Mit kaltem Blick ging TJ die Treppen hinunter. Leise klackten ihre Absätze auf den Stufen. Es war kurz vor Acht als sie im Eingangsbereich der Villa ankam. Der restliche Clan war noch nicht voll zählig, dennoch wurde sie angestarrt. Doch ihr Blick blieb gleich. Sollten sie sie doch anstarren. Auch wenn sie gestern noch so lange nachgedacht hatte, als Felix weg war, war sie auf keinen grünen Zweig gekommen. Sie wusste nicht wie sie ihre Situation ändern sollte, ohne gegen die Anweisungen der Urvampire zu verstoßen. Es war als ob sie in dieser Lage feststecken würde, bis ein riesiger Paukenschlag passierte. Nur was war das? Und wie sollte sie sich bis dahin verhalten?
„Können wir dann lo-", Chan kam aus seinem Büro gelaufen und richtete sich den Kragen seines Anzugs als er TJ sah. Sein Blick glitt über ihre Figur. Sie hatte ein schwarzes Cocktailkleid mit schwarzen High-Heels an. Doch was ihm erst recht die Sprache verschlag, waren ihre roten Augen, die aus ihrem hübschen Gesicht leuchteten. Ihre Haare hatte sie sich leicht aus dem Gesicht gekämmt, sodass es dieses perfekt einrahmte. Sie- Chan stockte. Was dachte er denn da für einen Müll? Kopfschüttelnd trat er an seinem Clan vorbei. Dennoch konnte er Felix riesen Grinsen bis hier her spüren. „Wir warten nur noch auf dich.", sagte Felix fröhlich. Er schenkte dem jüngeren einen finsteren Blick. Konnte er sich nicht einfach aus seinen Gedanken raushalten?
TJ verbrachte die Fahrt über schweigend. Eigentlich schwieg sie immer, wenn sie mit diesen Männern zusammen war. Hin und wieder hörte sie ihren Gesprächen zu. Aber auf der Fahrt sprachen sie nur über die lange Freundschaft zwischen den Clans und wie schnell doch die Zeit verginge, da Hongjoong nun 200 werde. Gerede alter Männer. Ziemlich uninteressant. Als sie angekommen waren hatte ihr Felix zwar die Hand zum Aussteigen gereicht, dennoch ignorierte sie diese Geste.
Das Haus in dem gefeiert wurde, war dem, in dem sie leben musste nicht unähnlich. Eine viktorianische Villa mit vielen teuer aussehenden Antiquitäten und vielen, vielen Gästen. Ihr war es viel zu eng mit diesen ganzen Vampiren. Am liebsten hätte sie sich draußen auf die Veranda gesetzt und gewartet bis ihr Zwangsclan fertig war, aber das wäre ja zu schön gewesen. In der Masse ihrer Begleitungen wurde sie zum Geburtstagskind mitgezogen. Sie kannte Hongjoong von den Urvampiren. Er war ihr nicht sehr gut in Erinnerung geblieben. Auch bei ihren Blutverhandlungen war TJ auf Bitten ihrer Freunde anwesend, da hatte sie die Ehre ihn kennen zu lernen. Wenn auch nur kurz.
„Der Bang Clan! Wie schön, dass ihr es einrichten konnten.". Hongjoong freute sich riesig seine alten Freunde wieder zu sehen und fiel Chan brüderlich um den Hals.
„Man wird doch schließlich nur einmal 200 oder?", Chan erwiderte lachend seine Geste und legte seinen Arm um die Schulter des Anderen. Es war das erste Mal, dass TJ in richtig und ehrlich lachen gesehen hat. Ihr wurde warm ums Herz. Chan konnte also auch anders sein. Schnell rief sie sich wieder zur Besinnung. War sie denn komplett übergeschnappt so etwas zu denken? Nach außen hin war ihr Zwiespalt nicht zu erkennen. Ihre steinerne Fassade war genauso kalt wie vorher auch.
Als Hongjoong TJ sah hielt er in seiner Bewegung inne. „Was ist denn das? Habt ihr das Schoßhündchen der Urvampire bekommen?". Laut lachte er auf.
TJ konnte kotzen. 200 Jahre alt doch kein Fünkchen Anstand.
Felix sah ihn ernst an. Hongjoongs Gedanken waren unhöflich und schmutzig. Tief holte Felix Luft, um sich nicht zu übergeben. Er musste sich eh schon zusammenreißen um in dem ganzen Gedankengeschrei der Gäste sich konzentrieren zu können. Doch diese dreckigen Gedanken verlangten ihm alles ab. Am liebsten würde er Hongjoong an die Gurgel gehen.
Hyunjin hatte seinem Freund eine Hand auf die Schulter gelegt da er seine Anspannung bemerkt hatte. Kurz blieben sie in dieser Position. „Ich bring ihn um.", flüsterte er Felix zu. Natürlich hatte Hyunjin Felixs Erinnerungen an Hongjoongs Gedanken gesehen. Mahnend warf Felix ihm einen Blick zu.
