°•° 11. Türchen °•°

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Rücklings stolperte ich in die Abstellkammer und stieß dabei mit meinem Fuß an irgendeine Dose, die sogleich laut zur Seite knallte.

Für einen Moment witterte ich den Hauch von einer Chance, Chanyeol könnte es gehört haben und würde mich suchen gehen, doch da bemerkte ich, dass die Tür bereits geschlossen war und man es höchst wahrscheinlich leider nicht gehört hatte.

„Pass doch auf wo du hintrittst, Trampel", zischte eine schrille Stimme durch die Dunkelheit der Kammer.
Nur einen Augenblick später und der Lichtschalter zu der nackten Glühbirne in der Kammer wurde betätigt, sodass schwaches Licht mein Gegenüber beschien.

„Sei gefälligst leise", befahl mir Jacqueline, die sich im nächsten Augenblick bückte, um die Dose, gegen die ich getreten war, zurück in das Regal zu stellen.

„Jacqueline?! Was machst du denn hier?", verwirrt sah ich ihr dabei zu, wie sie die Spraydose zu weiteren Spraydosen und einer roten Leinwand platzierte.

„Das wollte ich dich fragen. Wieviele sind bei dir?", entgegnete Jacqueline nur, während sie sich wieder aufrichtete und mich mit ihren giftgrünen Augen fixierte.

„Chanyeol und ich..."

„Hast du ihm verraten, dass ich hier arbeite?!"

„Bis gerade wusste ich es doch auch nicht! Entspann dich!", versuchte ich die gereizte Jacqueline zu beruhigen. Die zahlreichen Möglichkeiten, die sie zum Morden hatte, müsste ich wohl nicht nochmal wiederholen.

„Wehe du sagst ihm ein einziges Wort."

„Hatte ich nicht vor?"
Vorsichtig hob ich meine Arme ein wenig an, aus Angst, sie würde mich anfallen, doch erstaunlicherweise seufzte sie nur erleichtert.

„Echt? Einfach so? Danke... Ich dachte schon, ich bin aufgeflogen."

Verwirrt kniff ich meine Augen leicht zusammen.
„Im Gegenzug erklärst du mir mal, was das hier soll? Arbeitest du nicht in irgendeinem exklusiven Modegeschäft?"

„Nicht so laut, er könnte uns hören!", zischte Jacqueline wieder auf und sah paranoid zur Tür, aus Angst, sie würde jeden Moment geöffnet werden.

„Jaja", flüsterte ich.

„Also...", Jacqueline sah wieder zu mir. „Erstens ist es nicht irgendein exklusives Modegeschäft, es ist das exklusive Modegeschäft Tiffanys'! Nur Mitglieder haben Zutritt..."

„Ist mir egal", seufzte ich, um Jacquelines Eifer zu unterbrechen, die beim Reden darüber förmlich aufzugehen schien.

„Ehm, ja", Jacqueline räusperte sich und bremste so ihre Begeisterung. „Jedenfalls war das eine Lüge."

„Wie jetzt?"

„Ich habe gelogen. Ich arbeite dort nicht, sie haben mich nicht genommen", Jacqueline seufzte. „Es war das perfekte Alibi für den Job hier, da das niemand überprüfen kann."

„Was ist so schlimm daran, hier zu arbeiten?", lachte ich auf. Jacqueline hatte wirklich interessante Probleme.

„Im Gegensatz zu dir ist es mir peinlich in einem Geschäft bei einer verrückten alten Dame zu sein geschweige denn zu arbeiten."

„So schlecht ist das doch nicht...", lachte ich und erinnerte mich zurück an meine Aushilfszeit hier. „Warum arbeitest du dann überhaupt, wenn es dir doch nicht gefällt?"

„Ich...", Jacqueline sah zu Boden. Zum ersten Mal sah ich etwas ähnliches wie ein Schmunzeln in ihrem Gesicht und einen verträumten Blick, was mich sehr überraschte.
„Ich will von meinem eigens verdienten Geld Chanyeol ein Weihnachtsgeschenk kaufen. Er ist so ein guter bester Freund und ich lieb-"

Sie stockte und fuhr peinlich berührt herum.
Das waren ja ganz überraschende, neue Seiten, die ich hier von ihr sah!

„Deswegen soll ich also kein Wort sagen, es ist dir nicht nur peinlich, du machst es auch noch für Chan-", sie unterbrach mich, indem sie mir sachte mit einer sehr schrillen Lache in die Seite boxte.

