5. Kapitel

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Nach der Schule, als ich endlich wieder Zuhause bin, passiert nicht sehr viel. Ich bin gereizt, weil es mich einfach stört, dass ich Will anscheinend verletzt habe. Und gleichzeitig frage ich mich, warum es mich überhaupt stört, dass er so reagiert hat. Warum macht es mich so fertig? Ich kenne Will gar nicht. Wir sind nicht einmal Freunde.

Ich stürme also in mein Zimmer, werfe meinen Rucksack in die dunkelste Ecke und schalte meinen Fernseher an. Jetzt einfach raus aus der realen Welt und etwas Zocken. Ich steige in ein Online Game ein. Meine Finger huschen über die Knöpfe, ich denke an nichts anderes als an das Spiel. Springe über Hindernisse, springe in Sicherheit, ducke mich, versuche das Gegnerische Team einzukreisen. Ich bemerke gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht.

Doch als meine Mutter wütend die Tür auf macht und mich anbrüllt, dass sie mich mehrmals zum Essen gerufen hat und sie jetzt schon vor zwei Stunden gegessen hat, wache ich auf.

„Kannst du nicht einfach mal etwas Normales machen? Anstatt dauernd auf den Bildschirm zu starren?", brüllt sie.

„Was habe ich denn gemacht? Jetzt entspann dich doch mal!"

„Entspannen? Wie wäre es wenn du mal raus gehst Nico, anstatt in deinem dunklen Zimmer zu hocken und dauernd irgendein virtuelles Spiel zu spielen? Wie wäre es wenn du dir mal Freunde suchst?"

Die letzten Worte verletzen mich etwa. Sie denkt also wirklich, dass ich keine Freunde habe. Sie scheint einen Moment später zu begreifen, was sie gesagt hat. Mom wird wieder ruhiger, schließt einen Moment die Augen und atmet tief durch. „Nico, ich-", beginnt sie, doch ich unterbreche sie. „Geh."

„Nico, wirklich Schatz", wow, wie ich es hasse wenn sie mich so nennt, „es war nicht so-"

„Geh einfach Mom, okay?! Du hast schon genug gesagt!"

Jetzt bin ich derjenige der brüllt. Meine Hände sind zu Fäusten geballt und ich atme stoßweise. Sie schaut mich noch einen Moment an, scheint noch etwas sagen zu wollen, doch dann überlegt sie es sich doch anders und verlässt mein Zimmer. Leise schließt sie die Tür, die sie vorhin noch mit voller Wucht aufgeworfen hat. Die Wut baut sich in mir wieder an, ich packe meinen Controller und werfe ihn mit einem kurzen Schrei in die Kissen auf meinem Bett, dann raufe ich mir durch die Haare.

Es ist wirklich kein gutes Gefühl zu wissen, dass seine eigene Mutter denkt, man wäre ein Versager, der nichts im Leben erreicht.

Die Wut lässt immer noch nicht da, in solchen Momenten wünsche ich mir immer, dass ich einen Boxsack hätte. Ich wollte immer schon einen, genau für solche Momente, doch Mom kauft mir einfach keinen. Ich brauche irgendetwas um runter zu kommen. Andere fangen vielleicht an sich zu Ritzen oder zu Rauchen. Ich gehe in die Dusche, mit eiskaltem Wasser. Es fühlt sich dann immer so an, als ob ich Aufwachen würde und mit diesem Aufwachen meine Sorgen, oder in diesem Fall meine Wut, einfach verschwinden würde, wie Träume nach dem Schlaf.

Als ich aus der Dusche komme, mit einem frischen dunklem T-Shirt mit einen Totenkopf darauf und mit einer Jogginghose, höre ich ein Schluchzen von unten. Ich weiß, dass es meine Mom ist. Dass sie weint, weil wir und mal wieder gestritten haben. Das ist so gut wie bei jedem Streit zwischen uns. Doch nie schaffe ich es nach unten zu gehen und mit ihr darüber zu reden. Ich denke jedes Mal darüber nach, ob ich nach unten gehen soll. Doch ich mache es einfach nicht. Ich gehe in mein Zimmer, schalte den Fernseher an und lasse irgendeinen Sender laufen, einfach nur um ein Hintergrundgeräusch zu haben. Ich nehme mein Handy um auf die Uhr zu schauen, doch die Uhrzeit vergesse ich komplett als ich sehe, dass ich eine Nachricht habe.

Von Will.

Einen Moment lang setze ich mich kerzengerade hin. Bilde ich mir das gerade ein? Ich klicke auf den runden Kreis mit Will's Profilbild, der den Chat öffnet.

Hey :)

Einen Moment lang bin ich verwirrt. Er hat mich angeschrieben. Aber warum? Vor allem weil ich ihn anscheinend heute in der Schule irgendwie gekränkt habe. Ich denke nicht weiter darüber nach und antworte einfach.

Hi

Einen Moment lang warte ich. Und er kommt wirklich online und schreibt eine weitere Nachricht. Dabei sollte eigentlich ich schreiben und mich für mein Verhalten in der Schule entschuldigen. Warte, entschuldigen? Eigentlich sind Entschuldigungen nicht mein Ding. Ich entschuldige mich nicht einmal bei Jason und der ist sozusagen mein bester Freund.

Warst heute in der Schule wohl nicht so gut gelaunt, was?

Na ja, kann mal vielleicht so sagen.. Sorry nochmal

Gute Laune.. kommt eher selten bei mir vor, würde ich jetzt mal behaupten.

Sorry für was?

Meinte er das Ernst?!

Für meine bescheuerte Reaktion auf dein Bogenschützen Hobby

Passt schon. :)

Und wenn wir schon beim Thema sind, hast du Bock mal mitzugehen?

Ich lese die Nachricht mehrmals. Mit gehen? Zum Bogenschießen? Ich weiß wirklich nicht was ich davon halten soll. Sport ist nicht mein Ding, hat man ja erst vor ein paar Tagen bemerkt und Bogenschießen...

Ich kann nicht einmal beurteilen, ob es mir Spaß machen würde. Am Ende kann ich es überhaupt nicht und ich spieße aus Versehen noch Jemanden auf.

Weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.

Warum nicht? Probier' es doch mal, ist wirklich ein interessanter Sport.

Ich habe es aber nicht so mit Sport... also lieber nein.

Sicher?

Ja

Will schreibt noch etwas, doch er scheint es sich doch anders zu überlegen, weil er dann nur noch online ist. Ich warte die ganze Zeit, ob noch eine Nachricht kommt, doch es kommt einfach nichts. Damit war dieses Gespräch wohl beendet. Habe ich etwas falsch gemacht? Hätte ich doch mitgehen sollen? Ich weiß es nicht.


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Hey! :)

Hier ist das nächste Kapitel. Danke für insgesamt schon zwei Votes, so schnell geht das also o.o

Bis dann :3 

And then something changedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt