Kapitel 2 {Weiss}

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Das mit meiner eigenen Geschichte musste ich nochmals überarbeiten.
Denn DJ hatte mich eiskalt verarscht.
Diese angebliche Veranstaltung bestand aus nichts weiter als einige Nonnen die lächelnd Suppe und Brot an Leute verteilten die gierig danach griffen und die Holztische auf dem kleinen Platz vor der alten Kirche füllten.
Es war in der Mitte eines Hofes, wo einige verlassene Häuser standen und es perfekt abdichteten, sodass man nicht gestört wurde und nur durch den einen Eingang wieder von dem Platz weg konnte.
Die Dächer warfen etwas Schatten auf den Platz, wo die Nonnen nun das Brot aufschnitten und gemeinsam mit den Leuten beteten.
Ich lehnte an der Wand und hatte mir das Essen geholt, ohne mit zu beten. Das war nichts für mich. Beten half nichts, so verbittert das sich auch anhören mochte.
Ich war eigentlich zu stolz um hierher zu kommen, aber jetzt wo ich schon da war nützte es nichts, einfach wieder abzuhauen, auch wenn ich es durchaus in Betracht gezogen hatte.
Ich hatte als Kind oft gebetet, doch es hatte mir nie Jemand geholfen, nicht einmal als ich es am dringendsten brauchte. Es war nicht mehr als Betrügerei und dazu da, arme, gläubige Menschen noch tiefer in den Abgrund zu stossen und sie mit falschen Hoffnungen zu füttern.
Und deshalb würde ich nie wieder ein Gebet in den Mund nehmen.
Die Nonnen hatten es bemerkt aber neben einigen netten Blicken nichts gesagt.
Das machte meine Wut nur noch grösser und ich schlang die Suppe und das Brot kurzerhand hinunter, während ich noch ein klein wenig mehr in meine Tasche stopfte.
Als Vorsorge für morgen.
Das Geplapper der Leute war laut und ich sah das erste Mal seit langem etwas wie Freude in ihren schmutzigen Gesichtern.
Denn egal wie verschlossen man war, jeder Mensch mochte es, unter anderen zu sein. Mit jemanden zu reden und zu lachen. Menschliche Nähe zu geniessen, eben.
Missmutig hörte ich eine Weile zu, während der Geruch nach Essen die Luft erfüllte.
Ich blieb im Schatten, selbst wenn mir die Wärme der Sonne gut tun würde, die nur so selten hinter den grauen Wolken hervor guckte.
Dann verfluchte ich DJ dafür, dass er mir Hoffnung gegeben hatte, etwas anderes aus mir zu machen, er hatte mich einfach nur auf seine Art ausgelacht und ich war so dumm gewesen ihm zu glauben.
So war ich eigentlich nicht, aber die Hoffnung hatte wohl meine Wahrnehmung getrübt.
Ich stiess mich von der Mauer weg, die meinen Rücken gestärkt hatte und ging los. Auf den Ausgang zu, weil ich mir je länger desto erbärmlicher vorkam.
In diesem Moment teilte sich die Menge kurz, die Nonnen standen so dass sich eine kleine Lücke in der Reihe bildete und ich erkannte einen Mann ganz in Schwarz, dem einige verwirrte aber ziemlich bereitwillige Jugendliche folgten. Gedevkt von der Menge an Obdachlosen und sonstigen Armen Menschen, die davon nichts mitbekamen. Und wenn die Nonnen wussten, was hier vorging, dass zuckten sie nicht mit der Wimper.
Sie liefen geradewegs auf die Hausecke in der Nähe von mir zu, da war aber kein Durchgang.
Aufregung machte sich in mir breit und ich runzelte die Stirn.
Hatte DJ mich doch nicht verarscht?
Sofort hielt ich an und drehte um, während ich mich nun durch die Menge boxte, um hinter die Nonnen zu gelangen, die mich etwas scheltend ansahen, weil ich so unsanft zu den "Kreaturen Gottes" sei.