Unsicher boxte ich zurück.
War das wirklich Jacqueline, die hier vor mir stand, oder nur ihre gute Zwillingsschwester?

„Du schweigst wirklich?", bekam sie kichernd gerade so heraus.

Bestätigende nickte ich, woraufhin sie gleich noch etwas mehr Freude ausstrahlte.
„Danke. Jede Andere hätte sich das Maul darüber zerissen, ich dachte, du wärst auch so..."

„Ich bin total nett, okay?!", lachte ich unsicher auf. Was sollte ich nur von dieser Situation halten?

„Stimmt... Aber verdammt nervtötend", Jacqueline seufzte, während ich großzügig den Teil mit dem nervtötend überhörte. „Vielleicht sollte ich nicht immer so gereizt auf Jede reagieren, die sich mit Chan anfreundet... Tut mir Leid."

Überrascht schlug ich die Augen auf. Das hier war ein Traum, oder?
Jacqueline war nett? Sie entschuldigte sich bei mir?
Was war hier nur los?

„Kein Ding, ehrlich. Bin nicht nachtragend."

„Wirklich?", Jacqueline lächelte erleichtert.

„Ja...", auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Die neue, nette Jacqueline gefiel mir viel besser als das biestige Etwas, das ich vor Wochen kennengelernt hatte.

Da fiel mir die Schmiererei auf unserem Spint wieder ein.

„Ehm, Jacqueline? Kann ich dich was fragen?"

„Klar."

„Ich habe Spraydosen in deinem Spint gesehen..."

„Was?", Jacqueline konnte ein panischen Aufkreischen gerade so unterdrücken. „Hoffentlich hat sie sonst keiner gesehen..."

Misstrauisch hob ich eine Augenbraue. Sie strittt es nicht ab, war sie es also tatsächlich gewesen?

„Wofür brauchst du die?", hakte ich weiter nach.

Statt mir mit Worten zu antworten, deutete Jacqueline mit ihren langen Fingernägeln hinter mich in das Regal mit den Dosen und der Leinwand.

„Ich muss ein Schild machen und es später auch noch draussen aufhängen... Hoffentlich sieht mich keiner auf der Leiter."

Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen. Zwar war jetzt meine Hauptverdächtige ausgeschlossen, doch nachdem ich gesehen hatte, wie nett Jacqueline eigentlich sein konnte und ich nun endlich auch verstand, warum Chanyeol mit ihr befreundet war, war es mir egal.

„Du hast nicht zufällig damit ein paar Spinte verschönert?", fragte ich trotzdem vorsichtshalber nach.

„Du meinst die Schmiererei, nicht wahr? Ich habe davon gehört... Wenn ich herausfinde, wer sich eine meiner Dosen geklaut hat...", Jacqueline seufzte. „Nein, so neidisch bin ich nicht..."

„Neidisch?"

„Naja, früher hast du-"

Weiter kam sie nicht.
Plötzlich wurde die Tür zur Abstellkammer aufgerissen und Chanyeol stand im Türrahmen.

Schnell war Jacqueline hinter eines der Regale aus seinem Sichtfeld geflohen, sodass nur noch ich vollkommen perplex dastand.

„Alles okay? Was machst du hier alleine? Ich habe Stimmen gehört...", lachte Chanyeol und sah mich neugierig an.

Mein Blick fiel kurz zu Jacqueline, die mich flehend ansah und ihren Finger vor die Lippen presste.

„Das musst du dir eingebildet haben, ich bin erst seit ein paar Minuten hier, weil ich Tante Rosi suche und hier drinnen die Dosen umgeworfen habe", log ich.

„Oh, achso... Tollpatsch", lachte Chanyeol. „Ich habe einen Zettel an der Kasse gefunden. Sie ist beim Arzt und eine Mitarbeiterin soll sie hier vertreten... Aber keiner ist da. Das wird heute nichts."

Er machte anstalten, hinein zu kommen, doch ich kam ihm entgegen und drückte ihn aus der Kammer.

„So ein Jammer aber auch, tja lässt sich nichts machen, wir sollten gehen! Ich kann dir was von meinem Zeug abgeben", lachte ich und schloss hinter mir die Tür zur Abstellkammer.

„Uhm, okay, danke... Wollen wir trotzdem noch vorher irgendwo Kuchen essen gehen?"

Exo Chanyeol • Der NussknackerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt