34
                                    

HURRICANE

Die Seitenstraße ist mit uraltem Kopfsteinpflaster ausgelegt und gesäumt von hübschen Blumengestecken auf Fensterbänken. Mercúrio steckt sich eine Zigarette in den Mundwinkel und geht rauchend neben mir her, unterdessen habe ich die Hände in meinen Hosentaschen vergraben und halte den Blick stur geradeaus. Eigentlich sollte ich ihm danken, weil er für Arla in die Bresche gesprungen ist, jedoch befürchte ich, dann bekomme ich seine Verärgerung ab, weil ich nicht vor ihm gehandelt habe.

Wir schlendern die Straße entlang in die Richtung des blinkenden Kioskschildes und schweigen uns an. Vielleicht hat er recht und ich werde niemals eine Art Bro für ihn sein, trotzdem möchte ich gerne ein gutes Verhältnis zu Arlas besten Freund haben. Tief atme ich durch. »Hör mal, Mercúrio. Was ich damals in diesem Hörsaal zu Arla gesagt habe, ist völlig anders gemeint gewesen«, beginne ich. Er lacht bitter und pustet den Qualm der Zigarette in den Nachthimmel hinauf.

»Du hast in den letzten Wochen so einige Dinge über und zu Arla gesagt, wenn ich mir alles davon merken würde, bräuchte ich dringend ein Hobby«, erwidert er grimmig. Verwundert sehe ich ihn an, woraufhin er die Schultern zuckt. »Aber der Satz war wirklich unterste Schublade, Sousa. Du solltest dich dafür nicht bei mir entschuldigen.« Offenbart hat er sich doch gemerkt, was ich zu ihr gesagt habe.

»Das habe ich bereits, denke ich.«

»Würde mich auch wundern, wenn sie dich an ihren Körper lässt, solltest du nicht zu Kreuze gekrochen sein«, murrt er und tritt die Zigarette in den Randstein. Ein Klumpen aus Unwohlsein braut sich in meinem Magen zusammen. Überraschenderweise habe ich das leise Gefühl, als könnte ich Mercúrio ebenso vertrauen wie Hendrix. Für einige Sekunden mustere ich ihn forschend.

»Wir haben keinen Sex, sondern lernen uns kennen«, gestehe ich ihm. Zwar ist es nur die halbe Wahrheit, jedoch scheint sie ihm zu genügen.

Ein dezent angewidertes Lächeln umspielt seine Lippen. »Wundervoll. Danke für diese ... Information.« Der Sarkasmus ist unüberhörbar und obwohl an der derzeitigen Situation nichts witzig ist, muss ich lachen. Anfangs habe ich geglaubt, er hätte womöglich Interesse an ihr, doch dieser Glauben verschwindet mit jeder Sekunde mehr. Die zwei sind einfach nur Freunde. Beste Freunde. Nicht mehr und nicht weniger.

»Das Mädchen mit den braunen Haaren, das uns begleitet. Ist sie deine Freundin?«, frage ich vorsichtig. Mercúrio sieht mich mit erhobenen Augenbrauen an. Ich kann die Warnung in seinem Blick lesen, nehme meine Frage trotzdem nicht zurück. Falls ich jemals die Chance auf eine waschechte Beziehung mit Arla habe, möchte ich mich nicht jedes Mal darum sorgen müssen, ob ihr bester Freund mich leiden kann. An irgendeinem Punkt müssen wir anfangen und da Mercúrio ansonsten keinerlei Dinge offenbart, über die ich mit ihm sprechen könnte, ist mein einziger Ansatz das Mädchen mit den traurigen Augen.

»Naira? Nein, sie ist nicht meine Freundin«, erwidert er und sieht dabei derart niedergeschlagen aus, dass ich das Bedürfnis verspüre, ihm aufmunternd auf die Schulter zu klopfen. Bevor ich Dummheiten mache, schiebe ich auch meine andere Hand in meine Hosentasche. »Sie ist einfach ... sie ist einfach Naira.« Ich bin ehrlich verwundert, weil er an seine Aussage noch einen Satz dran gehängt hat. Na ja, zwei, wenn man es genau nimmt.

»Und einfach Naira reicht dir nicht«, stelle ich fest.

»Halt die Schnauze, Sousa«, knurrt er. Sofort ist mir klar, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe, und verziehe entschuldigend das Gesicht.

»Okay.« Ich stimme ihm nicht etwa zu, weil ich es für richtig halte, sondern für schlauer. Sicherlich kann Mercúrio noch ungemütlicher werden als mit Plutão oder meiner Wenigkeit bei der Strandparty, obwohl Arla ihn als Bärchen bezeichnet. Noch glaube ich nicht an seine weiche Seite.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt