Die beiden Wölfe kommen mir immer näher. Ein merkwürdiges Fiepen entschlüpft meinen Lippen und ich kneife, den Angriff erwartend, meine Augen zusammen.
Tja, da denkt man schon, man wird von komischen, gruseligen Hexen und deren komischen, brennenden Ketten umgebracht, während sie komisch kichern und dann sind es am Schluss einfach ein paar merkwürdige Wölfe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht.
In meiner Todesanzeige wird dann wohl stehen: 'Joanna Alexandra Baker. 03.11.1997 - 12.07.2015. Verstarb aufgrund ihrer Dummheit nachts im Wald, zerfetzt und verspeist durch wilde Tiere. Hinterließ zwei satte, merkwürdige Wölfe und allgemeines Kopfschütteln bei der Redaktion.'
Merkwürdig, weil sie groß sind, ungewöhnlich groß und verdammt bedrohlich. Im Gegensatz zu denen sehen ja die im Fernsehen aus wie Kuscheltiere. Mein Kuscheltier früher war sogar ein Wolf. Er hieß Bernhard der Hund. Ich war kein sehr schlaues Kind. Ich bin allgemein wohl kein sehr schlauer Mensch.
Der größere der beiden ist hellgrau, bis auf einen weißen Fleck auf der Schulter, der einer Schneeflocke überraschend ähnlich sieht. Der kleinere hat ungepflegtes beiges Fell mit einer Art braunen Streifen am Rücken. Fast wie ein Streifenhörnchen.
Beide kommen mir langsam aber sicher immer näher, kosten meine Angst aus. Schön, dass ich damit noch jemanden beziehungsweise etwas erfreuen kann.
Und dann richtet Schneeflocke sich aus, um den letzten Sprung zu machen und mir danach wahrscheinlich die Kehle zu zerfetzen. Er lehnt sich leicht nach hinten, verlagert sein Gewicht auf die Hinterpfoten und beugt seine Hinterbeine leicht. Sein gesamter Körper ist zum Zerreißen gespannt.
Wimmernd kneife ich wieder die Augen zu, als ich ein wahnsinnig lautes Knurren höre. Das bestärkt mich nur noch in dem Wunschdenken: Was ich nicht sehe, das ist auch nicht da.
Ich warte auf den Schmerz, doch es kommt nichts. Verwirrt hebe ich meine Lider also wieder langsam. Stattdessen steht da ein weiterer großer Wolf, nicht ganz so mager wie die beiden anderen Exemplare. Braunes Fell, wie ein dunkles Karamellbonbon und er knurrt nicht mich, sondern die beiden anderen Wölfe an.
Seine Haltung strahlt genauso viel Angriffslust wie die der anderen aus. Aggressiv macht er einen drohenden Schritt auf sie zu.
Dabei schiebt er sich so halb zwischen mich und Schneeflocke. Und auch wenn er nicht mir seine Zähne zeigt, ist er nah, viel zu nah für ein knurrendes, gruseliges, merkwürdiges, gefährliches und tödliches Tier.
Also versuche ich unauffällig weiter zurück zu weichen. Dass hier ist schließlich meine Chance. Schneeflocke und das Streifenhörnchen haben ihre Aufmerksamkeit auf Karamellbonbon gelenkt. Nur manchmal huschen Schneeflockes Augen noch zu mir. Wie um sich zu vergewissern, dass sein Mittagessen noch immer an Ort und Stelle ist und niemand es angerührt hat. Beziehungsweise wohl eher Mitternachtssnack.
Doch durch den Baum hinter mir lässt sich der Gedanke mit dem Fliehen nicht ganz so leicht verwirklichen. Verzweifelt kralle ich meine Finger in die raue Rinde. Und da kommt mir die Idee. Ich bin schließlich so blöd gewesen und tiefer in diesen kack Wald gelaufen. Doch da sind genug Bäume. Bäume, auf die man klettern kann. Ich hab den Baum vor lauter Wald nicht gesehen, könnte man sogar sagen.
Langsam drehe ich mich um, was unglaublich viel Beherrschung erfordert. Zum einen, weil noch immer so viel Adrenalin durch meine Adern fließt, dass ich gerne wieder wegrennen oder mich wenigstens schnell umdrehen würde. Und zum anderen, weil ich damit diesen Killermaschinen den Rücken zuwende. Mit viel Mühe unterdrücke ich auch den Drang, wieder irgendetwas Unverständliches zu wimmern. Oder im Kreis zu rennen.
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Hunted Mate
WerewolfEigentlich fängt das Ganze nur damit an, dass ich auf dem Weg zum Einkaufen hinfliege. Zwei Mal. Mit dem erhöhten Bordstein habe ich nun einmal einfach nicht gerechnet. Und damit ich keine Blutspuren auf dem Gehweg hinterlasse, will ich so Kerle nac...