22.Kapitel

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Nur langsam ließen sich meine schweren Augenlider öffnen. Zu erschöpft und müde war ich. Moment einmal: Wo war ich? Ruckartig schoss mein Kopf nach oben, was ein weiteres Ziehen in meiner rechten Kopfhälfte hervorrief. Weiße Wände, weiße Bettwäsche, Tische und noch weitere weiße Betten. Ich war im Krankenhaus. Neben mir schlief jemand auf einem Sessel. Müde hob diese Person ihren Kopf und lächelte mich erleichtert an. Vanessa!

"Schätzchen, endlich bist du wach! Ich dachte schon, du wirst bis alle Ewigkeit schlafen. Aber ich hoffe, der Schlaf tat dur gut. Du warst sehr unterkühlt. Deine Lippen waren in einem komischen lilablau. Ist dir kalt?"

"Nein, ganz im gegenteil. Mir ist sehr heiß! Danke, das du gekommen bist."

"Bitte. Deine Mutter wollte nicht so lange warten, sie sagte, das ich sie anrufen sollte, wenn du wach bist. Doch weißt du was? Wenn sie es interessiert, wie es um dich steht, wird sie schon von ganz alleine kommen!"

"Mhm.." traurig nickte ich und stimmte ihr zu. Nicht einmal meine Mutter.. Eine einzelne heiße Träne, die mehr als tausend Worte ausdrücken konnte, kullerte mir die Wange hinunter.

"Ach, sei nicht traurig. Sie wird schon einen Grund haben.. Aber noch einmal zu dir. Hast du Fieber? Dir ist heiß und deine Stirn ist auch sehr warm." Besorgt blickte sie mich an und in diesem Moment war sie meine große Schwester, die ich mir immer wünschte und nie bekam. Doch sie war ein ganz guter Ersatz. Ich lächelte vor mich hin und stellte mir vor, wie es gewesen wäre, wenn ich sie als große Schwester gehabt hätte. Hätte Dad sie auch... Ach egal, der Traum verwirrte mich einfach zu sehr. Ob er auch etwas gefühlt hat? Oder war es einer meiner lächerlichen Träume?

"Erde an Mia. Bitte geben sie mir eine Antwort." Mit gespielt tiefer Stimme und ernstem Blick brachte sie mich wieder einmal zum lachen, doch schon nach ein paar Sekunden verstummte ich. Mein Hals brannte höllisch.

"Ich glaube schon, dass ich Fieber habe. Und Halsschmerzen habe ich auch, nur so nebenbei." Sarkastisch brachte ich die Worte über meinen Mund. Eine Krankheit konnte ich nun nicht schon wieder gebrauchen!

Wenig später bemerkte ich den großen Verband um meine Rippen und Bauch. Als ich mich langsam aufrichten wollte, durchzuckte ein Schmerz meinen ganzen Körper.

"Ach ja, sie brachen dir zwei Rippen, doch es ist nicht lebensgefährlich. Außerdem hast du schwere Verletzungen und auch innere Blutungen gehabt. Was haben diese Schweine mit dir aufgeführt?" Nur wage erinnerte ich mich.. Zwei Männer.. Disco.. Wald..Kleid..Kalter Boden.. Doch ich wusste, dass es nicht sie alleine waren, de Schuld an meinen Verletzungen hatten. Sollte ich es Vanessa mitteilen?

"Nun ja.. sie waren nicht die einzigen, die mir Schmerzen bereiteten. Julia und ihe Anhänger waren auch hier." Weitere Tränen rinnten meine Wange hinunter. Die Erinnerungen waren zu schrecklich, um sie auch nur auszusprechen.

"Achso." Mehr traute sie sich nicht zu sagen. Nachfragen wäre zu diesem Zeitpunkt eine schlechte Idee gewesen, das wusste sie genau. Dafür kannte sie mich zu gut.

