Kapitel 3

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Je länger die Fahrt dauert, je weiter ich mich von Zuhause entferne, desto mehr Zweifel hege ich.
Es ist bestimmt nicht mehr weit bis zum Bahnhof und ich sollte mir schläunigst etwas einfallen lassen, wie ich weiter machen soll.
Ich ziehe mein Handy aus dem überfüllten Rucksack und google einfach.
Mein Datenvolumen ist so gut wie aufgebraucht, weshalb es schier eine Ewigkeit dauert, bis es geladen hat.
Gebannt starre ich auf das erleuchtete Display.
Morgen Nachmittag ist ein kleines Konzert in dieser einen Halle im Norden von Seoul.
Mein Herz hüpft vor Aufregung.
Ich brauche bloß in den Zug zu steigen und fahre ohne umzusteigen ein paar Stationen.
Vor lauter Freude wäre ich beinahe in die Luft gesprungen, kann mich aber im letzten Moment noch beherschen.
So glücklich war ich seit langem nicht mehr!
Ohne es zu wollen grinse ich über das gesamte Gesicht und lehne meine Stirn an die kalte Scheibe.
Ich kann es kaum mehr erwarten!
Der Streit mit meinen Eltern ist vergessen.

Langsam kommen die Lichter des Bahnhofs in Sicht.
Der Bus hält vor der großen Eingangstür und ich sprinte hinaus.
Laut meiner Uhr kommt der Zug, der mich zur Konzerthalle bringt, in 2 Minuten.
Bis dahin muss ich ein Ticket gekauft und den Bahnsteig gefunden haben.
Ich drängel mich durch die Menschenmassen.
1 Minute noch.
Das schaffe ich doch nie!
Ich bin gerade mal am Ticketautomat und schon wird die Ankunft des Zuges angesagt.
Verdammt!
Ich ziehe das Ticket und renne hoch zum Bahngleis.
Der Zug steht schon da.
Bitte, flehe ich, bitte fahr noch nicht los!
Mein Gebet scheint niemand erhört zu haben, denn als ich die letzte Stufe der Treppe erreiche fährt er schon los und lässt mich keuchend am überfüllten Gleis zurück.
Das darf doch nicht wahr sein!
Missmutig drängel ich mich wieder zurück nach unten, um an einen der Ausgänge zu schauen, wann der nächste kommt.
Ich scheine heute doch kein Glück zu haben.
Der nächste Zug sollte eigentlich in 1 Stunde kommen, aber er wurde gestrichen, weshalb ich jetzt 2 Stunden hier warten muss.

Ich setzte mich in eines dieser ekligen kleines Cafés an einen leeren Tisch und bestelle mir eine Cola.
Ich raufe mir die Haare und starre auf den Becher vor mir.
Was soll ich jetzt die ganze Zeit machen?!
Wenigstens habe ich schon dafür gesorgt, dass ich nicht einschlafe...
Während ich darauf warte, das die Zeit vergeht, lasse ich meine Gedanken etwas schweifen.
Ich werde wahrscheinlich spät Abends mit dem Zug ankommen und mir dann einfach ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe nehmen.
Ich google noch ein wenig, um sicher zu sein, wo ich da genau hin muss.
Es gibt sogar ein preiswertes.
Das Konzert würde am nächsten Nachmittag stattfinden.
Ob ich genügend Geld habe, wird sich erst noch herausstellen und sollte es nicht reichen, dann könnte ich mich immer noch vor den Eingangsbereich stellen, wie alle anderen Fans auch, und darauf warten das Youngjae herauskommt.
Aber unter den ganzen anderen, wie soll er mich da sehen?!
Würde er mich überhaupt wiedererkennen? Zweifel macht sich plötzlich in mir breit.
Wir haben uns ja schon seit mehreren Jahren nicht gesehen und ich habe mich bestimmt auch äußerlichen verändert...
Und was, wenn er mich erkennt?
Würde er mich unterstützen?
Gegen unsere Eltern? Wohl kaum...
Ich knabbere ratlos an meinen Fingernägeln.
Trotzdem muss ich es wenigstens versuchen!
Mein Handy summt plötzlich.
Erschrocken starre ich auf die Nachricht.

Eomma: Nari?
Wo zum Teufel bist du?!
Du weißt ganz genau, dass du
abends nicht mehr weggehen darfst!
Daran hast du dich gefälligst zu halten!
Dein Vater und ich erwarten, dass du in der nächsten halben Stunde hier wieder auftauchst, sonst wird das für dich Folgen haben, junge Dame!

Ich starre auf mein Handy.
Ich war so naiv zu glauben, dass ich Abstand von meinen Eltern hätte, wenn ich nur von zu Hause fort wäre.
Sie verfolgen mich einfach, egal wohin ich gehen würde.
Wieder muss ich an Youngjae denken.
Ihn verfolgen sie nicht...
Bevor ich diesen Gedanken überhaupt zu Ende gebracht habe, fällt es mir wahrhaftig wie Schuppen von den Augen.
Wie blöd ich doch bin!
Er hat es doch genau richtig gemacht!
Den Kontakt abbrechen, sonst hätten sie ihn ja auch nie in Ruhe gelassen.
Ich lächel.
Das kann ich auch!
Ich durchsuche mein Handy und blockiere alle meine Verwandten.
Bei meinen Eltern zögere ich trotzdem.
Ist es nicht vielleicht doch etwas hart?
Ich meine, wenn ihre beiden Kinder nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen?
Fast hätte ich es nicht getan, wenn nicht in diesem Moment eine neue Nachricht gekommen wäre.

Eomma: Langsam reicht es!
Du erlaubst dir einfach zu viele Fehltritte und die Konsequenzen musst du dann tragen.
Dein Vater und ich haben beschlossen, einiges zu ändern!
Du wirst uns nicht mehr so leicht davon kommen, wie das bisher der Fall war.
Das bedeutet, Studiengebühren und andere Kleinigkeiten wirst du selbst bezahlen müssen, damit du endlich verstehst, dass das hier kein Spaß ist.
Es geht um deine Zukunft!
Denk mal darüber nach.
Du solltest jetzt eigentlich zu Hause sitzen und für nächstes Jahr Schulstoff vorarbeiten, stattdessen treibst du dich irgendwo herum und vergisst wieder völlig, dass wir uns um dich bemühen.
Mach dich schon einmal seelisch auf ein langes Gespräch für morgen bereit.
Eomma

Was soll das?!
Als ob ich in den großen Ferien einmal in meine Schulbücher schauen würde!
Wütend tippe ich eine schnelle Nachricht und schicke sie zurück.

Nari: Nur als kleine Info: ich werde heute definitiv nicht mehr nach Hause kommen und das mit dem Gespräch könnt ihr auch gleich mal verschieben.
Ich habe mich entschlossen eine Auszeit von euch zu nehmen, d.h. ich werde ein paar Wochen woanders verbringen, also regt euch nicht auf und ruft nicht die Polizei oder so.
Mit freundlichen Grüßen
Eure Nari

Die letzten Worte hämmere ich auf die Tastatur.
Dann blockiere ich beide und schleuder mein Handy in den Rucksack.
Ich atme hörbar aus.
Frust ablassen ist immer das schönste.
Etwas entspannter lehne ich mich zurück und trinke meine Cola.

Es ist jetzt schon mehr als eine Stunde vergangen und so mache ich mich langsam auf den Weg zum Gleis.
Überpünktlich entwerte ich mein Ticket und steige wenig später auch schon in den Zug.
Zum Glück finde ich ein noch leeres Abteil und mache mich auf vier Sitzen breit.
Zwei für mein Gepäck und zwei für mich und meine Füße.
Jetzt bin ich wirklich entspannt.
Ich schaue aus dem Fenster, wärend draußen in der Dunkelheit kleine Lichter von den Laternen an mir vorbei ziehen.
Wegen des kalten hellen Lichtes fällt es mir schwer die Augen zu schließen, obwohl ich todmüde bin.
Wärend der gesamten Fahrt versuche ich mir vorzustellen, wie unser Treffen wohl werden wird.
Wird Youngjae mich umarmen oder mich wieder hoch heben, so wie früher?
Egal wie viele schönen Szenen ich mir ausmale, desto mehr Zweifel kommen in mir auf.
Vielleicht wird er mich ignorieren.
Vielleicht hat er mich auch geblockt, da er totalen Abstand von der gesamten Familie möchte und somit überhaupt nicht erfreut ist, wenn ich aufkreuze.
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.
Hätte ich vor dieser Aktion doch lieber mal nachgedacht.
Obwohl... wer weiß, ob ich es dann überhaupt noch gemacht hätte.

Ich steige aus.
Die kühle Nachtluft lässt mich frösteln, weshalb ich mir schnell eine Jacke überziehe und dem Navi meines Handys folge.
Ich bin nicht allzu weit von der Halle entfernt und trotzdem zu müde, um sie mir wenigstens noch einmal anzuschauen.
Morgen wird sich schon alles zeigen.
Ich gähne.
Schnell bin ich an dem besagten Hotel und gehe in die warme Lobby.
Ich atme die etwas stickige Luft ein.
Etwas zögerlich gehe ich zum Empfangstresen und klingel.
Ich muss nicht lange warten und schon kommt ein sehr sympathischer junger Mann, vielleicht nur 2 Jahre älter als ich, und stellt sich hinter den Tresen.
"Guten Abend." Er lächelt mich freundlich an.
"Hi." Grüße ich etwas schüchtern zurück.
"Wie kann ich dir helfen?"
Ich überlege kurz.
"Ein Zimmer."
Er schaut mich verwundert an.
"Das geht leider nur mit deinem Ausweis."
Ach Verdammt!
"Ich... ich habe ihn vergessen." Murmel ich.
"Wie alt bist du denn?"
Ich wollte schon antworten, das ich 17 bin, als ich mich eines besseren besinne.
"Ich werde übermorgen 18 Jahre alt und da meine Freunde eine große Überraschung planen, haben wir vereinbart, dass ich für zwei Nächte woanders schlafe... ich... war bis jetzt unterwegs und dachte mir, hier wäre es super." Ich lächel entschuldigend und hoffe, das es ehrlich erscheint.
Der Mann scheint zu überlegen.
"Na ja... eigentlich darf ich dir nur eines geben, wenn du einen Ausweis dabei hast und vorweisen kannst, dass du 18 Jahre alt bist..."
"Ach bitte!" Ich versuche es anders.
Er seufzt nur.
"Das bleibt aber unter uns." Flüstert er mir nur zu, als er mir den Schlüssel über den Tresen schiebt.
Ich nicke dankbar und renne die Treppe zu den Zimmern hoch.
Ich bin todmüde, als ich die Tür meines Zimmers öffne.
Es ist ein kleiner Raum mit Bett und einem angrenzendem Badezimmer.
Ich werfe meinen Rucksack einfach in eine Ecke und lasse mich auf das Bett fallen, bevor ich meine Augen schließe und in einen traumlosen Schlaf gleite.

Fly With U [GOT7]Where stories live. Discover now