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Johannes
Er verließ die Wache und es nieselte. Der Dienst war ruhig gewesen, doch seine Laune war unverändert schlecht. Er dachte an die Krankenschwester und wie sie ihn angesehen hatte, als würde sie mehr sehen als nur den Idioten der ihr einen Besoffenen und damit Arbeit brachte. Die Kopfhörer in den Ohren, stieg er in die U-Bahn ein, als er mitten in den hämmernden Beat einen leisen -Pling- hörte. Er zog das Handy aus der Tasche und sah darauf -I_Ris92 folgt dir jetzt-. Er tippte auf die Meldung. Und sie lächelte ihn an, die Krankenschwester. Er scrollte durch ihr Profil, Bilder mit Freunden, am Strand und bei der Arbeit mit Kollegen. Obwohl sie lachte wirkte sie als währe sie abwesend und würde nicht dazu gehören. Sein Daumen verharrte kurz über dem Pfeil, doch dann besann er sich und steckte das Handy zurück in seine Tasche. Was war los mit ihm, er war Johannes, ihn fand niemand toll und er fand auch niemanden toll. Halt dass war falsch ihn fanden Frauen so lange toll bis sie herausfanden dass er der miesepetrigste Mensch der Welt war und dann verschwanden sie und meldeten sich nie wieder und er war fein damit. Er hatte noch nie das Bedürfnis gehabt jemandem sein Innerstes offen zu legen. Die U- Bahn fuhr in seinen Heimatbahnhof ein und er stieg aus, lief die beiden Treppe nach oben in den grauen Dezembermorgen. Überall hing Weihnachtsdekoration. Er sah die Hochhausfassade vor sich, in einzelnen Fenster brannte Licht, in anderen hingen Lichterketten, Sterne und Weihnachtsmänner. Er mochte Weihnachten nicht, als er ein Kind war hatte er Weihnachten gemocht, aber da war seine Mutter auch noch da, sein Vater hatte Arbeit gehabt und seine Großeltern hatten noch gelebt. Kurzum die Welt war noch in Ordnung gewesen, aber jetzt, jetzt gab es nur noch seinen Vater und seine Weihnachten bestanden daraus entweder zu arbeiten, oder mit seinem Vater in dessen verrauchter Küche zu sitzen, sich amerikanische Weihnachtsfilme auf dem kleinen Fernseher an zu sehen und Bier zu trinken. Nein danke, das brauchte er wirklich nicht. Er kramte seine Schlüssel aus der Hosentasche, doch die Haustür stand sowieso offen. Ein Hund hatte in das Treppenhaus gemacht und er stieg über den Haufen, bevor er die Treppe in den zehnten Stock nahm. Johannes mochte den Aufzug nicht, er hatte zu oft erlebt dass er stecken blieb, er darin stand und dann ewig warten musste bis endlich jemand kam, der ihn rausholte. Da lief er lieber nach der Nachtschicht zu Fuß in den zehnten Stock und konnte sicher sein, dass alles gut ging. Oben angekommen, schloss er auf, zog seine Schuhe aus und warf seine Tasche in den Abstellraum. Er machte sich einen Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und ließ sich auf sein Sofa fallen. Jeder Tag lief genau gleich ab. Sein Handy vibrierte, er nahm es zur Hand. Paul wollte wissen ob er heute Abend am Start war. Johannes tippte ein kurzes -Klar- und legte sein Handy wieder auf die dreckige Glasplatte seines Sofatisches. Er schaltete den Fernseher an und zappte sich durch die Programme, nur Mist. Er ließ das Frühstücksfernsehn laufen und holte sich einen Becher Joghurt und einen Apfel. Beim Betrachten seines mageren Kühlschrank Inhaltes, überkam ihn eine seltsame Einsamkeit. Er knallte den Kühlschrank zu, löffelte seinen Joghurt im Stehen und aß auch den Apfel in drei großen Bissen. Er sah auf seine schwarzen Socken, die sich deutlich von den weißen kleinen Fließen abhoben und beschloss heute zumindest einmal die Küche zu wischen. Dieses Vorhaben verschob er auf später und ging duschen. Das warme Wasser tat gut, es wusch den ganzen Dreck der Nacht von seinem Körper, er würde nie verstehen, dass er Kollegen hatte, die nach dem Dienst nicht duschen gingen. Als er mit Handtuch um die Hüfte und Zahnbürste im Mund aus dem Bad trat, blinkte sein Handy auf. Er nahm es zu Hand. Eine neue Nachricht bei Instagram. Wer schrieb ihm denn bitte darüber eine Nachricht. Johannes tippte auf das Symbol und erstarrte kurz. -I_Ris92: Na, wie war die Nacht?- er überlegte, was sollte er ihr schreiben, er schrieb nie mit Frauen, also schrieb er -Zu kalt und deine?