2. Kapitel

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Die Uni hat letzte Woche wieder angefangen und ich lungere immer noch rum und weiß nicht, was ich studieren soll.

Es ist gerade morgen und ich weiß nicht, ob ich mir einen einfachen Zopf machen soll oder einen Dutt. Ich entscheide mich für einen Dutt. Mir fällt auf, dass ich, obwohl ich so einen hohen IQ habe, vieles nicht weiß...

Eine Minute später bekomm ich einen Anruf von meiner besten Freundin (wahrscheinlich auch einzige Freundin, die mich wirklich kennt und versteht). "Morning, honey! Ich wollte dir nur sagen, dass ich gestern vergessen habe, mein Auto zu tanken."
"Das ist nichts neues. Dafür rufst du mich an?! Eine SMS reicht da auch"
"Nein, das war nicht alles. Ich denke, dass wir heute eine Vorlesung haben, wo Kris auch da sein wird."
"Und du kannst nicht entscheiden, was du anziehen sollst?! Rachel, du warst erst gestern shoppen! Zieh einfach was neues an!", seufze ich und verdrehe die Augen.
"Du hast leicht zu sagen. Du siehst in allem gut aus und kannst auch gut kombinieren. Das ist ein Notfall!!!" Beim letzten Satz nehm ich mein Handy vom Ohr. Warum musste sie nur so schreien?
"Gut. Ich nehme einen Schal mit und die Kette, die du so liebst. Aber nur für heute!"
"Danke, danke, danke, Laney! Du bist ein Schatz! Nicht vergessen, ja? Vielleicht seh ich dadurch ja noch besser aus als du", sagt sie und legt auf, bevor ich was sagen konnte.
Ich seufze. Sie hat es so gut. Kris war neu hier und hat ihr Herz schon am Anfang des Schuljahres erobert, weil er ihr geholfen hat, als sie einmal ihre Sachen fallen ließ. Er war schon gutaussehend, das bezweifle ich ja nicht, aber mir fehlt dieses - Herzflattern - und - Stottern - und rot werden - und - ständig an ihn denken - Gefühl. Rachel schwärmte den ganzen Tag.

"Sieht er heute nicht hinreißend aus?" "Ach, seine Stimme und seine Augen! Sind die nicht toll?" "Er ist ja sooooo nett"

Ich schaue auf die Uhr. Zeit zu Gehen. Ich nehme all meine Sachen mit und schließ die Tür ab.

Im Treppenhaus kommt Mr. Kim, ein älterer Koreaner, mir entgegen und fragt auf koreanisch: "Guten Tag, Delaney. Könntest du mir vielleicht heute was vom Supermarkt mitnehmen? Meine Frau kommt heute nicht aus dem Haus und ich kann so schlecht laufen." "Ja, klar. Gerne, geben Sie mir doch bitte einfach die Liste", antworte ich auf koreanisch. Ein Vorteil, wenn man hochbegabt ist, man kann sich mit allen Leuten unterhalten.

Im Gegensatz zu anderen Studenten wohne ich nicht in einem Studentenwohnheim, sondern in einer Privatwohnung, weil meine Mutter meint, dass ich das Beste in meinem (kurzen) Leben haben sollte.

Am Parkplatz sehe ich Henry, der zwar 10 Jahre älter ist als ich, aber trotzdem immer wieder versucht, mit mir zu flirten. Schnell verstecke ich mich hinter einem Busch und bete, dass er mich nicht sieht. Ich möchte mich heute wirklich nicht mit ihm unterhalten. Vorsichtig schaue ich raus und sehe, wie er an meinem Auto einen Zettel unter meinem Scheibenwischer klemmt und weggeht. Ich warte, bis die Luft rein ist und sehe, was er auf dem Zettel geschrieben hat.

Hallo, Delaney.
Da ich gerade vom Bäcker komme und ich einen Kaffee gratis bekam, habe ich gedacht, dass du ihn kriegst. Habe noch einen schönen Tag.

Tatsächlich ist auf dem Boden ein wohlriechender Kaffe. Und sein Schlüsselanhänger. Tolle Masche. Er hat seinen Namen nicht auf den Zettel draufgeschrieben, damit ich nicht weiß, von wem der Kaffee ist, aber trotzdem absichtlich seinen Anhänger fallen lasse, damit ich doch weiß, von wem der Kaffee ist und nachher noch einen Wandertag zu ihm mache. Vergiss es, dachte ich. Ich werde den Anhänger einfach in seinem Briefkasten reinschmeißen.

Ich schaue auf die Uhr. Mist! Ich bin jetzt etwas spät dran. Ich rechne im Auto aus, welche Strecke am kürzesten wäre und in wievielen Minuten ich bei Rachel wäre.

Ich schreibe ihr kurz, dass ich vor ihrer Haustür warte. Kurz darauf kommt sie auch. Aber in einem Aufzug, als wäre heute an der Uni eine Party und keine Vorlesung (angemerkt: eine Discoparty).

Ich starre sie immer noch an, als sie einsteigt.
"Was? Ich dachte, wir sind spät dran", sagt sie unschuldig.
"Bist du die sicher, dass du so aufkreuzen willst? Du sagst dich immer, Jungs stehen nicht so auf auffällige Sachen"
"Naja, was solls? Wir sind eh spät dran" sagt sie und zuckt mit den Schultern.
"Wir nehmen heute die Abkürzung. Dafür bleibt uns noch 8 Minuten und 36 Sekunden. In dieser Zeit gehst du dich jetzt umziehen, Fräulein, sonst kannst du laufen."
"So schlimm?", fragt sie scherzhaft, steigt aber trotzdem aus und rennt ins Haus zurück.

In genau 7 Minuten und 53 Sekunden kommt sie wieder und sieht nicht nur viel besser aus, sondern auch normal.
"Perfekt", sage ich zufrieden und bekomme dafür ein strahlendes Lächeln geschenkt.

Auf der Fahrt jammert sie und fragt sich die ganze Zeit, warum sie nicht so aussieht wie ich und zählt dabei alle Dinge auf, was ihr an mir so gut gefällt.
"Ich denke, dass Kris in dich verliebt ist", sagt sie plötzlich. Ich fahre mit dem Lenkrad um und biege scharf ab. Fast ein Umfall gebaut...
"Delaney!", schimpft Rachel.
Ich ignoriere es und frage: "Wie kommst du bitte darauf, dass Kris mich mag?"
"Ich habe nicht nur von mögen gesprochen, aber kommen wir auf das Wesentliche zu sprechen. Hast du nicht bemerkt, wie er dauernd dich anschaut und irgendwie aufgeregt ist, wenn er mit dir spricht? Auch wenn ich weiß, dass du seine Liebe nie erwidern wirszßt und auch nicht kannst, würde ich mich sicherer fühlen, wenn du einen Freund hättest", spricht sie weiter und seufzt.

Oh Nein...nicht schon wieder dieses Thema!

"Rachel, du weißt ganz genau, dass ich nie verlieben werde und es deswegen auch nicht versuchen will", sage ich und denke dabei an die ganzen Versuche von ihr, mich zu verkuppeln...meistens endete es damit, dass der Junge an gebrochenem Herzen leidete, weil er sich Hoffnungen machte. Bei mir fehlte jedoch jedes Mal das Herzklopfen und schließlich gab sogar die sonst hartnäckigste Person die ich kenne, Rachel, auf.

Ich spreche weiter: "Du brauchst dir also keine Sorgen machen und wer sich nicht in so eine liebenswürdige, hübsche und kluge Person wie dich verliebt, der ist entweder hohl, blind oder hat wirklich einen Geschmack wie eine tote Ratte"
"Aww, du bist so süß, aber wenn ich neben dir stehe, werde ich einfach zum Mauerblümchen, was mir wirklich nichts ausmacht und wenn du bei Kris dieses Gefühl haben solltest, dann...werde ich ihn trotzdem die überlassen"
"Was soll es mir bringen? Mehr als 11 Jahre werden es sowieso nicht", sage ich seufzend.
"Sag sowas nicht", flüstert Rachel.

Ich könnte mich wieder ohrfeigen. Ich wusste doch, dass Rachel sehr empfindlich auf diesem Gebiet ist...
Zum Glück sind wir schon auf dem Uniparkplatz.

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