"Wann darf ich denn endlich nach hause?"Lachend sah sie mir in meine Augen und legte ihren Arm auf meine Schulter

"Ach, meine kleine ungeduldige Mia. Du hast innere Blutungen, die auch jetzt noch drohen, zu bluten. Bei jeder kleinsten Bewegung konnte etwas passieren. Okey, wir wollen nicht übertreiben. Der Arzt wird auch gleich kommen und wird messen, ob die Fieber hast. Was ich von dir erfahren habe, hast du Halsschmerzen auch noch. Und husten musst du auch öfters. Ich denke, heute wirst du deinen freien Tag noch hier verbringen müssen. Weiteres wird der Arzt entscheiden." Zuletzt zwinkerte sie mir zu, dann stand sie auf und ging aus dem Zimmer. Einige Momente später kam sie mit einem Arzt wieder.

Das wird dir gefallen

          

"Grüßgott, du musst die kleine Mia sein. Oder große, wie du es haben willst. Auf die Geschichte, wie es dazu gekommen ist,wollen wir lieber nicht zurückkommen. die Polizei wird sich gut um die beiden kümmern. Jedoch würde ich gerne wissen, wer dir die anderen Verletzungen verpasst hat. Die zwei beteuern, dass sie dir nur die Rippen gebrochen haben, wenn dies nicht scho zu viel wäre. Auch waren die Verletzungen nicht gerade jung. Also muss dies schon früher passiert sein. Natürlich musst du es mir nicht sagen, doch deine inneren Blutungen waren nicht harmlos und die blauen Flecken sprechen auch nicht gerade für die Unschuld von denen, die dir dies angetan haben." Freundlich sah er mich an und ich schätzte in mitte der vierziger Jahre ein.

"Wird die Polizei mich fragen?"

"Mit 100%iger Sicherheit wird sie das, Mia." Natürlich war mir klar, dass sie es wissen wollten. Doch wenn ich Julia anzeigen würde.. Würde es alles nur noch schlimmer machen. Doch durchs Lügen machte ich mich nur selber schuldig. Ich musste es ihnen wohl oder übel doch sagen, doch nicht dem Arzt. Die Polizei würde bestimmt auch genügen.

"Dann würde ich gerne mit der Polizei reden."

"Nach deiner Genesung wird sie sowieso bei dir zuhause vorbieschauen, oder sie werden dich aufs Revier schicken. So machen sie es immer." Nur ganz schwer konnte ich meine Angst verbergen. Die nächsten Wochen würden meine ganz persönliche Hölle werden. Niemanden hatte ich in der Klasse. Niemanden. Traurig senkte ich meinen Kopf und schloss für einen Moment meine Augen. Innerlich drängten sich Millionen Bilder in mein Gehirn. Wie es werden würde, wenn sie es erfahren würden, dass Julia wegen mir Stress bekam. Die ganzen Anschuldigungen und Beleidigungen. Allein der Gedanke daran, ließ mich erschaudern.

"Okei.."

"Na dann, wäre dies geklärt. Hast du irgend welche Beschwerden?" Außer die innerlichen Beschwerden, natürlich. Sonst könnte ich ihm tagelang von meinen physischen und psychischen Wehwehchen erzählen.

"Mein Hals schmerzt sehr und Vanessa meinte, dass meine Stirn sehr heiß wäre." Sie maßen sofort meine Temperatur. 38,9! Puh, das war für meine Verhältnisse ziemlich viel.

"Holt sofort kalte Umschläge und sorgt dafür, dass sie genügend zu Trinken bekommt. Es tut mir leid dir das sagen zu müssen, doch heute hast du Bettruhe. Wenn es morgen besser ist, kannst du dich im Krankenhaus etwas umsehen, doch heute klingel bitte an, wenn du aufs Klo musst, versprochen?"

"Versprochen."