- Johannes schrubbte weiter seine Zähne während er wartete, auf was eigentlich? Er legte das Handy wieder auf den Tisch und ging zurück ins Bad. Was zur Hölle war los mit ihm? Er sah sich im Spiegel an, alles wie immer! Das war gut, doch etwas in ihm hatte sich gestern Nacht verändert, warum wusste er nicht. Als er wieder angezogen auf seinem Sofa saß leuchtete sein Handy wieder -I_Ris92: Ein bisschen eklig aber okay! Was machst du jetzt?- Johannes überlegte ja was machte er jetzt? Er tippte -Kaffee trinken, rauchen und schlechte Laune haben und du?- sie antwortete nicht sofort obwohl sie seine Nachricht gelesen hatte dann kam -I_Ris92: Lust auf ein Treffen?- Das kam unerwartet. Er musste sich das gut überlegen, wollte er es versuchen, was passierte wenn er sie bewusst und ohne Arbeit, ganz Privat traf? Er tippte -An was hast du gedacht?- er legte sein Handy weg und zündete sich eine Zigarette an. Was war mit ihm los? Normalerweise ließ es ihn absolut kalt ob jemand sofort antwortete oder nicht. Das Handy leuchtete wieder auf -I_Ris92: Irgendwo was essen?- Johannes schrieb ohne zu überlegen- Okay, sag einfach wann und wo!- er hielt das Handy fest und starrte auf den Bildschirm. Sie las die Nachricht und dann schrieb sie -I_Ris92: Schaffst du es in einer Stunde zum Hauptbahnhof? Johannes überlegte und tippte dann: -Ich kann es versuchen- er stand auf, ging in sein Bad und versuchte seine Haare irgendwie in Form zu bringen. Er war einigermaßen zufrieden. Er zog sich ein graues Sweatshirt und Jeans an, schlüpfte in seine Schuhe und packte Handy Schlüssel Zigaretten und Geldbeutel in die Taschen seiner Hose. Dann zog er die Türe zu und machte sich auf den Weg zur U-Bahn. Als er am Hauptbahnhof ausstieg musste er sich durch Massen von Berufstätigen quälen die alle auf dem Weg in die Arbeit waren. Er grinste in sich hinein, wie sehr mochte er es aus der Arbeit zu kommen, wenn alle anderen in die Arbeit gehen mussten. Er nahm zwei Stufen auf einmal und stand in der Vorhalle. Johannes sah sich um und erblickte sie, sie stand an einer der großen Türen, die auf den Vorplatz führten und ließ ihren Blick suchend durch die Menge streifen. Er sah kurz auf seine Uhr, zehn Minuten zu spät. Er ging auf sie zu, mit einem Lächeln versuchte er es gar nicht erst. Doch sie lächelte als sie ihn sah. „Guten Morgen!" begrüßte er sie. Sie lächelte: „Guten Morgen!" und dann standen sie ein bisschen unschlüssig herum. „Sollen wir los?" fragte sie unsicher. Johannes nickte und folgte ihr aus dem Bahnhof hinaus. Er folgte ihr durch die hektische Innenstadt in ein kleines Café. Johannes wusste nicht was er davon halten sollte er ging nicht in Cafés, nie! Er war zuhause oder arbeiten oder ging in die Kneipe, damit er wenigstens etwas soziale Kontakte hatte. Die Menschen hier waren seltsam, sehr glatt und schlecht abzuschätzen. Er mochte solche Menschen nicht, weder privat noch beruflich. Iris schien sich wohl zu fühlen, als sie Platz nahmen öffnete sie ihre langen Haare. Er wusste nicht was er sagen sollte und ihr schien es genau so zu gehen. Sie bestellten beide Cappuccino und beobachteten sich. „Du bist nicht so der Erzähler oder?" die Frage kam ohne Vorwarnung. Johannes schüttelte den Kopf: „Gibt nichts was ich erzählen könnte. Außer Arbeit gibt es nichts." Er endete abrupt und trank einen Schluck Kaffee, wie bescheuert war denn bitte diese Aussage? Sie lächelte und  hob ebenfalls ihre Tasse und trank. Ihr Blick ruhte die ganze Zeit auf ihm. „Wie war deine Nach?" fragte er um die Stille zu schließen. Dieses Thema war sicher, über die Arbeit reden ging immer. Sie lächelte: „Ganz okay viel los aber nichts wirklich Dramatisches und deine?" er zuckte mit den Schultern: „Außer den beiden die ich dir gebracht habe war nichts mehr!" sie nickte verständnisvoll. Dieses Treffen war auf jeder Ebene eine volle Katastrophe. Johannes war absolut nicht geübt darin sich irgendwie im Privaten mit Frauen die er interessant fand zu unterhalten und das rächte sich jetzt. Er fand sie interessant und hübsch und wollte gewitzt und cool sein, war er aber nicht. War er nie. Er wusste nicht einmal wie man einen Witz machte der nicht anzüglich oder unterste Schublade war. Sie schwiegen sich an und Johannes fand dass er jetzt etwas sagen müsste: Tut mir Leid, ich bin echt schlecht in sowas!" sie lächelte. Sie hatte ein Grübchen in der rechten Backe und ihre Augen lächelten mit: „Hätte ich tatsächlich nicht von dir gedacht!" er war verwirrt. „Was meinst du?" sie zuckte die Schultern: „Du erfüllst alle gängigen Klischees was einen gutaussehenden Mann ausmachen und trotzdem hast du keine Ahnung." Johannes war unwohl bei dem was sie sagte, denn sie hatte Recht. Er hatte absolut keine Ahnung. Sie zuckte die Schultern: „Einen Versuch war es wert!" sie tranken ihren Kaffee aus, bezahlten getrennt und machten sich in verschiedene Richtungen auf den Heimweg. Johannes hätte sich selbst ins Gesicht schlagen können, wie dämlich konnte man sich bitte anstellen? Er kramte seine Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich eine an. Er beschloss laufen zu gehen sobald er nach Hause kam und tat das dann auch. Er hängte seine Wäsche auf und wischte sogar den Küchenboden nur um nicht an diese fürchterliche Misere zu denken. Er ging einkaufen und kochte sich Omelett mit Salat. Als er abwusch musste er wieder an das schreckliche Treffen von heute Morgen denken. Er kramte sein Handy aus der Tasche öffnete Instagram und schrieb -Tut mir echt Leid wegen heute Morgen. Ich bin nicht so besonders kommunikativ. Schönen Abend!- er wartete noch kurz, doch als sich nichts tat ließ er das Handy wieder in die Tasche gleiten, schaltete den Fernseher an, machte sich Kaffee und setzte sich auf sein Sofa. Er zog Handy und Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine an und legte die Schachtel und das Handy akkurat neben seine Fernbedienungen. Er blickte auf den Aufbau vor sich, es erinnerte ihn an seinen Opa, auch hatte alles immer fein säuberlich auf dem Couchtisch aufgereiht. Eine seltsame Wehmut umfing ihn doch er schüttelte sie schnell ab. Draußen sank die Nacht auf die Trabantenstadt. Sein Handy vibrierte Paul -Bin in zwanzig Minuten da!- Verdammt! Johannes hatte völlig vergessen dass er heute mir den Jungs ausgemacht hatte. Er ging ins Bad, putze sich die Zähne und betrachtete sich.

Als Paul unten klingelte, war Johannes schon auf dem Weg nach unten. Es war noch kälter geworden er zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. Paul begrüßte ihn: „Hi, na wie war dein Tag?" Johannes zuckte die Schultern: „Hab mich blamiert und sonst wie immer!" die beiden liefen Richtung der Kneipe: „Du hast dich blamiert?" Johannes nickte knapp. „Bei wem? Du blamierst dich doch nie!" Johannes Laune sank noch weiter: „Bei einer Frau und jetzt hör auf zu fragen!" Paul grinste aber schwieg. Er wusste wann es besser war Johannes nicht weiter zu reizen.

Als Johannes beim zweiten Bier war , vibrierte sein Handy- I_Ris92: Ist okay, kann ja nicht immer passen!- Johannes sah mit zusammen gezogenen Augenbrauen auf den Bildschirm, so einen absoluten Korb hatte er noch nie bekommen. Nicht dass er es in diesem Fall nicht verdient hätte aber weh tat die Erkenntnis trotzdem. Er trank das zweite Bier aus und bestellte sofort ein drittes. Seine Freunde sahen ihn verblüfft an. Paul fragte: „Was ist los?" Johannes schüttelte seinen Kopf: „ Einfach alles Mist!" Paul zog ein Augenbraue nach oben und Michi fragte: „ Da geht's um eine Frau oder, Johnny?" Johannes stand wortlos auf, nahm seine Jacke und ging vor die Tür. Als er sich die Zigarette angezündet hatte, holte er wieder sein Handy heraus und öffnete den Chat. Er überlegte gerade was er schreiben sollte, als sie ihm schrieb -I_Ris92: Du hast es wirklich nicht anders verdient, du riesengroßes Arschloch. Du hältst mich seit Wochen hin und jetzt sowas? Erstick an deiner Kotze du Mist Made!- Johannes grinste, diese Nachricht war definitiv nicht für ihn. Er tippte- Es war zwar heute Morgen Mist, aber scheinbar gibt es noch schlimmere Kerle als mich. Wenn du Redebedarf hast und raus musst ich bin den restlichen Abend in der Hexe- er schickte die Nachricht ab und rauchte auf. Als er gerade wieder reingehen wollte vibrierte sein Handy. I_Ris92: Danke!-

HerzscheißeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt