Von der Tür aus konnte man direkt in das Wohnzimmer und in die offene Küche blicken. Die Möbel sahen unberührt und verstaubt aus. In der Wohnung gab es kaum Licht. Die Jalousien waren geschlossen und nur ein kleiner Spalt stand offen. Es roch in der Wohnung, als wäre noch nie zuvor frische Luft herein gelangt. Vorsichtig bahnte ich mir den Weg durch den Abfall, den Dreck und den anderen Krimskrams, der am Boden lag und den Weg versperrte.
Die Wohnung war klein, aber trotzdem dreckig und so ziemlich unbewohnbar. Ich fragte mich, wie man hier wohnen konnte. So ein Leben konnte doch niemand gerne führen. Ich entdeckte zwei weitere Zimmer. Das Badezimmer und das Schlafzimmer. Die Türen waren sperrangelweit offen, so dass ich schon vom Flur aus alles sehen konnte. Ich wusste nicht wonach ich eigentlich genau suchte, aber ich wollte es unbedingt finden, was auch immer es war. Ich hätte mich mit nur einem Hinweis zufriedengegeben.
Ich schaute mich weiter um und begab mich zur Couch. Ich schob den Müll, der auf der Couch lag, beiseite und setzte mich darauf, auch wenn ich mich ekelte. Vor mir befand sich ein Kaffeetisch. Bis zu diesem Zeitpunkt war dieser das einzige Möbelstück und eigentlich generell das einzige Fleckchen, das einigermassen aufgeräumt aussah. Auf ihm befanden sich mehrere Kisten, ungefähr vier. Sie waren zwar etwas angestaubt, sahen aber keineswegs veraltet oder unbenutzt aus. Ich legte eine Kiste nach kurzem Überlegen auf meinem Schoss und öffnete sie. In ihr befand sich lauter Papierkram. Dieser kam mir zuerst unwichtig vor, bis ich bemerkte, dass die Papiere verschmiert und manche gar zerknüllt waren. Waren es etwa Briefe? Solche die Mrs. Rockley geschrieben hatte? Ich hoffte, ich könnte die Handschrift als diese vom angeblichen Todesbrief von Kayla identifizieren, doch ich war mir unsicher. Ich fragte mich, ob das was ich hier gerade tat illegal war. Ich brach förmlich in eine Wohnung ein und schnüffelte in fremdem Eigentum herum. Trotzdem war ich mir sicher, was ich gerade tat, hatte einen Sinn. Ich tat es für Kayla und Darcy. Ich hatte mir geschworen alles zu tun, auch wenn es illegal war. Dieser Gedanke motivierte mich, weiter zu suchen. Was würde mir schon im schlimmsten Fall passieren? Wenn ich so meine geliebte Tochter zurückbekommen würde, war es mir das alles wert.
Ich griff nun endlich nach dem ersten Stück Papier, das ich ergreifen konnte und begann den tatsächlichen Brief zu lesen. Er war ziemlich unwichtig und war an eine Versicherung gerichtet. Jedoch meinte ich die Schrift zu erkennen. Ich war mir sogar ziemlich sicher. Nun drehte ich die Kiste auf den Kopf und liess alles Papier auf den Boden fallen. Ich kniete mich daneben und schaute mir jeden Brief kurz einzeln an. Nichts allzu Spannendes. So liess ich die Unordnung am Boden liegen, was nicht wirklich einen Unterschied machte und schnappte mir eine der anderen Boxen. Diese war überhaupt nicht dreckig und wirkte auf mich als wäre sie vor kurzem geöffnet worden. Ich warf einen Blick hinein und merkte, dass auch diese voller Briefe war. Diese Briefe schienen jedoch irgendwie anders. Anders als die Entwürfe, die ich zuvor analysiert hatte, waren diese sauber und reingeschrieben. Auch diese Box leerte ich aus und schnappte mir einen der Briefe. Ich traute meinen Augen nicht. Ich fasste nicht, was ich in roter Farbe darauf las.
Ich werde ihm sein Leben zur Hölle machen. Er hat mir alles genommen und jetzt wird er es büssen.
Meinte sie etwa mich? Sie konnte es doch nicht bewusst auf mich abgesehen haben, ich hatte ihr schliesslich nichts, rein gar nichts getan. Ich forschte weiter und mein Herz begann immer mehr zu klopfen. Die Blätter schienen immer älter zu werden. Ich fand, als hätte all dieses Papier, das möglicherweise unbedeutend war, einen Zusammenhang. Als könnten sie alles auflösen und alle meine Fragen beantworten. Ich grub weiter in dem Haufen und las jeden einzelnen Brief von vorne bis hinten. Ich begann mit dem Brief, welcher ganz unten gelegen hatte. So langsam kam ich allem auf die Schliche. Alles begann Sinn zu machen.
Ich glaube es einfach nicht. Heute habe ich den Mann gesehen, der mir mein einziges Stück Glück genommen hat. Der Mörder meiner Tochter. Dieser Mistkerl! Ich werde herausfinden wo er wohnt und wie er heisst. So einfach wird er mir nicht entkommen.
Harold Franklin. So heisst er also. Ich erblickte ihn heute im Supermarkt. Er schien glücklich und lächelte vor sich hin. Er trug Jeans und ein schwarzes Shirt. Bei ihm war eine Frau. Ihm wird das Lachen schon noch vergehen.
Was hatte ich getan? Woher wusste sie wer ich war? Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter und ich bekam Angstzustände. Woher kam dieser ganze Hass auf mich? Ich verstand es nicht und fand auch keine Antwort.
Meine Nachbarin meinte heute ich solle mir Hilfe holen. Es geht mir gut. Ich komme damit zu Recht. «Geh in eine Therapie», meinte sie als ich ihr erzählte, dass ich nun auch seine Adresse hätte. So jemand war also meine Freundin. So eine Verräterin! Es ist meine Sache ob ich mein Haus verlasse oder auch nicht. Was soll ich auch draussen?
Harold Franklin hat keine Ahnung. Er hat alles vergessen, doch ich werde es nie vergessen. Niemals. Er kreuzte mit seiner Tochter bei mir in meinem Kindergarten auf. Er konnte lächeln. Er konnte glücklich sein. Doch ich, ich werde dies nie mehr können. Ich muss ihn loswerden. Nicht nur das, auch ich werde ihm sein Wichtigstes nehmen: Seine Tochter.
Sie war es also wirklich. Was hatte sie mit ihr gemacht? Sie hatte es jahrelang geplant und ich war zu dumm um es zu merken. Ich steckte in einer Regenbogenwelt in der alles perfekt war. Ich hatte eine tolle Familie und einen Super-Job. Und jetzt? Jetzt hatte ich nichts mehr.
Darcy heisst die kleine, süsse Maus also. Sie sieht genauso aus wie Emma damals. Wie es bloss in ein paar Jahren sein wird, wenn sie so alt ist wie Emma damals bei ihrem Tod. Wie wunderhübsch die Kleine sein wird. Ich wünschte sie gehörte mir.
Emma? Ich hatte keine Ahnung worum es ging. Die Panik wurde immer grösser. Ich ging meine ganze Vergangenheit durch, doch ich verstand nicht was ich getan haben soll. Sie musste mich mit jemandem verwechseln. Ich war davon überzeugt. Sie hatte dem Falschen alles genommen.
Heute lächelte Darcy, meine Tochter mir zu. Ich kaufte ihr Süssigkeiten und spielte extra lange mit ihr, da sie zu spät abgeholt wurde. Bald wird sie bei mir sein.
Es ist soweit. Heute ist der Tag an dem Darcine endlich bei mir einzieht. Wir werden wiedervereint. Mein Baby und ich.
Harold Franklin war wieder zu spät und ich brachte Darcine zu mir rüber in meine Wohnung. Jetzt wird alles gut werden. Wir werden so schöne Momente erleben. Zuerst wollte sie nicht und weinte, doch ich wusste, dass sie ganz tief in ihrem Herzen froh war, endlich zu ihrer Mutter zu können. Jetzt bleibt sie bei mir für immer. In Sicherheit. Niemand wird sie finden. Unten.
Ich begann innerlich zu weinen. Sie dachte tatsächlich Darcy wäre ihre Tochter. Wie psychisch krank musste man denn sein, um auf so eine Idee zu kommen. Wie konnte mir nicht auffallen, wie es wirklich in ihrem Innern aussah? Wo war Unten?
Kayla Franklin tauchte im Kindergarten auf. Ich wollte aufräumen und sie stürmte herein. Diese Irre! Sie wollte mir meine Tochter wegnehmen! Was dachte sie sich bloss dabei? Sie hielt mein Kind doch tatsächlich für ihres. Auch sie musste büssen. Sie bekam die Rache, die sie verdiente. Sie drohte mir mit der Polizei. Ich tat alles richtig! Ich muss meine Tochter an einem anderen Ort verstecken. Es gibt nur einen Ort an dem sie sicher ist. Niemand wird sie mir jemals wieder wegnehmen. Sie gehört mir und zwar nur mir. Ich kann entscheiden wie und ob sie lebt. Sie wird
Der Brief endete mitten im Satz. Es war der letzte Brief der Kiste. Blitzartig schnappte ich mir die beiden anderen Boxen, leerte sie aus und durchwühlte sie. Keine Briefe mehr. Für mich klang es, als hätte sie meine Tochter getötet. Etwas Anderes konnte ich mir nicht vorstellen. Ich versuchte dies zu verarbeiten. Ich wollte weinen, doch schaffte es nicht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Meine Tochter war vier Jahre alt. Vier. Ich rieb mir über mein Gesicht und atmete tief ein. Was jetzt? Was konnte ich noch tun?
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KIDNAPPED || H.S. Fanfiction German
FanfictionWas, wenn plötzlich das Wichtigste aus deinem Leben von einem Moment auf den anderen einfach nicht mehr da ist? Was wenn man keine einzige Spur findet und jahrelang in Ungewissheit lebt? Harold Franklin erlebte genau das. Plötzlich wurde seine vier...