„Komm TJ lass uns da drüben hinsetzten! Das sieht doch bequem aus!", laut redete Felix über die Unterhaltung von Chan und Hongjoong und zog TJ mit sich auf ein Sofa am anderen Ende des Raums. Zähneknirschend beobachtete er die Szene zwischen Chan und Hongjoong. Wenn Chan nur wüsste was Hongjoong dachte, würde er dann noch genauso mit ihm scherzen wie jetzt? Starr hatte er die Beiden fixiert und hörte den Gedanken zu. Die Gedanken der anderen Gäste schaffte er zurück zu schrauben um nur noch Chan und Hongjoong zu hören, als plötzlich alles leiser wurde. Als wenn jemand nach und nach die Lautstärke zurückdreht, bis nichts mehr zu hören war. Verwirrt sah sich Felix um. Er hörte keine Gedanken mehr, keinen einzigen. Naja bis auf seine eigenen. Das letzte Mal als das so war, da war er doch ... Das kann doch nur ... Sein Blick blieb an TJ hängen.
„Ich glaube es ist mal ganz gut, wenn du nur deine eigenen Gedanken hören kannst.". Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Das erste, dass er jemals an ihr gesehen hatten. Hatte sie denn seine Anspannung bemerkt? „Wie hast du? Wie machst du?", stotterte Felix. Er war überwältigt von dieser angenehmen Stille. Seine ganze Wut von vorhin, vergessen.
„Ist das denn wichtig?", leicht legte sie ihren Kopf schief und lächelte wieder. „N-Nein ... Danke.". Felix war ihr wirklich dankbar. Solche Veranstaltungen waren für ihn die Hölle. Und Hongjoongs Gedanken nicht zu hören war eine Wohltat. Dennoch würde er TJ nicht alleine lassen.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Felix war der Einzige, der ihr Gegenüber nett war. Und was tat sie? Sie ignorierte ihn und bockte und bestätigte somit, dass man sie schlecht behandeln musste, da sie es mit ihnen genauso tat. Felix hatte sie aus der Situation gerade gerettet, versucht sie zu beschützen, das hatte sie gemerkt. Doch so aufgebracht wie er gerade war, wäre es das Beste, wenn er keine Gedanken mehr hören konnte. Also legte sie ihr Schutzschild um ihn herum, um ihm zumindest etwas Ruhe zu geben. Sie war sich nicht sicher ob das funktionieren würde aber seine Reaktion bestätigte es. TJ konnte sich schon denken was Felix Problem war. Hoseok war nach den Blutverhandlungen mit dem Ateez Clan noch Tage lang gereizt. Im Gegensatz zu Felix kann Hoseok nur Absichten erkennen. Doch das was er gesehen hatte reichte ihm. Es hat lang genug gedauert bis TJ herausgefunden hat, was genau das war. Und wenn seine Gedanken nur annähernd so wie bei den Urvampiren sind, dann war es das Beste für Felix diese nicht zu hören. Sie konnte selbst auf sich aufpassen und mit jemandem wie Hongjoong wurde sie fertig. Auch wenn sie Felix für gerade eben sehr dankbar war.
„Hier ich hab euch einen Drink mitgebracht.". Hyunjin war an das Sofa ran getreten und hielt drei Gläser in der Hand. Das erste reichte er Felix, das andere hielt er TJ hin. Überrascht nahm sie es an. Wieso war Hyunjin so nett? „Danke.", sagte sie. War da etwa Gift in dem Drink?
Hyunjin lächelte sie an und nahm neben ihr Platz. „Und was hab ich verpasst?", fragte Hyunjin nebenbei als er einen Schluck von seinem Getränk nahm.
„TJ ist toll.". Felix lächelte von einem Ohr bis zu anderen. Das komplette Gegenteil zu seiner Stimmung vorhin. Hyunjin lächelte wieder. „Das hast du schon mal gesagt. Aber langsam glaub ich das auch.".
TJ verstand die Welt nicht mehr. „Bitte?", fragte sie nach. Gestern wollten sie sich noch gegenseitig umbringen und jetzt war Hyunjin nett?
„Naja ...", er nahm noch einen Schluck. Er war nach der gestrigen Diskussion für sich zu einem Entschluss gekommen. Lange genug hatte er darüber nachgedacht. Felix war einer seiner besten Freunde und wenn er der Meinung war, dass TJ in Ordnung war, dann würde er ihr auch eine Chance geben. Wie würde er sich denn fühlen, wenn er in einen fremden Clan müsste, in dem jeder ihm feindselig gegenüberstand? Er hatte lange genug zu diesem Thema nach Chans Pfeife getanzt. Er würde das jetzt selbst entscheiden. Und seine Entscheidung war zu Gunsten von Felix und TJ gefallen.
„Wie du wahrscheinlich schon weißt, kann ich Erinnerungen sehen. - Deine übrigens nicht. Entschuldige wegen gestern, das war nicht in Ordnung von mir. - Was ich damit sagen will. Ich habe Felix Erinnerungen zu Hongjoongs Gedanken von vorhin gesehen. Sollte er auch nur falsch in deine Richtung schauen, dann- dann-". „Hyunjin!", ermahnte ihn Felix. „Dann kannst du dir ja denken, was passiert.", säuerlich nahm er noch einen Schluck. „Du gehörst zu uns. Das soll er bloß nicht vergessen.".
TJ war verblüfft. Einerseits war er sich sicher, dass sie wusste was er gestern versucht hatte. Und Andererseits stellte er sich nun gegen seinen Clan, will sie beschützen und sagt sie gehöre zu ihnen? „Und was bringt dich dazu umzudenken und mich ihm nicht auf dem Silbertablett zu servieren?", fragte TJ interessiert nach.
„Wenn Felix dir vertraut, dann tu ich das auch. Bis jetzt hast du mir eigentlich keinen Anlass dazu gegeben das nicht zu tun.". Kurz schien Hyunjin zu überlegen und musterte TJ.
„Lass mich raten. Außer die Meinung deiner anderen Clanmitglieder?", nun nahm TJ einen Schluck und musste feststellen wie köstlich der Drink war. Was war das? Der Wahnsinn.
Steif saßen Felix und Hyunjin da und starrten TJ an. „Was? Denkt ihr echt das merke ich nicht?". Keiner der Beiden sagte etwas. Hyunjin starrte nun Felix an.
„Tut mir leid. Ich kann deine Gedanken nicht hören.". Felix hatte zwar verstanden was Hyunjin wollte aber er konnte ihn nicht hören.
Hyunjin seufzte. „Was immer deine Fähigkeit ist. Ich kann sie nicht leiden.". Bockig wie ein kleines Kind trank Hyunjin wieder von seinem Drink.
Doch TJ war nicht beleidigt nein, sie lachte. Hyunjin konnte nicht anders und fing zu Grinsen an, genau so wie Felix. TJ war ganz in Ordnung.
Unsicher Tapste Han Richtung des Sofas auf dem TJ mit seinen Freunden saß. Dann würde er es also doch versuchen sie zu verführen. Lange hatte er gestern noch mit Minho darüber geredet und er hatte recht. Das wäre vielleicht die einzige Möglichkeit an sie ran zu kommen. Da durfte er sich nicht querstellen. Er musste das für seinen Clan tun.
„Ha-Hallo TJ. Würdest du mit mir tanzen?", fragte er gerade heraus, bevor ihn der Mut wieder verlassen würde. Er hasste fremde Menschen und Menschenmengen. Das alle hier Vampire waren, machte das Ganze nicht besser. Panikattacken waren da an der Tagesordnung. Vielleicht konnte er auch einfach mit ihr rausgehen? Es dauerte etwas bis sie nickte und aufstand. Verwundert sah er Hyunjins und Felix warnende Blicke. Vor was musste er sich denn in Acht nehmen?
„Lass uns lieber nach draußen gehen.", jetzt Sprach die soziale Angst aus Han. Er hackte sich bei TJ ein und führte sie schnell durch die Menge der Gäste. Schwer atmend ließ er sie vor der Tür los. Mit beiden Händen stützte er sich auf seine Knie.
„Ist alles in Ordnung?", fragte sie vorsichtig nach und legte ihm eine Hand auf den Rücken. Doch Han stand plötzlich wieder kerzengerade vor ihr. „Nein alles in Ordnung. Du bist ja bei mir.". Hans komplette Haltung, sein kompletter Gesichtsausdruck ja sein kompletter Charakter hatten sich von die eine Sekunde auf die andere Geändert. Schnell nahm sie ihre Hand von seinem Rücken. „Ich glaube es war Schicksal, das du zu uns ... nein zu mir in den Clan gekommen bist.". Han nahm ihre Hand und drückte sie auf sein Herz. So als ob er sie spüren lassen wollte, was für eine Wirkung sie auf ihn hatte. Dumm nur, dass sein Herz nicht mehr schlug.
TJ hatte so eine Ahnung was hier gerade passierte. Ihre kurzzeitige gute Laune war verflogen. Han versuchte doch tatsächlich sie zu verführen und gefügig zu machen. Wäre zu schön gewesen einen weiteren Freund zu haben. Aber anscheinend war einer am Tag schon viel. Es schien als ob ihnen die Ideen ausgingen. Der Zwiespalt des Clans war deutlich zu merken und derjenige, der es retten sollte was Han.
„Weißt du, das Schicksal ist ein mieser Verräter, darauf würde ich nicht so viel geben.". Aufmunternd klopfte sie ihm ein paar Mal auf die Brust bevor sie ihm die Hand entzog und wieder nach drinnen ging.
Ungläubig sah er ihr nach. Seine Angst und sein Vorhaben waren vergessen. Wie kann das sein? Das funktionierte doch sonst immer? Er hätte an seiner Meinung festhalten sollen. Das war eine dämliche Idee.