Damals hat sie gedacht, dass sie alles verloren hätte. Raxa an die Armee. Kess an ihr eigenes Monster. Sie fühlte sich allein, zurückgelassen. Doch dank der Kette hatte sie immer etwas, was sie wieder aufbaute und Halt gab. Sie hatte sich dem Okkult gewidmet, in der Hoffnung, dass sie mehr über ihre Kraft und die Skelettkönigin herausfand. Jeder hatte sie gemieden und sie wollte nach dem Unfall mit Kess jeden meiden, der nicht aus ihrer Familie war.
Doch eine Person hatte sich dennoch immer wieder in ihre Nähe geschlichen: Fana. Sie war die erste richtige Freundin, die sie hatte. Jemand, der sie verstand, für sie da war und ihre Skelette als Menschen betrachtete. Sie fürchtete sich nicht - weder vor Horror noch vor Kia.
Trotzdem konnte sie selbst ihr nicht von dem Versprechen erzählen. Sie wird es womöglich mit in die Ewigkeit nehmen. Auch wenn sie es Raxa gern erzählen würde, damit er versteht, warum Kess seither eine Klette und sein bester Freund ist. Einst aus Mitgefühl für Kia entwickelte sich eine echte Männerfreundschaft.
Kia hatte sich immer gewünscht ein Teil von ihnen zu werden, doch sie wollte niemanden mehr verletzen, also schottete sie sich selbst von ihnen ab. Sie konnte Raxa nie so nah kommen wie es Kess tat - allein aus dem Grund, wer und was sie war. Dafür hasste sie sich und projizierte den Hass auf den Mann, der frei von diesen Problemen war.
Ein Mann, der Raxa näher war als ihr, war ausgerechnet ihre erste Liebe gewesen. Eine Liebe, die niemals hätte existieren dürfen. Der Grund, warum sie ihn mit Taph bekannt gemacht hat. Dadurch hat sie sich nur einsamer und verlassener gefühlt.
Sie hat gehofft, dass dieses Gefühl nach all den Jahren verblasst. Aber es versteckt sich nach wie vor unter ihrer Haut und tritt zum Vorschein, wenn sie nicht damit rechnet. Mit einem sehnsüchtigen Lächeln fährt sie die Konturen des Muschelsteines entlang. Weiß für Ehrlichkeit und Ruhe, während das Blau für die Sehnsucht und das Vertrauen steht. Farben, die an das Muschelversteck und jenes Meer erinnern, das sanft und kraftvoll zugleich sein konnte. Ein sehr naives, romantisches Geschenk, das nur von einem einst jungen Kess stammen konnte.
Trotz allem hat sie sich gewünscht, dass er ihr etwas in seinen Farben machen würde. Rot, Orange, Gelb. Denn dann hätte sie wirklich das Gefühl gehabt, das er ihr überallhin folgt und sie niemals verlässt.
"Was ist los?", fragt Maqua sie mit hochgezogener Augenbraue. Da er sich wieder einmal angeschlichen hat, zuckt sie erschrocken in sich zusammen. Er weiß genau, wann er einen Augenblick zerstören kann.
"Ich habe nur an ein altes Versprechen gedacht", kommt es von ihren bebenden Lippen, ehe sie die Kette wieder in der Tasche verschwinden lässt, um es vor den begierigen Augen des Teufels zu verstecken.
"Versprechen... auch etwas, dass ich niemals verstehen kann. Sie werden doch auch immer gebrochen." Seine Worte klingen harsch, doch sie wissen beide, dass Maqua die Gefühlswelt der Tantros wirklich verstehen möchte. Leider weiß Kia, dass eine Erklärung vergeblich wäre. Es ist nicht das erste Mal, das er durch fehlende Empathie ihren Worten nicht folgen konnte. Darum versucht sie ihm ihre Welt nicht weiter näher zu bringen. Es würde ohnehin in eine endlose Diskussion führen. "Nicht immer."
Ihre Blicke streifen sich. Maqua schnaubt verächtlich, weil sie ihn mit einer halbherzigen Antwort stehen lässt. Seine Art lebt gänzlich anders, weshalb es ihm schwergefallen ist, sich überhaupt ihrer Rasse anzupassen. Dennoch werden ihm einige Teile ihrer selbst verwehrt, wodurch er das Gefühl vermittelt bekommt, dass Kia und er in unterschiedliche Welten leben. Eine Distanz, die er überbrücken möchte und sie aufrecht erhält.
"Du wirkst glücklich..." Seine Stimme klingt tiefer und bedrückender, als jemals zuvor. Eindringliche Blicke mustern sie, um sicherzugehen, dass er ihr Verhalten richtig interpretiert hat.
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Die Abenteuer der Wyrians
FantasyRaxa Wyrian hat mehr Schlachten erlebt, als viele seiner gleichaltrigen Kameraden und dennoch kann er sich davon nicht losreißen seine Familie und Freunde beschützen zu wollen. Doch sowohl Hauptmann Hax als auch seine Schwester Kia Wyrian wissen, da...