FAINA DE FEO
8 SAMSTAG, 10:35
Die Sonnenstrahlen scheinen ins Zimmer und Staub tanzt im Licht. Müde setze ich mich auf. Die drei Betten quetschen sich unter das Fenster und füllen die ganze Seite aus. Gestern Nacht, oder eher heute Nacht, haben wir entschieden, dass wir drei Mädels zusammen in einem Zimmer sein wollen.
Und da jedes Zimmer standardmäßig nur zwei Betten hat, haben wir kurzerhand die Jungs nochmal aus dem Bett geholt und sie gebeten, eins der anderen Betten zwischen die beiden vorhandenen zu stopfen. Perfekt ist es aufgegangen. Die Nachttischchen sind am Fußende und wir haben eine gigantische Liegefläche.
Enya liegt links von mir tief in die Decke gekuschelt, während Minoo sich auf mein Bett ausgebreitet hatte. Schmunzelnd über die Situation rutsche ich ans Bettende und stehe auf. Die Kleider sind mir zu groß und doch superbequem. Eine lockere Stoffhose und ein Shirt. Ein bisschen frisch ist es noch und ich suche mir ein Pullover aus dem Schrank.
Unsere Kleidung von gestern liegt auf einem Haufen am Boden und müffelt vor sich hin. Einmal ein Schlafanzug von Minoo, einmal die Kleidung von Rabea, die Enya getragen hatte und meine normale Alltagskleidung, da ich mit Alev unterwegs war, ehe wir diese wilde Aktion hier gestartet haben.
Ob die anderen schon wach sind? Vorsichtig öffne ich die Zimmertür. Enya und Minoo sollen noch eine Weile schlafen. Vor allem Enya tut es gut. Ihre Zeit in der Zelle will ich nicht durchmachen. Wünsche ich auch niemandem.
Die Zimmertür der Jungs ist geschlossen und aus dem Erdgeschoss sind Geräusche zu hören. Langsam tapse ich die Treppe runter und folge dem Geschepper. In der Küche ist Frau Volger bei den Vorbereitungen für das Frühstück. Es stehen Eier rum, Mehl, Butter und ein Messbecher.
»Guten Morgen Faina«, begrüßt sie mich lächelnd.
»Morgen.« Müde setze ich mich auf einen Hocker, der in der einen Ecke steht. »Kann ich helfen?«
»Du kannst gleich den ersten Pfannkuchen probieren. Also bleib sitzen und entspann dich. Ihr habt eine anstrengende Zeit hinter euch.« Sie wuselt in der Küche weiter und ihr alter merkt man ihr nicht an.
»Und noch vor uns, wie mir scheint«, murmle ich müde. Ich habe keine Ahnung, wie wir das alles meistern sollen.
»Keine Sorge. Ihr werdet zwar alles machen müssen, aber ihr bekommt Unterstützung. Rabea und ich haben, nachdem ihr weg wart, kurz miteinander gesprochen. Sobald alle wach sind, werden wir euch auf den neusten Stand bringen. Lass dich in der Zwischenzeit nicht herunterkriegen. Es wird alles gut.« Frau Volger dreht sich der Pfanne zu und wendet den ersten Pfannkuchen. »Was willst du drauf?«
Ich zucke mit den Schultern. »Schokoaufstrich?«
Sie lächelt und greift nach dem entsprechenden Glas und reicht mir auf einem Teller den dick beschmierten Pfannkuchen und ich beiße herzhaft hinein. Genüsslich stöhne ich auf und nehme gleich noch einen Bissen. Obwohl ich gestern zu Abend hatte, fühle ich, wie ausgehungert ich bin.
»Es kommt gleich noch einen«, schmunzelt sie und wendet sich wieder dem Herd zu.
»Können wir unsere Kleidung waschen?« Obwohl die aus dem Schrank echt bequem ist, möchte ich doch meine Eigene wiederhaben.
»Natürlich«, Volger lächelt mich an. »Ihr habt alle eure Magie. Mit ein bisschen Wasser, Seife und Feuer ist die im Nu wieder sauber.«
Für einen Moment starre ich sie irritiert an, dann fällt der Groschen. Mithilfe der Magie ist das natürlich möglich. Nur anders als mit einer Waschmaschine.
»Stimmt.« Ich halte ihr meinen leeren Teller hin und sie reicht mir den nächsten Pfannkuchen.
Und während ich mich über ihn hermache, öffnet sich die Haustür. In meiner Bewegung erstarrt blicke ich Volger panisch an. Haben sie uns gefunden? Was ist mit den Anderen?
»Keine Sorge. Die sind auf unserer Seite. Wenn du willst, kannst du gleich mitkommen und sie begrüßen.« Sie verlässt die Küche und aus dem Flur wird Stimmengewirr laut. So laut, dass ich Angst habe, dass sie die anderen oben wecken.
Hastig stelle ich den Teller hin und trete auf den Flur. »Könnt ihr bitte leiser sein? Es schlafen noch welche«, bitte ich, ehe ich realisiere, dass sicher zehn Schüler hier sind. Keine erwachsenen, sondern Schüler wie wir. Niemand aus meiner Klasse, wahrscheinlich alle ein Jahr oder mehr über mir und doch nur Schüler.
Fassungslose Gesichter starren mich an, ehe sie verstummen und leise die Schuhe von den Füssen streifen. Während wir mit trockenen Schuhen ankamen, triefen die ihre vor Schlamm. Offensichtlich hat es geregnet, da ich jetzt keinen höre.
Erstaunt darüber, dass sie auf mich gehört haben, blicke ich zu Volger. Sie deutet auf die Küche. Ich ergebe mich und kehre auf meinen Stuhl zurück. Kurz darauf höre ich, wie sich die Gruppe ins Wohnzimmer setzt und in leise Gespräche verfallen.
Frau Volger kommt in die Küche und schließt die Tür hinter sich. Schmunzelnd dreht sie sich zu mir und sagt: »Das war eine reife Leistung. Es ist schön, zu sehen, dass du dir Sorgen um deine Freunde machst.«
»Es ist schön, dass auch Enya eine Whakahoki ist. Ich weiß nicht, was Alev und ich getan hätten, wenn sie keine wäre und jemand anderes ihren Platz eingenommen hätte«, gebe ich zu.
»Das glaube ich dir. Aber ich behaupte, die Magie hat euch absichtlich zusammengeführt. Wenn die Whakahokis so stark miteinander befreundet sind, ist das für ihre Arbeit von Vorteil. Ihr achtet besser aufeinander und seid nicht auf euren eigenen Gewinn aus. Ihr wollt nicht nur für euch schauen, sondern achtet auf euch alle. Das Miteinander ist stärker.« Volger schmunzelt und macht sich wieder daran, Pfannkuchen herzustellen.
Unsicher, ob ich sie weiter mit Fragen bombardieren soll oder wieder in unser Zimmer gehen, wippe ich mit dem Fuß auf und ab.
»Jetzt stell deine Fragen schon. Obwohl ich meinte, ich will warten, bis die anderen wach sind, glaube ich nicht, dass du so lange durchhältst. Vorher würdest du die anderen wecken.«
Ertappt erstarre ich und blicke zu ihr hoch. »Enya nicht. Sie muss echt schlafen. Und lassen Sie sie nie hören, dass die Magie dafür gesorgt hat, das wir Freunde werden. Das ist schon vor der Zugfahrt Thema gewesen und sie hat Minderwertigkeitskomplexe deswegen.«
»Lass das mit dem Sie. Ich bin Rahel.« Sie öffnet die Bratpfanne daneben und nimmt den Stapel Pfannkuchen heraus. »Hilfst du mir kurz, alles rüber zu tragen, dann können wir uns nachher in Ruhe unterhalten.«
Sofort bin ich bei ihr und gemeinsam bringen wir das reiche Frühstück ins Wohnzimmer. Die Gruppe sitzt unruhig auf den Stühlen und man merkt, dass sie nicht recht wissen, was mit sich anzufangen.
»Ihr dürft auch raus, eure Magie trainieren. Solange ihr aufpasst auf euch, eure Mitschüler und das ihr unauffällig bleibt.« Bevor ich die Worte vollständig erfasst habe, stürmen die ersten schon an mir vorbei Richtung Ausgang.
»Die haben es aber eilig«, kommentiere ich die Situation.
»Ja, sie wissen teilweise mehr als du und anderseits wieder weniger. Irgendwie müssen sie ihre Energie loswerden.«
»Was war das gerade?« Die müde Frage von Alev lässt mich herumdrehen.
»Du bist wach!« Voller Energie springe ich im in die Arme und noch bevor er reagieren kann, zerre ich ihn in die Küche. Widerstandslos lässt er sich auf den Hocker setzen und Rahel reicht ihm einen Schokopfannkuchen.
»Hör zu und iss!«, befehle ich ihm. Da die einzige Sitzmöglichkeit besetzt ist, lehne ich mich gegen die Ablage und frage Rahel: »Also wo soll ich anfangen?«
»Bei dem Tumult da draußen.« Alev deutet aus dem Fenster. Die Schüler haben sich auf der Wiese vor dem Haus verteilt und üben tatsächlich ihre Magie.
»Gut. Das sind Schüler von eurer Schule, die von Mitstreitern, die sich weiterhin in der Schule halten, hinausgeschleust und hier her geschickt wurden. Nur ein oder zwei von ihnen wissen, wo sich diese Hütte befindet.«
»Und wie können wir sicher sein, dass die nicht zur Gegenseite gehören?«, hakt Alev nach.
»Die ankommenden Schüler befinden sich schon lange unter Beobachtung, ihre Eltern sind auf unserer Seite und sie haben bei den diversen Kämpfen mitgemacht. Ihr könnt sicher sein, dass die, die hier ankommen, euch unterstützen werden. So gut sie können.« Rahel lächelt. »Ihr müsst lernen, Leuten in eurer Umgebung so zu vertrauen, wie ihr Rabea vertraut. Ich weiß, es ist schwer. Aber nur so haben wir eine Chance, die Schule zurückzuholen.«
»Wir werden unser Bestes geben«, verspreche ich Rahel. Wenn wir wirklich alle dasselbe Ziel haben, dann müssen wir einander einfach vertrauen. Anders haben wir keine Chance.