Ich ignoriert sie einfach, weil ich schon lange aufgehört hatte den Zorn Gottes zu fürchten.
Denn mich hatte es auch ohne das Getroffen.
Ich versuchte, die kleine Gruppe nicht aus den Augen zu lassen und reckte den Kopf, während ich durch die Menge der Anstehenden fürs Essen eilte, die den Blick auf die Wand komplett abdichteten.
Ich traute meinen Augen kaum, aber sie gingen durch die Wand.
Der verhüllte schwarze Mann ging voraus, hinter ihm folgten, mehr oder weniger entschlossen, die fünf Jugendlichen, die laut meiner Beobachtung auch Angst hatten in eine Wand rein zu laufen.
Langsam lief ich ihnen nach und sah wie der letzte an der Stelle verschwand.
Baff folgte ich nach einer Minute und stellte mich vor die Wand.
Ich tastete sie misstrauisch ab, aber die Rauen Ziegelsteine im Ecken, wo sich die Mauern der umstehenden Häusern trafen, waren alles was ich spürte, es war wirklich nicht normal.
Oder aber die Nonnen hatten uns vergiftet und das hier waren Wahnvorstellungen.
Das wäre allerdings nicht sonderlich realistisch.
Fluchend verschränkte ich die Arme, ich hatte es doch gesehen, wie war es möglich dass sie einfach verschwunden waren?
Frustriert schlug ich gegen die Wand. Dann bemerkte ich ein Loch weiter unten. Es ragte unter der Mauer hervor, als wäre diese über dem Nichts erbaut worden.
Aufmerksam schon ich meine Hand unten rein und spürte auf der anderen Seite Boden.
Sauberen Boden.
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.
Hatte ich es doch gewusst.
Ich begann, mich in das Loch zu quetschen.
Ich kam mir vor wie in einem dieser High Tec Zukunfts Filme, wo die Hauptperson gerade das Portal zu einer anderen Welt fand.
Und das war es ja auch, nur nicht direkt in eine andere Welt sondern vielleicht in ein anderes Leben.
Ich plumpste nach unten und landete nur wenige Meter unterhalb des Loches auf den Füssen.
Ich blixkte hoch und in diesem Moment schob sich die Mauer wie aus Wunderhand wieder über das Loch. Verdammt, raus kommen war wohl keine Option mehr. Wahnsinn, wie es sowas in einem Armenviertel neben einer Kirche geben konnte. Und ich hatte es in all den Jahren nicht bemerkt. Wie dumm.
Dann blickte ich nach vorne. Der Gang, der sich nun breit vor mir erstreckte war weiss. Kein Schmutz zu sehen, kein einziger Fleck.
Es kam mir beinahe gespenstisch vor, wie schmutzig und heruntergekommen die Kulisse war, und wie sauber und rein das Verborgene war, das man nicht sehen konnte, wenn man sich nicht genauer darauf einliess.
Etwas wie bei uns Menschen.
Vielleicht sah meine Fassade schmutzig aus, aber niemand der mich nicht näher  kennen lernen wollte, sah nie wie es in meinem Innern aussah.
Ich fuhr über die Glatte Oberfläche der Wand neben mir, fasziniert davon, was sich mir für ein Anblick bot.
Ein Teil von mir hatte Schiss, diesem Gang ins Ungewisse zu folgen, doch der grössere Teil wollte in dieses neue Leben marschieren, erleben was ich noch nie erlebt hatte. Etwas gutes.
Ich mache einen Schritt, damit gefasst dass Fangnetze aus den Wänden kamen oder ein schriller Alarm los ging.
Doch es war nur ein ganz normaler Gang.
Ein weisser gerader Gang, der leicht nach unten führte und der plötzlich dunkel wurde. Als hätte wer die Neonröhren an der Decke über mir ausgeschaltet. So hatte ich keine Ahnung, wie weit der Gang ins Nichts führte. Ich besass auch keine Taschenlampe, geschweige denn ein Handy.
Trotzdem hatte ich keine Angst im Dunkeln, auch wenn ich allen Grund dazu hatte.
Ich konnte bleiben und warten bis sich diese Luke irgendwann wieder öffnete, oder einen Versuch starten, mir ein neues Leben zu beschaffen.
Es war ganz klar was ich tun würde.
Meine Schritte hallten leise auf dem flachen Boden, als würden sie wie ein Echo den Gang erkunden.
Ich wurde vollständig von Dunkelheit verschluckt.
Es gab jetzt kein Zurück mehr, also ging ich weiter.
In die Dunkelheit, die gleichzeitig ein Tunnel in etwas Neues, Unbekanntes führte.
Ich horchte auf meine Schritte, fuhr mit der Hand der ebenmässigen Wand entlang, um mich zurecht zu finden, da all meine Anderen Sinne komplett versagt hatten.
Ich versuchte zu hören, doch da war nur mein eigenes Atmen.
Ich versuchte zu sehen doch da war Schwärze.
Ich atmete, es roch nach nichts.
Es fühlte sich an wie eine Zwischenwelt, die ich gerade durchquerte.
Ich versuchte mich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch als ich nach einer Minute gerade mal den ungenauen Umriss der Wände neben mir erkannte, runzelte ich die Stirn.
Mittlerweile konnte ich nicht mehr schätzen wie tief hinunter ich gelaufen war, die Steigung war nicht Steil nach unten gerichtet, aber mittlerweile mussten es mindestens zehn Meter sein..oder doch weniger? Vielleicht auch mehr.
Ich wusste es nicht, und langsam wurde ich etwas unruhig, denn das Hallen meiner Füsse wurde von vorne her schneller zurück geworfen.
Das hiess bald musste ich auf etwas anderes stossen.
Vielleicht eine Tür oder den Eingang.
Langsam streckte ich die Hand nach vorne aus, in der Dunkelheit verschwand sie als wäre sie nie da gewesen.
Dann stiess ich mit den Fingerspitzen an etwas hartes, es fühlte sich an wie Stoff..und darunter war noch irgendetwas anderes.
Ich erstarrte, als ich einen Puls fühlte.
Beinahe hätte ich aufgeschrien, denn in meiner Fantasie machten sich bereits wieder Gedanken über Leichen Haufen breit, die hier verborgen sein konnten.
Ich hatte keine wirklichen Grenzen mehr, wenn es um das Handeln der Menschen ging, was ich ihnen alles zutraute war erschreckend.
Ein kalter Schweiss brach aus und durchfuhr meinen Körper wie ein Schwall kaltes Wasser das an mir hinunter lief.
Dann ging auf einmal ein Licht an.
Es war so hell, dass das Weiss der Wände es noch tausendfach zurück warfen, und meine Augen so blendeten dass ich nicht anders konnte als zurück zu weichen und sie zu schliessen.
Es war mein erster Reflex und ich konnte es nicht verhindern.
In diesem Moment war ich völlig wehrlos.
Blind holte ich aus, Angriff war die beste Verteidigung und vielleicht schaffte ich mir so einen Vorteil.
Doch meine Hand wurde abgefangen und Starke Finger schlossen sich um mein Gelenk, bevor sie meine Arme auf den Rücken drehten und schmerzhaft zu drückten, sodass ich gezwungen war auf die Knie zu gehen, wenn ich meine Arme nicht gebrochen haben wollte. Ich zischte schmerzerfüllt auf.
Es ging so blitzschnell, ich hatte nicht einmal die Zeit zu handeln, der Griff war so stark und geübt dass ich unter ging, unter dem schweren Körper der mich zu Boden drückte wie ein Stück Metall im Meer.
Schmerzhaft verzog ich das Gesicht und bewegte mich nicht um meine Arme nicht auszukugeln.
Die Haare hingen mir ins Gesicht, mein Körper lag fest auf den kalten Boden gepresst da.
Mein Herz raste in meiner Brust und drohte hinaus zu springen, ich spürte den Puls selbst in meinem Hals pochen.
Als ich mich nicht bewegte, liess der Druck von mir etwas ab, wer auch immer es gewesen war musste sich wohl aufgerichtet haben.
Dann öffnete ich die Augen, den Boden unter mir sah ich nach einigem Blinzeln etwas besser, und das Piepen in meinem Ohr verschwand ebenfalls.
Dann wurde ich unsanft an der Schulter gepackt und herum gerissen, sodass ich mit dem Rücken über den Boden schrammte.
Meine Haare flogen über mein Gesicht und ich richtete die Augen nach oben, ein Gesicht verdeckte das grelle Licht der Lampen, sodass sich mein Blick direkt in ein graues Augenpaar bohrten.
Es war ein junger Mann, höchstens ein zwei Jahre älter als ich.
Er hielt mich immer noch unter sich fest, ich hatte keine Möglichkeit mich auch nur zu bewegen.
Nur meine Brust hob und senkte sich viel zu schnell.
Ich starrte ihn an, die braunen zerzausten Haare, eine Strähne verirrte sich in seine Stirn und die Grauen Augen sahen aus als wüte ein Sturm darin.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich kurz überrascht, bevor er sich wieder gefangen hatte.
"Eine Frau?"
Fragte er mehr zu sich selbst als zu mir, während er langsam an meiner schäbigen Kleidung hinunter sah und danach einen Schritt zurück machte, um mich los zu lassen.
Und prompt wurde ich wütend.
Was brachte ihn dazu mich los zu lassen?
Nur weil ich eine Frau war? Dachte er ich sei so schwach und bemitleidenswert dass er mich nicht wie jeden anderen behandeln konnte?
Knurrend fuhr ich hoch und richtete mich auf, der Mann war ein gutes Stück grösser als ich und zudem etwa doppelt so breit wie ich, was aber nicht schwer war.
Er war wirklich muskulös, aber das interessierte mich nicht, viel mehr wartete ich seine nächste Bewegung ab um ihm zu entwischen und den Tunnel wieder zurück zu rennen.
Doch das klappte irgendwie nicht.
Er sah mich unentwegt und wachsam an.
"Wie bist du hier rein gekommen?"
Fragte er, während ich die Lippen zusammen presste.
Ich überlegte, ich könnte ja auch schweigen, doch eine Antwort brannte mir viel zu sehr auf der Zunge als dass ich schweigen konnte.
"Das geht dich überhaupt nichts an!"
Fauchte ich und versuchte mich so unberührt wie möglich gerade hin zu stellen.
Vielleicht liess er mich ja dann in Ruhe, wenn ich keine gewünschte Reaktion zeigte. Wenn er sah dass ich nicht schwach war.
Doch innerlich war ich ziemlich erschrocken, bereits die ersten Fragen rasten in meinem Innern.
"Was hast du gesehen?"
Seine Stimme war abgekühlt und sachlich, doch ich wusste, dass da mehr dahinter steckte.
Und dass es eventuell mit meiner körperlichen Gesundheit zusammen hing, was ich jetzt antwortete.
Ich hob den Kopf, in Sekunden Schnelle musste ich eine Antwort heraus kramen, die mich in diesem verschlossenen Gang mit einem gefährlichen Jungen retten könnte.
"Alles. Ich habe alles gesehen."
Ich hatte gar nichts gesehen und wirklich keine Ahnung, um was es hier ging.
Aber dieser Bluff rettete mir das Leben.

Gespannt wieso? Vermutungen könnt ihr gerne in die Kommentare schreiben^^
Auch in diesem Buch werde ich es so machen, dass am Ende, wenn es fertig ist die Schönsten Kommentare mit Erwähnung auf die Titelseite schreiben werde und zudem alle Kapitel einem schönen Kommentar mit etwas Werbung gewidmet werden.^^ dafür müsst ihr mir nur folgen und kommentieren, wenn iht aber keine Lust darauf habt, dann lest einfach und habt Spass dabei
Love
Angora77

Poisoned Kiss *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt