Geliebte Bay,
auch wenn ich dir nie das Gefühl gegeben habe etwas Besonderes zu sein, so warst du es durchaus. Ich weiß du möchtest keine Entschuldigungen von mir hören, keine billigen Ausreden oder gar Versuche, dich wieder für mich zurück zu gewinnen. In dieser Ansicht kommst du ganz nach deinem Vater.Ich erinnere mich daran, wie ich dich im Krankenhaus das erste Mal in den Armen halten durfte, wie ich deinen kleinen Kopf mit meinen Lippen berührte und erfahren durfte, was es heißt, Mutter zu sein. Allerdings war dein Anblick schmerzhafter als jeder Messerstich in die Haut.
Du hast mich tag täglich daran erinnert, was ich verloren habe, was ich hätte haben können, wenn ich nicht solch ein Miststück gewesen wäre. Du kamst vom ersten Moment an nach deinem Vater, hattest nach wenigen Wochen seine Augen, seine Starrköpfigkeit und die Entschlossenheit, die ich dir nie hätte vererben können.
Als ich dich vor langer Zeit ins Internat geschickt habe, hab ich einen der größten Fehler begangen, die ich je hätte machen können. Doch der Schmerz war zu groß. Ich konnte es nicht ertragen, dich jeden Tag zu sehen und erinnert zu werden.
Weißt du, ich habe oft nächtelang wach gelegen und leise geweint, weil ich wusste, ich würde nie eine gute Mutter werden. Ich war nie eine Mutter und werde auch nie eine sein, das bin ich einfach nicht. Doch auch wenn es schwer zu glauben ist, ich liebe dich mit jeder Faser meines Körpers.
Der Hass den ich dir gegenüber gezeigt hatte, war nicht echt. Gespielt um meine Gefühle zu umgehen. Jede Tat die ich getan habe, bereue ich. Ich bereue es, nie versucht zu haben, eine wahrhaftige Mutter für dich zu sein. Ich bereue es, nicht für die Liebe meines Lebens gekämpft zu haben und ich bereue es, mit Männern, die es nicht wert sind, meine Zeit zu verschwenden.
Nachdem die Leitung des Internats mich kontaktiert hatte, dachte ich, dies wäre der beste Grund dich zu verachten, dich wegzugeben und zu vergessen. Es schien mir ein Mittel zum Zweck. Doch jetzt wo ich die Wahrheit kenne, verachte ich mich selbst.
Wenn ich für dich da gewesen wäre, wenn ich eine Mutter für dich gewesen wäre, hätte ich bemerkt, dass du lügst und die Strafe einer anderen auf dich nimmst, doch ich kannte und kenne dich nicht, werde dies wahrscheinlich auch nie. Aber ich weiß, dass meine Tochter ehrenwerter als ihre eigene Erzeugerin ist und diese Tatsache macht mich stolz. Unglaublich stolz.
Ich habe mich von Richard getrennt, beschlossen, etwas aus meinem Leben zu machen, wenn ich schon die Hälfte davon verschwendet habe. Vielleicht wirst du dich bei mir melden, vielleicht aber auch, wirst du diesen Brief lesen, lachen und verbrennen oder zerreißen. Ich weiß es nicht.
Ob du deinem Vater über all die vergangenen Jahre aufgeklärt hast, weiß ich ebenfalls nicht, doch verbau dir deine Zukunft nicht durch Lügen, Bay. Mach nicht die gleichen Fehler wie ich es getan habe. Sei eine bessere Frau als ich, eine liebenswertere.
In Liebe, Layla.
Tränen rannten mir die Wangen hinunter, tropften von meinem Kinn hinab zum Boden unter meinen Füßen und ich spürte, wie sich mein Brustkorb schmerzlich zusammen zog. Meine Hände zitterten als ich das Papier in ihnen zusammen faltete und wieder in den Umschlag legte.
Alles um mich rum schien sich zu drehen. Alles um mich rum schien nicht echt zu sein.
Meine Lippe bebte und nur mit viel Kraft schaffte ich es zu der morschen Bank welche hier im Park stand und zumindest eine kleine Erholung versprach. Nachdem ich mich aus meiner Trance gelöst hatte, war ich zusammen mit dem Brief aus der Wohnung gestürmt, hatte die Rufe von Damien ignoriert und war geflüchtet um alleine zu sein.
Wahrscheinlich wäre dies der perfekte Moment gewesen, um ihn über alles aufzuklären, ihm von meiner Vergangenheit und von dem Mist zu erzählen, den ich derzeit abzog, doch ich war zu schwach um ehrlich zu sein. Das Lügen viel mir leichter in Anbetracht der Situation.
Das meine Mutter, das Internat und Gott weiß mehr die Wahrheit kannte war ein gigantischer Rückschlag wenn man bedenkt, wie viel ich für die Aufrechterhaltung meiner Geheimnisse gegeben hatte. Doch all diese Personen waren nicht hier!, rief ich mich selbst zur Realität zurück.
Entschlossenheit packte mich und mit einem unverkennbaren Zorn zerriss ich den Brief in meinen Händen samt Umschlag, um ihn anschließend in den nächstliegenden Mülleimer zu entsorgen. Vielleicht war ich genauso wie meine Mutter. Vielleicht war ich einfach keine liebenswerte Frau, für die man alles tun sollte, weil sie so ein herzensguter Mensch ist. Vielleicht bin ich nur ein Wolf in Schaftspelz.
Ich wischte mir die getrocknete Tränenflüssigkeit von den Wangen, straffte meine Schultern und wurde wieder zu dem taffen Mädchen, das ich war, bevor ich diesen absurden Zettel bekommen habe. Zur Hölle, ich war stark genug, um die Lasten meiner Lügen zu tragen, um meine Geheimnisse aufrecht zu erhalten.
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Not the truth
Romance»Du hast uns über Monate hinweg angelogen.« »Was hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon zu verlieren? Ich hatte keine Familie, mein Selbstwertgefühl war für den Arsch und ich konnte einem Mädchen helfen, dass es nötiger hatte als ich in der Gesellschaf...