Das Spiel mit dem Feuer

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In die Ecke gedrängt, kann selbst eine Marionette lebendig werden und Gefühle entwickeln, die grenzenlose Ausmaße annehmen können. Doch nicht oft kann selbst erkannt werden, welches Potenzial wirklich in dir steckt. Jegliche Schatten, die wie Fesseln und Ketten um dich gelegt sind, halten dich zurück, sodass dein wahres Selbst zur leblosen Puppe wird.

Die letzte Prüfung steht mir bevor. Mein ganzer Körper zittert vor Schmerzen. Die Sicht verschwimmt und jeder Atemzug sticht, als wenn meine Lunge verglüht und ich augenblicklich zusammenbreche. Jeder einzelne Schritt bringt mich um den Verstand und doch kann ich nicht aufgeben. Dafür steht viel zu viel auf dem Spiel. Steht es das überhaupt oder ist die Entscheidung hierüber schon längst gefallen?

Tzegel wird mich niemals als einer der ihren akzeptieren und selbst wenn, dann wird er mir die schlimmste Mission aufhalsen, um mich letztendlich doch zu zerstören. Wenn er mich so sehr hasst, kann er mich gleich von hier fortschicken. Doch damit könnte er die unterdrückten Gefühle seines Volkes lösen, sodass eine Revolte innerhalb seines Regimes unausweichlich wäre. Für ihn stelle ich eine Gefahr dar und darum versucht er mich zu unterdrücken, zu unterwerfen oder gar zu töten. Alles, um seine absolute Macht nicht zu gefährden.

Mir bleibt keine andere Wahl, als ihm zu trotzen. Und doch mache ich genau das, was er von mir verlangt. Ich bin nicht anders als meine Kollegen. Als Shiraze. Um mein eigenes Überleben abzusichern, binde ich mich an jemanden. Diese Abhängigkeit und Aussichtslosigkeit widert mich an. Meine Hände ballen sich zu Fäusten.

Meine negativen Gefühle lösen nur die Ketten um den Puls, der in mir schlummert, freizulassen. Nur eine Sache hilft mir aus dieser heiklen Lage.

Orientierungslos taste ich mich ab, ehe ich einen Lutscher aus meinen Taschen hervorhole.

Auch wenn sie mir alle zusehen und mich wegen Schmuggel von Süßigkeiten bestrafen könnten, so wäre es nichts im Vergleich zu meinem Ableben, welches mir durch Versagen bevorstünde.

Keuchend lehne ich mich gegen die kühle Wand an, rupfe wildgeworden die Verpackung herunter und lasse den Müll erbarmungslos zu Boden sinken. Zucker hilft mir Kraft zu tanken. Das hat es bereits von klein auf.

Als ich mir den roten Lutscher in den Mund stecke, breitet sich ein süßlicher Geschmack auf meiner trockenen Zunge aus. Die Kirsche erfrischt mit ihrem leicht säuerlichen Aroma. Für einen Augenblick verliere ich mich gänzlich darin und seufze freudig auf. Die Anspannungen und Schmerzen schwinden in binnen von Sekunden. Die Negativität weicht mitsamt der Enge in meinem Herzen gänzlich aus meinem Körper.

"Segemund", ertönt es aus dem Nichts, "ist dir die Lust vergangen? Faulenzen kannst du danach immer noch." Die schneidige Stimme des großen Tzegel lässt mich erschaudern, sodass ich fest auf den Lutscher beiße und meine Zähne zu pochen anfangen. Mir die Wange haltend, lausche ich den leisen Hintergrundgeräuschen, die mir bedeuten, dass sich die Herrscher auch bei dieser Aussage uneins sind.

"Brüll nicht so in das Mikro!", schreit Dirgal plötzlich, wodurch die Übertragung mehrmals quietschend widerhallt. Brummend reibe ich mir meine Ohren.

"Du schreist doch selbst!"

"Verdammt, das Mikro ist noch an!"

"Könnt ihr beide eigentlich auch einmal still sein?!"

Die Stimmen schreien durcheinander, sodass ich den Überblick verliere, bevor die Stimmen versiegen. Sie haben wohl endlich begriffen, wie die Übertragung funktioniert. Falls ich die Prüfung überleben sollte, sollte ich ihnen womöglich eine Auszeichnung anfertigen lassen. Sie sind die besten Kommentatoren, wenn Unfähigkeit als Kriterium zählen würde. Nein, das würde ich gewiss nicht riskieren.

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⏰ Last updated: Aug 31, 2024 ⏰

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Eine fehlende MenschlichkeitWhere stories live. Discover now