"Na dann, bringen die Schwestern dir noch Hustensaft und eine Salbe für den Hals. Wenn du etwas brauchst oder mehr Schmerzen im Bauchbereich als sonst verspürst, drücke einfach den roten Knopf. Der Fernseher ist gegenüber von dir." Mit diesen Worten verabschiedete er sich und verließ das Zimmer.

"Deine Lieblingsbücher zum lesen habe ich dir auch mitgebracht, sowie deine Kopfhörer und Ladekabel. Kekse liegen am Tisch neben dir, Gewand hab ich dir auch etwas eingepackt. Ein weißer Shirt und eine schwarze gemütliche Jogginghose. Und einen Pullover. Wenn du länger hier bleiben musst, bringe ich dir natürlich mehr."

"Danke Vanessa, Womit habe ich dich verdient?" Mit Tränen in den Augen sah ich sie so dankbar wie nie zuvor an. Nicht einmal meine Mutter kümmerte sich so gut um mich. Nicht einmal zu Besuch kam sie..

"Mach ich dich gerne. Doch ich will niewieder",weinend machte sie eine kurze Pause und setzte dann wieder fort,"nie nie wieder dich so sehen. Diese Männer kamen mir nie so sympathisch vor. Doch ich wollte dir nichts zerstören. Du weißt nicht, wie es mich schreckte, als ich dich nicht mehr sah. In der ganzen Disco suchte ich nach dir. Irgendwann ging ich dann hinaus und fragte die Security, ob sie ein blondes Mädchen mit einem braunhaarigen stämmigen jungen Mann hinaus gehen haben sehen. Zuerst wollten sie wissen, wieso ich so aufgebracht war, doch dann half mir einer von den beiden suchen. Natürlich wäre es peinlich geworden, wenn ihr gerade..nun ja.. anders beschäftigt gewesen wärt. Doch mein Instinkt sagte mir, dass etwas nicht stimmte. Gewaltig nicht stimmte. Er konnte mir nur sagen, dass er euch Richtung Wald verschwinden habe sehen und dass ein zweiter dazu kam, doch dann habe er euch nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht genau, wieso ich in den wald rannte, denn ihr hättet auch einen anderen Weg einschlagen können, doch wie gesagt. Mein schwesterlicher Instinkt schaltete sich ein. Eine Zeit lang ging ich mit dem Sicherheitsmann in den Wald und er wirkte sehr genervt, doch auf einmal hörte ich ein Schreien. Zwar kein lautes, doch laut genug. um bei mir die Alarmglocken läuten zu lassen. Ohne auf den Mann zu achten, folgte ich den Stimmen und dann sah ich dich. Wie du mich noch kurz ansahst und dann einfach zusammenbrachst. In Ohnmacht fielst. Natürlich wollten sie wegrennen, doch der Mann holte seinen Kollegen und dann waren die zwei schon gefangen, bis die Polizei endlich eintraf. Doch ich kann es dir nicht mehr genau sagen, denn in diesem Moment gabe s nur noch dich. Dein klägliches Wimmern, dein lebloses gesicht. Dein fast nackter Körper, der von Gänsehaut nur so übersäht war und der deine ganzen blauen Flecke zur Geltung brachte. Ich wäre fast zusammengebrochen, wäre da nicht ein Notarzt gewesen, der mich gerade noch so aufhalten konnte, zusammenzuklappen. Sie brachten dich in den Krankenwagen und mich gleich dazu. Die restliche Fahrt schlief ich und sie weckten mich erst, als es früh am Morgen war. Sofort rief ich Mark an und er fuhr mich zur Disco, um meinen Wagen zu holen. Nun ja, dann holte ich deine Sachen und brachte sie dir. Nun ist es schon fast zwei Uhr nachmittags." Zaghaft lächelte sie mich an, doch ich sah den Schmerz in ihren Augen.

Nach ein paar Stunden verabschiedete sie sich und ich bekam mein Abendessen. leider bekam ich keinen Bissen hinunter. Als die Schwester zum abservieren kam, warf sie mir einen prüfenden Blick zu, doch sie sagte nichts. Anscheinend wussten alle über meine Geschichte Bescheid. Na toll..

Ich schlief relativ bald ein und fiel in einen traumlosen Schlaf.

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"Guten Morgen, Frau Humer. Wir müssen die Verbände wechseln und sie müssen ihre Medikamente nehmen." Schlaftrunken sah ich sie an. War ich noch immer im Krankenhaus? Anscheinend schon. Seufzend ließ ich mich aufsitzen und meinen Verband wechseln. Zeitgleich schluckte ich Schmerztabletten und trank meinen Hustensaft. Schnell nahm ich einen großen Schluck Wasser aus meinem Glas. Gott, ich hasste Medizin, doch ich war froh, dass es sie gab. So konnte ich schneller in die Schule. Die meisten werden sich jetzt ans Hirn greifen und mich verwünschen, doch ich mochte es nicht, wenn ich krank war. die meisten Lehrer von uns sagten immer, wenn man sie fragte, was sie am Vortag machten, dass man Mitschüler fragen müsse. Wie ihr richtig erraten könnt, war das bei mir immer etwas schwierig.

Nach dem Frühstück las ich ein Buch und hörte dazu Musik. Beste Kombi ever!
Auch sah ich, dass mir meine Mum eine kurze Sms schrieb,inder sie fragte, ob alles in Ordnung war. Das war doch nicht ihr ernst oder?

Missmutig nahm ich einen Keks und blätterte weiter in dem Buch. Der Tag zog sich ja jetzt schon so in die Länge! Mittagessen wollte ich zwar auch nicht, doch dieses Mal musste ich etwas essen. Widerwillig aß ich das Fleisch auf und machte es mir wieder im Bett gemütlich. Ob mich wohl heute jemand besuchen würde? Auf einmal blinkte mein Handy als Zeichen, das mir jemand schrieb.

Nachricht von Becca(:

Grinsend öffnete ich den Chat und las.

B: Wieso schreibst du denn nicht mehr? Bist du böse auf mich?:(

M: Bin im Krankenhaus. Längere Geschichte. Und nein, bin ich natürlich nicht :o

B: Waas? Wieso? Was ist passiert?

M: Ach, das ist zu lange, um es zu schreiben..

B: Heute fallen die letzten zwei Stunden aus, ich besuche dich einfach!

M: Ach, Becca, das musst du wirklich nicht..

B: Keine Widerrede! :)

M:Okeei, wenn du das sagst. Aber du musst wirklich nicht..

B: Bis in ein paar Stunden! :*

M: Bis dann (:

Lächelnd legte ich mein Handy weg und freute mich auf ihren Besuch. Noch gestern war alles perfekt, doch dann ging alles bergab. Wieder einmal hatte sich meine Einstellung bestätigt. Wenn es zu perfekt war, war es nicht mehr lange so. Wäre ich zuhause geblieben, hätte ich Musik gehört, vielleicht Süßigkeiten gegessen und Serien gekuckt und mich über den Tag gefreut. Tja, doch mein Schicksal wollte es nicht so. Wie immer. Genervt ließ ich meinen Kopf in das Polster sinken. Der ganze gestrige Tag tauchte wieder vor meinen Augen auf. Als ich mich wieder einmal schminkte, und meine Haare lockte.. als ich gutgelaunt auf den Bus wartete und voller Vorfreude aufs haus zurannte und ihre liebevolle Mutter kennenlernte...freudig in ihr Zimmer trat und sogar ihren Bruder kennenlernte..der köstliche Schokokuchen und das noch köstlichere Abendessen.. das wunderschöne Kleid und mein überaus gelungenes Make up.. von da an ging alles den Bach runter..doch ich merkte es erst, als es zu spät war. Wie immer.



Schmerz verändert MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt