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Durch Nates Ausrutscher wurde ich beliebter denn je. Denn nicht nur er hatte eine gute Show abgeliefert. Ich hatte mich ebenfalls recht gut in Szene gesetzt. Schließlich war ich die Einzige, die etwas gegen die Schlägerei unternehmen wollte. Damit hatte niemand gerechnet, weshalb es einen umso größeren Überraschungseffekt hatte. Plötzlich beachteten mich die Leute in der Schule. In den Pausen wurde ich oft von mehreren Personen gleichzeitig eingeladen, mich zu ihnen zu setzen. Im Sportunterricht war ich auf Einmal nicht mehr eine der Letzten, die gewählt wurden und ich wurde auf Partys und zum 'Abhängen' eingeladen. Mir gefiel es. Beliebt zu sein, machte Spaß. Ich hatte viele Freunde, die mich mit Aufmerksamkeit überhäuften. Allerdings half mir dies nicht lange, Sam zu vergessen. Sie tauchte immer wieder in meinen Gedanken auf. Oft, wenn ich mit einer neuen Freundin etwas tat, das ich normalerweise mit ihr getan hätte. Und ich fühlte mich irgendwie schuldig. So, als würde ich sie damit verraten. Deswegen verdrängte ich diese Gedanken.

Und dann war da noch diese Sache mit Ethan. Die ersten Tage nach unserem Streit hatte ich mit fürchterlichem Weinen verbracht. Die Küsse waren schuld. Ich vermisste ihn als Freund. Er war mein offenes Ohr, das ich doch so oft brauchte. Und nur, weil wir uns geküsst hatten und er es sofort überbewertet hatte stritten wir uns. Ich wusste gleich, das es eine schlechte Idee war. Ich wusste, ich hätte den Moment zerstören und nach Hause gehen sollen. Aber ich war egoistisch und ich glaubte tatsächlich, das wir es vielleicht hinbekommen hätten.

Ethan sprach nicht mehr mit mir. Nein, er sah mich nicht einmal mehr an. Es war, als wäre ich Luft für ihn. Wir saßen in der Mittagspause oft gemeinsam an einem Tisch, weil seine Freunde mich einluden. Doch selbst da ignorierte er mich oder setzte sich einfach weg. Niemand fragte uns, was zwischen uns vorgefallen war. Ich fand es komisch, denn normalerweise wollten Freunde so etwas doch wissen, oder nicht?

America und Emely konnten ihre Schwierigkeiten nicht regeln und somit wurde America mein Schatten. Sie folgte mir, so gut es ging, auf Schritt und Tritt und ahmte mich nach. Flocht ich meine Haare sagte sie mir mindestens drei Mal am Tag, wie schön es aussieht und machte sich die selbe Frisur (natürlich mit meinem Einverständnis) am darauffolgenden Tag ebenfalls. Am Anfang fand ich es ja noch ziemlich schmeichelnd, aber nach einer Zeit nervte es mich nur noch.

Emely rutschte ohne meinen und Americas Einfluss ab. Umso beliebter ich wurde, desto unbeliebter wurde sie. Schon bald sahen wir sie in den Pausen alleine sitzen. Manchmal saß sie bei Newton, sie schienen sich gut zu verstehen. Einmal fragte ich America: ,,Meinst du nicht ihr habt jetzt genug rumgezickt? Wir könnten sie doch fragen, ob sie heute Mittag auch mit in die Stadt will. Vielleicht könntet ihr euch dann nochmal aussprechen oder so''

America warf mir einen komischen Blick zu. ,,Wie würde das denn bitte aussehen? Wir brauchen diese Außenseiterin nicht mehr. Selbst schuld. Sie hat unsere Aufmerksamkeit nicht verdient. Ich meine, schau mal mit wem die sich abgibt. Newton ist ja wohl das Letzte'' Sie sah mich, auf eine Reaktion meinerseits, wartend an. Ich teilte ihre Ansicht nicht, was ich für mich behielt. Denn ich genoss mein neues Leben und wollte es nicht dadurch verlieren, das ich mich auf die falsche Seite schlug. Eigentlich wollte ich mich nicht an ihrer Lästerei beteiligen, aber ich ging eben lieber auf Nummer sicher. Sie sollte nicht glauben, das ich lieber wieder zu den Unsichtbaren gehören wollte. ,,Du hast recht. Man muss schon ziemlich verzweifelt sein, wenn man Newton braucht'' Diese Worte bereute ich sofort, nachdem sie meinen Mund verlassen hatten. America lächelte mich stolz an, wie als wollte sie sagen: 'Du hast dich richtig entschieden!'

Es war ein Samstag als ich vor dem Spiegel stand und mich für eine Party zurecht machte. Ich freute mich, denn zum ersten Mal, würde ich Spaß haben. So, wie alle Teenager in meinem Alter. Ich würde mich endlich trauen mit meinen Freunden zu Singen und zu Tanzen. Ich würde vielleicht einen netten Jungen kennen lernen. Oder ich wäre zum ersten Mal betrunken. Letzterer Punkt beunruhigte mich etwas, aber ich beschloss, es einfach auf mich zukommen zu lassen. Was konnte schon groß schief gehen? Außerdem war ich ja bei Michael. Seine Eltern waren über's Wochenende weggefahren, weshalb er und sein älterer Bruder das riesige Haus für sich alleine hatten. Ich war bereits ein paar Mal bei Michael gewesen und fühlte mich nie richtig wohl dort. Michael an sich war ein lieber Kerl, aber sein Haus strahlte eine unheimliche Kälte aus. Alles, bis auf die Zimmer der beiden Jungs, war in hellen Tönen gehalten, weswegen ich auch nicht verstand, wie man dort eine Party veranstalten wollte. Aber zu dem Zeitpunkt, an dem es ans Aufräumen ging, würde ich wahrscheinlich bereits Zuhause sein.

The missing girl and her broken pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt