Kapitel 7 - Amali

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„Du tanzt wunderschön..." Dilan sprach leise und sah mich bei seinem Geständnis nicht an, sondern schaute konzentriert auf die Straße.

„Ich habe doch gesagt, du sollst nicht heimlich zugucken!", jammerte ich peinlich berührt.

Dilan grinste frech. „Zum Glück habe ich es getan, sonst wäre ich nie in diesen Genuss gekommen es zu sehen."

„Übertreib nicht, du Schleimer!" Genervt verdrehte ich die Augen.

„Tue ich nicht, du hättest dich mal sehen sollen.", meinte er todernst.

„Ich habe mich gesehen, vor mir stand ein riesiger Spiegel und glaub mir nichts daran war wunderschön."

Dilan schnaubte verächtlich und parkte das Auto vor dem Institut.

„Vielleicht hast du einfach eine gestörte Wahrnehmung.", murmelte er, bevor wir aus dem Auto ausstiegen.

So unauffällig, wie möglich versuchten wir uns unter die Leute zu mischen, die grade aus dem Speisesaal kamen. Auf einmal kam uns Emma entgegen, die aufgeregt mit den Armen ruderte, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Zum Glück seid ihr wieder da!", keuchte sie völlig außer Atem.

„Alles okay?", fragte Dilan besorgt und legte ihr eine Hand auf den Arm. Ich versuchte das aufkommende Gefühl zu unterdrücken. Was war das denn bitte? War ich etwa eifersüchtig? Nein, ausgeschlossen!

Keine Gefühle zeigen, Amali! Gefühle sind Schwäche!

„Amea will einfach nicht einschlafen, sie ruft die ganze Zeit nach..." Emma sah vorsichtig von Dilan zu mir herüber. Ich sah sie verständnislos an.

„Nach dir, Amali.", beendete Emma ihren Satz, damit auch ich es endlich verstand.

Verdutzt schaute ich erst Emma, dann Dilan an, der seinen Kiefer angespannt hatte und düster drein guckte. Was war sein Problem? Grade eben war noch alles in Ordnung gewesen.

Emma zog mich am Ärmel mit sich, in Dilan Wohnung.

„Mali?", hörte ich eine weinerliches Kinderstimmchen aus dem Zimmer direkt neben der Wohnungstür. Vorsichtig trat ich ein und erblickte Amea in einem kleinen Bettchen.

„Hey, wieso bist du denn noch wach, kleine Maus?", flüsterte ich ihr leise zu und setzte mich auf den Boden neben dem Bett. Amea streckte ihre winzig kleine Hand nach mir aus und ich ergriff sie locker. Wieder hatte ich das Gefühl, dass es genauso sein sollte, dass ihre kleine Hand in meine Hand gehörte.

„Singen?", hauchte Amea mit ihrer zarten Stimme. Lächelnd strich ich ihr über das Gesicht und ich sang leise das erste Lied, welches mir in den Sinn kam.

Stars shining bright above you

Night breezes seem to whisper, "I love you"

Birds singing in the sycamore tree

Dream a little dream of me

Say nighty night and kiss me

Just hold me tight and tell me you'll miss me

While I'm alone and blue as can be

Dream a little dream of me

Stars fading but I linger on, dear

Still craving your kiss

I'm longing to linger 'til dawn, dear

Just saying this

Sweet dreams 'til sunbeams find you

Sweet dreams that leave all worries behind you

But in your dreams, whatever they be

Dream a little dream of me

Vorsichtig löste ich meine Hand von ihrer und versuchte so leise wie nur möglich aus dem Zimmer zu schleichen. Aus der Küche hörte ich, wie Dilan und Emma laut miteinander redeten.

„Dilan, du musst es ihr sagen! Sie hat ein Recht darauf es zu erfahren!"

„Es geht nicht, Emma. Es ist viel komplizierter, als du denkst."

„Bei dir ist immer alles kompliziert, Dilan! Dabei ist es doch ganz einfach... Amea ist schließlich nicht nur deine Tochter!"

„Hör auf so herum zu schreien, das hilft mir recht wenig!"

„Du bist so stur! Wenn du es ihr nicht sagst, dann tue ich es eben!"

Etwas fehl am Platz stand ich in der Küchentür und räusperte mich verlegen.

„Ich ähm... Amea schläft... ich geh dann mal."

Emma stupste Dilan heftig an und sah streng zu ihm auf.

„Danke, Amali.", brachte Dilan schließlich widerwillig über seine Lippen.

„Nichts zu danken, gute Nacht.", sagte ich knapp und wollte aus der Wohnung verschwinden.

„Amali warte mal kurz.", hielt mich Emma auf.

Emma sah mich unschlüssig an. „Ich... ich wollte fragen, ob wir mal was zusammen machen wollen? Shoppen gehen oder so, wie du magst."

„Ähhh... also... klar." Völlig überfordert sah ich sie an.

Sie lächelte zufrieden. „Cool... wann würde dir denn am besten passen? Morgen oder übermorgen? Oder doch lieber am Wochenende?"

„Em, überfall sie doch nicht so!", ertönte Dilans lachende Stimme aus der Küche. Emma senkte schuldbewusst den Kopf. „Entschuldigung, das wollte ich nicht."

Ich lachte leise auf.

„Schon okay, am Wochenende würde es bei mir passen."

Emma schaute mit leuchtenden Augen auf.

„Echt? Super, das freut mich!"

Stürmisch umarmte sie mich, sofort versteifte ich mich, das tat ich immer, wenn mir etwas zu viel wurde. Ich hatte schon oft versucht, das Gefühl zu ignorieren, doch es war einfach jedes Mal viel zu Präsent, sodass mein Körper einfach so reagierte.

Dilan kam aus der Küche in den Flur und ich sah ihn hilfesuchend an.

„Emma! Nicht jeder mag es, wenn man ihn so stürmisch umarmt!", herrschte er sie an und zog sie ein wenig zurück.

„Sorry, Amali!", lächelte sie verlegen.

Langsam löste ich mich aus meiner Starre und atmete tief durch.

„Ähm... ich geh jetzt mal lieber."

Schnell drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zu unserer Wohnung.

„Amali!", rief Dilan hinter mir her. Erschrocken drehte ich mich noch einmal um.

„Ist alles in Ordnung mit dir?", wollte er wissen. Das lag sicherlich an meinem merkwürdigen Verhalten im Bezug auf Berührungen. Der fragte sich bestimmt jetzt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.

„Alles bestens,", versicherte ich schnell und floh regelrecht vor ihm.

Das verschollene MedallionWhere stories live. Discover now