Nachdem ich mein zweites Becks Lemon geleert habe, bereue ich es sichtlich, mir nicht die Kante gegeben zu haben. Alle anderen haben das nämlich getan und ganz ehrlich jetzt – nüchtern betrachtet, macht es einfach keinen Spaß den ganzen Besoffenen zuzusehen. Conny hat auch schon ordentlich einen Sitzen und diskutiert aufgeregt mit Robin und Marco, was mir so gar nicht passt. Ist ja nicht so, als würde ich sie nicht kennen. Um dem Ganzen mal ein bisschen die Luft raus zu nehmen, geselle ich mich zu den dreien, woraufhin Timo, auch einer von Marcels Tanzgruppe, erleichtert aufatmet. Den habe ich nämlich mit einer ausführlichen Erörterung darüber, was die besten Gummibärchen sind, gegen die Wand gelabert. Fand er glaube ich nicht so interessant, aber er saß nun mal in meinem Gesprächsfeld. Pech gehabt.
„Na?" Conny grinst mich an, als ich mich neben sie schmeiße und fast wieder von der Couch geplumpst wäre.
„Was geht bei euch?", meine ich daraufhin und hoffe, dass sie sich benommen hat. Robin zuckt nur lässig mit den Schultern und ich folge Marcos Blick, der auf eine Brünette Barbie gerichtet ist, die unweit von uns an einem der anderen Tische sitzt. Den komischen Schmerz in meiner Brust, verdränge ich und nehme nochmal einen Schluck aus meinem Glas. Conny starrt diese Tussi jetzt auch an, hebt süffisant die Mundwinkel und zwinkert mir zu.
„Meins!", ruft sie laut und wirft die Arme in die Luft, was ihr nur allgemeine Verwirrtheit einbringt.
„Die heiße Braut da." Sie nickt in die Richtung der Brünetten und die Fragezeichen in Robins und Marcos Augen werden noch ein bisschen größer. Conny stöhnt genervt und murmelt etwas wie: „Immer muss man das erklären" und wendet sich zu Marco.
„Keine Chance, Großer. Die ist vom anderen Ufer." Aufmunternd klopft sie ihm auf die Schulter und er zuckt kurz mit dem Kopf.
„Niemals! Wie willst du das wissen?", stößt er ungläubig hervor und Robin schaut noch immer wie ein Auto.
Conny und ich sehen uns an und grinsen.
„Lesbenradar!", schreien wir gleichzeitig und geben uns ein überschwängliches High-Five. Den hat sie wirklich. Keine Ahnung, wie sie das macht, aber es ist wirklich als hätte sie ein Ortungsgerät für Lesben. Die Augen der beiden werden immer größer und Robin grunzt leicht, bevor er sich über Marco beugt und zwischen uns hin und her sieht.
„Du bist lesbisch?" Dabei zeigt er auf meine beste Freundin, die mit hochgezogenen Augenbrauen nickt.
„Und ihr seid b...befreundet?" Nun geht sein Finger auch in meine Richtung und ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht total los zu prusten. Wir sind das ja gewöhnt. Ich weiß nicht woran das liegt, vielleicht weil wir beide nicht unbedingt hässlich sind, aber sobald das männliche Geschlecht das erfährt, geht bei denen ein Kopfkino los. Die denken dann wahrscheinlich an die typischen Hollywood-Pyjama-Partys mit Kissenschlachten und Flaschendrehen. Anschließend fallen wir dann natürlich übereinander her und befummeln uns. Klar, was auch sonst? Da wird der Fakt, dass ich hetero bin gerne mal ignoriert.
Außerdem ist es schließlich bekannt, dass Männer total auf Lesben abfahren. Im wirklichen Leben muss man leider zugeben, dass das meist nicht ganz so abläuft, wie in Pornos. Aber das schnallen die nicht. Die hören ‚Lesbe' und dann wird alles andere ausgeblendet. Und wir wären nicht wir, wenn wir uns nicht jedes Mal einen Spaß daraus machen würden. Also lehne ich mich zu Conny, lege meine Hand auf ihren Oberschenkel und hauche ein verführerisches: „Ja, wieso?". Robin zieht scharf Luft ein und auch Marco starrt uns perplex an. Als meine beste Freundin dann auch noch ihren Arm um meine Taille legt, kann ich mich nicht mehr halten. Nicht, dass der gute Robin an einem Herzinfarkt draufgeht. Wir lachen schallend los und ich schlage ihm leicht gegen die Stirn.
„Mein Gott ey. Krieg diesen Gedanken ganz schnell wieder los.", meine ich noch immer lachend. Sein Gesicht wird knallrot und nach einem leisen „Hui.", steht er auf und läuft zur Bar. Kopfschüttelnd nehme ich noch einen Schluck von meinem Bier und sehe aus dem Augenwinkel, wie Marco sich räuspert und unruhig auf dem Polster herumrutscht, bis er anscheinend wieder eine angenehme Position gefunden hat. Conny grinst verschmitzt, seufzt lautstark und steht mit Blick auf besagte Brünette wieder auf.
„Bis Morgen.", nuschelt sie an mich gewandt und rauscht ab. Da hat sie wohl ein Opfer gefunden, für ihre nächtlichen Aktivitäten. Ich persönlich beschreibe sie immer als die weibliche Version von Charlie Sheen. Sie steht auf heiße Bräute, Scotch und lebt das in vollen Zügen aus. Wieso auch nicht? Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert. Marco beobachtet wie ich, ihren Annäherungsversuch und lacht leise, als man ihren Erfolg sieht.
„Da hätte ich mich wohl ganz schön blamiert." Murmelt er in sein Wasserglas rein und zieht wieder sein Handy aus der Hosentasche. Mein Gott, wie ein 12-Jähriger, der süchtig nach sozialen Medien ist, hängt er über diesem Ding.
„Joa. Habt anscheinend den gleichen Frauengeschmack.", stoße ich hervor und beiße mir im gleichen Moment auf die Zunge. Das klang jetzt nicht so, wie ich es rüberbringen wollte und ich sehe, wie Marco sich ein Schmunzeln verkneift. Nein, ich bin keinesfalls eifersüchtig.
Unsicher suche ich den Club nach Marcel ab, den ich schon mindestens eine halbe Stunde lang vermisse und tippe nervös auf meiner Bierflasche herum. Genau das wollte ich vermeiden. Wir zwei, alleine am Tisch. Mist. Alle anderen sind nämlich auch schon ausgeschwirrt und haben uns Opfer der Nüchternheit einfach zurückgelassen. Seufzend lasse ich mich gegen die Lehne des weißen Ledersofas fallen und gucke summend durch die Gegend. Ich hasse peinliche Stille und wie bereits erwähnt, mag ich es nicht, einfach nur dumm rumzusitzen.
„Sie mag mich nicht besonders.", stellt Marco fest und bricht glücklicherweise unser unangenehmes Schweigen. Mir ist natürlich klar, dass er Conny meint und ich drehe mich mit leicht panischem Augenaufschlag zu ihm.
„Oh Gott, was hat sie gemacht?", frage ich mit viel zu quietschiger Tonlage und räuspere mich daraufhin. Er zuckt nur mit den Schultern, steckt sein iPhone wieder ein und wendet sich auf der Couch, sodass er mir mehr oder weniger gegenüber sitzt.
„Gar nichts, aber sie lässt es einen merken." Seine Lippen verziehen sich zu einem leichten Grinsen und ich hoffe einfach nur, dass sie nichts Blödes gesagt hat.
„Quatsch! Das hast du dir nur eingebildet.", winke ich ab, auch wenn ich genau weiß was er meint. Sie kann das und zwar ziemlich gut. Da reicht ein Augenaufschlag und man weiß, wie doof sie einen findet. Marco zuckt nur wissend mit dem Kopf und ich beobachte seinen Blick, der kurz auf meinem Schal haften bleibt und anschließend wieder meine Augen durchbohrt. Es ist auch schwierig das zu beschreiben, aber die Art wie er mich ansieht ist, als könnte er direkt in meine Seele schauen und das ist mir nicht geheuer. Wenn man jetzt da noch sein charmantes Lächeln hinzu nimmt und die Tatsache, dass er oben ohne auch nicht zu verachten ist, könnte man glatt schwach werden. Tue ich aber nicht und jetzt bin ich diejenige, die ihr Handy hervorkramt. Angestrengt mustere ich mein Display, nur um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Wie geht's deinem Bruder?", fragt er mit einem Nicken auf mein Hintergrundbild und meine Wangen röten sich leicht, sowie ich bemerke, dass er geschnallt hat, dass ich nur auf meinen Startbildschirm starre.
„Gut.", entgegne ich viel zu schnell, was ihm ein Grinsen auf die Lippen zaubert und mache die Tastensperre rein.
„Das Trikot mit den Autogrammen hat er seitdem ununterbrochen an und mittlerweile weiß der ganze Landkreis, dass er euch persönlich kennt.", füge ich hinzu und muss bei dem Gedanken an ihn lächeln. Dieser Sturkopf will nicht mal, dass das Trikot gewaschen wird, weil dann könnte ja der Edding weggehen. Hab ich trotzdem gemacht, sonst wird's irgendwann eklig und bemerkt hat er es auch nicht. Sonst wäre ich wahrscheinlich tot.