45 | Gedankenverloren

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Als ich in der Nacht aufwachte, spürte ich Cameron's warmen Körper noch immer dicht an meinem. Wir lagen zusammen auf der Couch, seine Arme fest um mich geschlungen. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, während er tief und friedlich schlief. Das Feuer im Kamin war mittlerweile erloschen, und die einzige Wärme, die noch blieb, war die von unseren Körpern.

Vorsichtig befreite ich mich aus seinem Griff, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Ich stand leise auf und griff nach einer der Decken, die auf der Couch lagen, um meinen Körper zu bedecken. Die Ereignisse der letzten Stunden gingen mir immer noch durch den Kopf, wie ein Film, der sich unaufhörlich abspielte. Die Intensität, die Nähe, die Härte – alles war noch so präsent, dass es sich fast wie ein Traum anfühlte, und doch war es real gewesen.

Ich brauchte frische Luft, etwas, das mich von der Hitze ablenkte, die immer noch unter meiner Haut brodelte. Langsam machte ich mich auf den Weg zur Tür, die ins Freie führte. Als ich die Tür öffnete, schlug mir die kühle Luft der Nacht entgegen, und ich trat auf die Veranda hinaus.

Die Kühle war eine willkommene Erfrischung, ein scharfer Kontrast zu der Hitze, die meinen Körper zuvor beherrscht hatte. Ich zog die Decke enger um mich, während ich mich auf die Holzstufen der Veranda setzte. Mein Blick wanderte in die Dunkelheit des Waldes, der sich wie ein undurchdringliches Meer aus Schatten vor mir ausbreitete.

Die Stille der Nacht umhüllte mich, und nur das leise Rascheln der Blätter in der sanften Brise war zu hören. Kein Geräusch störte diese Ruhe, kein Licht durchbrach die Dunkelheit. Der Wald schien in einem Zustand vollkommener Ruhe zu sein, als ob er tief in der Nacht schlief, genau wie Cameron es drinnen tat.

Ich atmete tief ein und spürte, wie die frische Luft meine Lungen füllte, als ob sie die letzten Überreste der Hitze und des Chaos, das zuvor in mir gewütet hatte, aus mir herausspülte. Es war eine beruhigende, fast meditative Erfahrung, so allein in der Dunkelheit zu sitzen, während die Welt um mich herum still war.

Ich ließ meine Gedanken schweifen, ließ die Ruhe der Nacht in mich eindringen, während ich versuchte, die Ereignisse der letzten Stunden zu verarbeiten. Es war schwer, alles zu begreifen, was passiert war, aber hier draußen, in der Stille der Nacht, fühlte es sich zumindest ein wenig leichter an.

Je länger ich in der kühlen Nachtluft saß, desto mehr Zweifel krochen in meinen Kopf. Die frische Brise schien meine Gedanken klarer werden zu lassen, und mit dieser Klarheit kamen die Fragen, die ich zuvor verdrängt hatte. Was hatte ich getan? Ich hatte mit zwei Männern geschlafen, die ich kaum kannte, und die nicht nur beste Freunde waren, sondern mich beide auf eine Weise wollten, die ich nicht einordnen konnte.

Es war, als hätte ich mich in ein Netz aus Verlangen und Verwirrung verstrickt, aus dem ich keinen Ausweg fand. Der Gedanke, wie es jetzt weitergehen sollte, nagte an mir. Wie konnte ich zurück in eine normale Realität, nachdem all das passiert war? Cruz... Ich wusste, dass er ausrasten würde, wenn er davon erfährt. Er hatte zwar kein Recht, mich zu kontrollieren, doch ich wusste, dass es ihm nicht gefallen würde. Nicht weil wir zusammen wären, sondern weil er offensichtlich mehr für mich empfand, als ich bisher zugeben wollte.

>>Was mache ich hier nur?<<, flüsterte ich leise in die Dunkelheit, als ob der Wald mir eine Antwort geben könnte. Die Wahrheit war, dass ich mit keinem von beiden eine Beziehung führte. Das machte es nicht einfacher. Im Gegenteil, es machte alles nur noch verwirrender. Denn so sehr ich mich in vielen Situationen über ihr Verhalten nur aufregen konnte, fühlte ich mich zu beiden auf eine Art hingezogen, die ich einfach nicht verstand.

Es war, als würde etwas in mir beide Seiten gleichzeitig wollen, obwohl ich wusste, dass es absolut falsch war. Die moralischen Zweifel nagten an mir, doch gleichzeitig spürte ich auch eine gewisse Freiheit. War es so verwerflich, sich einfach dem hinzugeben, was das Leben einem bot?

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Samanthas Worte kamen mir in den Sinn. Sie hatte immer gesagt, dass ich das Leben nicht so ernst nehmen sollte, dass ich mir auch mal meinen Spaß gönnen sollte. >>Warum eigentlich nicht?<<, murmelte ich vor mich hin. Warum sollte ich nicht einfach genießen, was mir angeboten wurde? In diesem Moment schien das die einzige logische Erklärung zu sein.

Aber dennoch... was würde das für die Zukunft bedeuten? Die Frage ließ mich nicht los, und je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger Antworten fand ich. Alles war so kompliziert geworden, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.

Ich saß dort, die Nachtluft auf meiner Haut, während meine Gedanken unaufhörlich kreisten. Es war, als würde ich verzweifelt nach einer Lösung suchen, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass es keine gab. Alles, was in meinem Kopf auftauchte, endete in einem Drama, das unausweichlich schien. Die Wahrheit war, dass es so nicht weitergehen konnte. Was auch immer zwischen Cruz, Cameron und mir passiert war, es musste ein Ende finden.

>>Ich muss es beenden<<, murmelte ich zu mir selbst. >>Mit beiden.<<

Es durfte nicht wieder passieren. Ich war mir sicher, dass das, was zwischen uns vorgefallen war, die ohnehin schon erschütterte Freundschaft zwischen Cruz und Cameron endgültig zerstören würde. Es war wie ein Pulverfass, das jeden Moment in die Luft gehen konnte. Und ich stand direkt daneben.

Ich zog die Decke enger um mich und legte meinen Kopf auf meine Knie. Vielleicht würde die Stille der Nacht mir helfen, die Ruhe zu finden, die ich so dringend brauchte. Doch stattdessen fühlte ich mich nur noch mehr verloren in den Wirren meiner Gedanken.

Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme, die mich aus meinen Überlegungen riss. >>Was machst du denn hier?<<

Erschrocken drehte ich mich um und sah Cameron, der in der Dunkelheit nur in Boxershorts bekleidet vor mir stand. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Mein Herz schlug schneller, und für einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte.

>>Ich... ich denke nach<<, antwortete ich schließlich leise.

Cameron setzte sich neben mich, sein Blick auf mich gerichtet. >>Nachdenken? Worüber?<<

Seine Stimme war ruhig, aber ich konnte das leichte Misstrauen darin hören. Für einen Augenblick überlegte ich, ihm die Wahrheit zu sagen. Ihm alles zu erzählen, was mich beschäftigte, aber etwas in mir hielt mich davon ab. Es war, als würde eine unsichtbare Barriere zwischen uns stehen, die mich davon abhielt, mich ihm ganz zu öffnen.

>>Über alles Mögliche<<, log ich schließlich und versuchte, meine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen. >>Es war viel los in den letzten Tagen, und ich wollte einfach ein bisschen frische Luft schnappen.<<

Er musterte mich einen Moment lang, als würde er versuchen, in mir zu lesen, doch dann nickte er langsam. >>Verstehe.<<

Eine unangenehme Stille legte sich zwischen uns, nur unterbrochen von dem leisen Rauschen der Blätter in der Nachtluft. Ich spürte seinen Blick auf mir, konnte das Gewicht seiner Gedanken fast fühlen. Es war, als ob auch er etwas zu sagen hatte, es aber nicht aussprach.

>>Es ist kalt hier draußen<<, sagte er schließlich und legte einen Arm um meine Schultern. >>Komm, lass uns wieder reingehen. Du brauchst Schlaf.<<

Ich nickte stumm und ließ mich von ihm hochziehen. Während wir zurück ins Haus gingen, wusste ich, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen musste, und das bald. Doch in diesem Moment konnte ich es einfach nicht. Stattdessen folgte ich Cameron zurück ins Haus, fest entschlossen, die restliche Nacht nicht weiter über die Dinge nachzudenken, die ich morgen in Angriff nehmen musste.

Er führte mich durch die stillen Flure der Hütte in ein gemütliches Schlafzimmer. Der Raum war spartanisch, aber warm eingerichtet, dominiert von einem großen, einladenden Bett, das in der Mitte des Raumes stand. Die Wände waren aus dunklem Holz, und durch ein kleines Fenster fiel der sanfte Schein des Mondlichts auf die Decke.

>>Leg dich schon mal hin, ich bin gleich wieder da<<, sagte Cameron, bevor er ins angrenzende Bad verschwand. Seine Stimme war ruhig, fast schon fürsorglich, aber meine Gedanken ließen mich nicht los. Es war, als hätte sich ein schwerer Schleier über meinen Verstand gelegt, der jede Entscheidung, die ich traf, verdunkelte.

Ich wusste, dass ich jetzt Abstand brauchte, eine kurze Flucht vor den komplizierten Gefühlen, die mich überwältigten. Ohne lange zu überlegen, legte ich mich aufs Bett und schloss die Augen. Ich tat so, als würde ich schlafen, in der Hoffnung, dass Cameron es als Zeichen verstehen würde, mir den Raum zu geben, den ich so dringend benötigte.

Es dauerte nicht lange, bis ich das leise Scharren seiner nackten Füße auf dem Holzboden hörte. Er kam zurück ins Zimmer, und ich spürte, wie er neben dem Bett stehen blieb. Ein Moment der Stille verging, bevor ich eine sanfte Berührung an meiner Stirn fühlte. Cameron strich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, und obwohl ich mir Mühe gab, ruhig zu bleiben, schoss diese einfache Berührung wie ein Blitz durch meinen Körper. Es war fast zu viel, und ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht die Augen zu öffnen und ihm ins Gesicht zu sehen.

Doch Cameron sagte nichts. Er zog sich still zurück und legte sich neben mich ins Bett. Es war, als ob er meine Notwendigkeit nach Abstand spürte, denn er hielt sich zurück und gab mir den Raum, den ich so dringend brauchte. Wir lagen nebeneinander, ohne dass sich unsere Körper berührten, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, übermannte mich die Erschöpfung und ich fiel in einen unruhigen Schlaf.

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Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, bevor die Sonne über den Horizont stieg. Das Bett neben mir war leer, und Cameron war bereits aufgestanden. Eine merkwürdige Mischung aus Erleichterung und Bedauern machte sich in mir breit, als ich mich langsam aufrichtete und die Decke zurückschlug. Der Raum war ruhig, nur das entfernte Zwitschern der Vögel im Wald durchbrach die Stille.

Ich fand Cameron in der Küche, wo er gerade Kaffee aufbrühte. Er wirkte konzentriert, aber als er mich bemerkte, huschte ein kurzes Lächeln über sein Gesicht. >>Guten Morgen<<, sagte er leise und reichte mir eine Tasse.

>>Morgen<<, erwiderte ich, nahm die Tasse entgegen und setzte mich an den Tisch. Die Worte hingen schwer in der Luft, und keiner von uns schien bereit, das Schweigen zu brechen. Es war, als hätten wir beide verstanden, dass die Intensität der letzten Nacht uns in eine neue Realität katapultiert hatte, in der Worte nur schwer ihren Platz fanden.

Nach dem Frühstück machten wir uns bereit für die Fahrt zurück zur Villa. Es war eine stille, fast gespannte Angelegenheit. Cameron sagte wenig, und ich hatte das Gefühl, dass auch er in seinen Gedanken gefangen war, vielleicht genauso unsicher wie ich darüber, was der nächste Schritt sein sollte. Als wir schließlich auf das Motorrad stiegen und die Hütte hinter uns ließen, wurde die Atmosphäre noch schwerer.

Die Fahrt durch den Wald war schnell und zielgerichtet, ohne den Leichtsinn oder das Drama, das uns noch am Tag zuvor angetrieben hatte. Cameron fuhr konzentriert, und ich klammerte mich an ihn, weniger aus Notwendigkeit, sondern weil es der einzige Halt war, den ich in diesem Moment hatte.

Als wir die Villa schließlich erreichten, empfing uns die vertraute, doch bedrückende Stille des Anwesens. Die letzten 24 Stunden hatten alles verändert, und ich wusste, dass ich Entscheidungen treffen musste – Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen haben würden. Doch in diesem Moment war ich einfach nur erleichtert, wieder dort zu sein, wo alles angefangen hatte, und gleichzeitig besorgt darüber, wie es weitergehen sollte.

Eyes on you - Ich sehe dichWhere stories live. Discover now