Kapitel. 26

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Mit pochendem Kopf schreibe ich eine Entschuldigung für einen weiteren Patienten und lehne mich anschließend an meine Arbeitsplatte. Meine Erinnerungen an den gestrigen Abend sind wie in Nebel gehüllt, verschwommen und unklar. Alles, woran ich mich noch sicher erinnern kann, ist, dass ich eindeutig ein paar Gläser zu viel hatte. Ich habe den ganzen Tag über keinen Blick auf Kane erhaschen können, und meinem Bruder gehe ich aus dem Weg. Warum? Keine Ahnung, aber allein der Gedanke an ihn bringt etwas in mir zum Brodeln, und ich will ihm gerade einfach nicht begegnen.

Zwischen meinen Papieren entdecke ich meinen ersten Gehaltsscheck. Endlich. Ein kleiner Triumph, der mich fast ein wenig grinsen lässt, auch wenn mein Kopf dröhnt. Ich schiebe die Schublade auf, nehme eine Spritze und meine Medikamente heraus, dann injiziere ich mir die Flüssigkeit, die mein Herz in einem gleichmäßigen Rhythmus schlagen lässt. Tief atme ich ein und wieder aus. Ein Teil von mir hofft inständig, dass ich gestern Abend keine Dummheiten angestellt habe. Die Luft hier drinnen ist stickig. Ich brauche frische Luft.

Ich verlasse das Gebäude und trete hinaus in die angenehm lauwarme Luft. Die Vögel zwitschern, und ich höre das gebrüllte Anfeuern der Männer beim Training. Mein Blick wandert, bis ich ihn entdecke – Kane, wie er in der Nähe steht. Doch das Bild, das sich mir bietet, bringt mein Blut zum Kochen. Er spricht mit einer Frau, die ihm gegenübersteht und ihn mit ihren strahlend blauen Augen anlächelt. Eine Blondine. Ihre Figur ist makellos, schlank und elegant – sie sieht fast aus wie ein Model.

Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein!

Ich fühle, wie die Eifersucht wie ein brennendes Feuer in mir aufsteigt, heiß und unkontrollierbar. Ohne einen klaren Gedanken zu fassen, gehe ich auf die beiden zu. John bemerkt mich als Erster und ruft mir ein „Hey, Aria!" zu. Ich nicke ihm lächelnd zu, doch meine Füße tragen mich weiter, direkt zu Kane und dieser Frau. Sie sieht mich an, leicht überrascht. Sie ist größer als ich und hat diese unerträglich perfekte Ausstrahlung.

Verdammt, warum muss diese Frau auch noch so gut aussehen?!

Ich sehe Kane an, der mich mit einem unleserlichen Blick mustert. „Ich muss mit dir reden", sage ich fest. Ein leichtes Grinsen spielt auf seinen Lippen, und er nickt. „Wie du wünschst, Prinzessin." Er wendet sich an die Frau. „Simon müsste beim Paintball-Platz sein. Such ihn dort." Sie bedankt sich bei ihm, ein flüchtiges Lächeln im Gesicht, und hebt die Hand, um ihm über die Schulter zu streichen – doch bevor sie das tun kann, schnappe ich Kanes Hand und ziehe ihn entschlossen von ihr weg.

Er wird jetzt schön was erleben.

Ich ziehe ihn hinter eines der Gebäude und drehe mich zu ihm um, das Adrenalin in mir lässt mein Herz rasen. „Was gibt es, Prinzessin, dass du mich extra hierher ziehen musstest?" Seine Stimme ist amüsiert, doch er hat keine Ahnung, dass ich ihn nur hier weggebracht habe, damit diese Frau ihre Finger von ihm lässt. Das kann ich ihm aber nicht so einfach sagen.

Ich spüre, wie ich verlegen werde und völlig planlos dastehe. Was hatte ich eigentlich vor, ihm zu sagen? „Ähm... der Cocktail von gestern Abend – weißt du noch, wie der hieß, den ich getrunken habe?" frage ich schließlich unsicher. Kanes Augenbrauen ziehen sich leicht zusammen. „Dafür hast du mich jetzt hergerufen?"

Ich räuspere mich, versuche, meine Unsicherheit zu überspielen. „Ja. Problem damit?" Sein Grinsen wird breiter. „Du kannst ruhig zugeben, dass du eifersüchtig bist, Prinzessin."

Ich fühle, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. „Was?! Ich? Eifersüchtig? In welchem Film lebst du denn?" Ich lache nervös, doch Kane hört nicht auf zu grinsen. „Gib es ruhig zu."

„Ich bin doch nicht eifersüchtig, Kane. Hör auf mit dem Unsinn." Doch er hebt eine Haarsträhne von mir und spielt damit zwischen seinen Fingern. „Doch, du bist eifersüchtig."

„Nein!"

„Doch."

„Verdammt, nein."

Oder... doch? Der Gedanke trifft mich wie ein Schlag. Ich meine... Scheiße. Ich bin tatsächlich eifersüchtig. Himmel, das kann doch nicht wahr sein! Ein Zeichen, bitte – sag mir, dass ich mir das nur einbilde! Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird es. Habe ich etwa Gefühle für Kane?

Fuck.

Plötzlich spüre ich, wie mein Herz unkontrolliert heftig pocht. Mein Atem wird schneller, und ich muss mich konzentrieren, um Luft zu holen. „Aria?", fragt Kane besorgt und tritt einen Schritt näher, doch ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Die Medizin müsste doch eigentlich längst wirken. Tief atme ich ein und wieder aus, versuche, mich zu sammeln. „Vergiss es, Kane. Ich bin weder eifersüchtig, noch stehe ich auf dich oder sonst irgendeinen Mist, der dir durch den Kopf geht", sage ich schließlich. Doch Kane lacht leise. „Das habe ich gar nicht behauptet, Kleines – außer vielleicht das mit der Eifersucht."

Habe ich mich etwa verraten? Hat er es bemerkt?

Kane tritt noch einen Schritt näher und blickt mir direkt in die Augen. „Warum bist du so nervös, Prinzessin?", fragt er sanft und lässt seine Hand über mein Schlüsselbein gleiten, bevor er meine Kette zwischen seine Finger nimmt. „I-Ich bin nicht nervös." Doch mein Herzschlag verrät mich. „Warum schlägt dein Herz dann so schnell?", murmelt er und beugt sich zu mir hinunter, seine Hand ruht jetzt fest an meiner Taille, und er zieht mich näher an sich heran.

Ein kribbelndes Gefühl durchströmt meinen Körper, als er an meinem Hals riecht. Seine Nähe macht mich schwach, und ich schließe kurz die Augen, genieße den Moment, auch wenn ich weiß, dass ich ihm all das, was ich fühle, niemals sagen würde. Meine Hand ruht auf seinem Arm, und ich flüstere in Gedanken: Fass mich an, halte mich, und lass mich nie wieder los, Kane. Doch mein Stolz ist zu groß, um es laut auszusprechen. Ich beiße mir auf die Lippen.

„Du gehörst mir, Aria", murmelt er mit einer Intensität, die mir den Atem raubt.

„Tu ich nicht", keuche ich leise, doch er zieht mich noch fester an sich.

„Bist du dir sicher?"

Ich nicke, doch in meinen Augen steht die Unsicherheit. Seine Hand wandert tiefer und knetet meinen Hintern, und ich keuche, drücke meinen Körper fast unwillkürlich näher an ihn. Es fühlt sich so richtig an, und doch weiß ich, dass ich gegen dieses Gefühl ankämpfen sollte.

Er sieht mir tief in die Augen, eine Hand an meiner Wange, und murmelt: „Du bist mir längst verfallen."

Ja, verdammt, das bin ich.

Ich bin verloren.

MY SHADOW||✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt