Horror Vacui

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 Ihr kennt mich nicht,
Könnt mich nicht kennen,
 Denn wo ich bin,
Könnt ihr nicht sein,
 Und da ihr seid,
So bin ich nicht zugegen.

 Und doch entsetz ich euch so sehr,
Dass selbst der Furcht,
 Die euch ergreift,
Wann immer ihr versucht,
 Mich zu ergründen,
Ihr einen eignen Namen gabt.

 Ihr nennt sie ‚Horror Vacui',
Der Schrecken vor der Leere.
 Welch schwaches, unvollkomm'nes Bild,
Gleichwohl doch seltsam angemessen
 Dem schwachen, unvollkomm'nen
Geist, der solches Bild ersann.

 Kein Name kann gerecht mir werden,
Da ist kein Bild, das mich beschreibt,
 Denn schon der kleinste Pinselstrich,
Die erste Silb' des ersten Worts
 Des ersten Satzes, der mich nennt,
Spricht meinem wahren Wesen Hohn.

 Oh, meine klein'ren Vettern kennt ihr gut,
Sie sind euch häufig wohlvertraut.
 Und selbst, wenn ihr sie
Meistenteils auch scheut,
 So macht ihr oftmals doch
Sie gerne euch zunutze.

 Aber je mehr solch Anverwandter
Mir, seinem großen Vorbild, gleicht,
 Je mehr erfüllt er euch mit Schrecken
Und nur die Tapfersten von euch
 Sind Manns genug, um ihm zu trotzen,
Gerüstet meist wie Ritter in der Schlacht.

 Bloß diesen wen'gen Seelen, die's gewagt,
Der ungeheuren Weite sich zu stellen,
 Ward eine echte Ahnung offenbar,
Wie's wäre, könntet ihr in meiner Sphäre sein.
 Den Ander'n bleibt die sternenlose Nacht,
So sie denn still, als schwacher Abglanz nur.

 Das tiefste Tal ist doch nicht bodenlos,
Der tiefste Abgrund hat doch einen Grund,
 Und selbst wenn dieser Grund nicht wäre,
So gibt es doch die Wand,
 Den Hang, der ihn begrenzt
Und ihm so Form und Richtung leiht.

 Und auch der weite Weltenraum,
Der Oben nicht noch Unten kennt,
 Ist doch ein Raum, der voll von Etwas ist,
Planeten, Sternen, Meteor'n,
 Auch wenn er euch in eurer Winzigkeit
Als endlos leer erscheinen mag.

 Mir selbst sind solche Dinge unbekannt,
Selbst Einsamkeit und Leere fliehen mich.
 Da ist kein Zaun, der mich umhegt,
Und keine Kette, die mich bindet,
 Kein Häscher, der mich halten kann,
Kein Zauber, der in Bann mich schlüge.

 Ich bin der schrecklichste der Schrecken,
Ich bin das Nichts, das ohne Etwas ist,
 Selbst Raum und Zeit kein' Heimstatt bietet
Und weder End noch Anfang kennt,
 Ich bin
Das unbedingte

NICHTS.

Belämmerte BalladenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt