V I C T O R I A
"Eure Majestät." Etwas verspätet fiel ich vor dem König in einen tiefen Knicks und verweilte so einige Sekunden, bis er mich an der Hand hoch zog. "Es ist mir eine Ehre Euch kennen zu lernen."
"Die Freude ist ganz meinerseits.", entgegnete König Aleksander mit einem tiefen Lachen. Warum lachte er? "Ihr seht aus wie eure Mutter, nur die Augen habt Ihr von eurem Vater."
Na super, die alte Leier. Jedes Mal, jedes gottverdammte Mal, wenn ich jemanden aus Vaters Jugend traf, hauten sie den selben Satz raus. Als ob ich nicht wüsste wie ich aussah. Während der König sich also mit meinem Vater über 'Die guten alten Zeiten' unterhielt, versuchte ich dem Blick des Prinzen auszuweichen, sah mich im Raum um und betrachtete meinen König.
Er war im selben Alter wie mein Vater, hatte braune Augen und war stark ergraut. Mir gingen die Geschichten wieder durch den Kopf, die mein Vater mir und Valentin erzählt hatte als wir noch Kinder waren. Wie er zum Knappen des damals besten Ritters ernannt wurde und wie er hier ins Schloss kam. Er war allein, von mittleren Rang und kannte niemanden, doch gleich am ersten Tag hat er aus Versehen einen jungen seines Alters angerempelt, der sich als zukünftiger König herausstellte. Mein Vater entschuldigte sich hundertmal und hatte schreckliche Angst, doch anstatt ihn auszupeitschen, wiegelte der junge Prinz Aleksander den Vorfall mit einer Handbewegung ab und nahm meinen Vater mit zu den Stallungen um ihm seine Pferde zu zeigen. Das war immer mein Lieblingsteil der Geschichte. Nicht weil mein Vater die Gunst des Königs bekam und im Rang aufstieg, sondern weil der zukünftige König so gütig war und sich nicht als Ach-so-mächtiger-Typ aufspielte, der jedem seine Macht demonstrieren wollte.
"Wir lassen euch dann mal allein, damit ihr beiden euch, nun ja, besser kennenlernen könnt." Wie zwei alte Tratschtanten tauschten die alten Freunde bedeutungsvolle Blicke.
Ich wollte protestieren. Unter keinen Umständen wollte ich mit diesem Weiberheld allein sein, wer weiß was der vorhatte, wenn er sexuell frustriert war! Mein Vater, der meinen Gedanken wohl erraten hatte, warf mir einen Blick zu, der eindeutig war. Tu was man dir sagt. Der König hatte gesprochen und mir blieb keine Wahl, wenn ich meine Familie nicht komplett blamieren wollte.
Als die beiden Älteren das Zimmer verlassen hatten, wurde es still. Unangenehm still. Fieberhaft überlegte ich was zum Henker ich nun tun sollte, wie ich mich verhalten sollte. Noch bevor ich eine Entscheidung treffen konnte ergriff der Prinz das Wort und rettete mich aus meiner misslichen Lage.
"Gefällt euch Levien?" Eine unverfängliche Frage, gut so.
"Ich habe mich noch nicht entschieden. Es ist so anders als Zuhause." Um nicht steif rumzustehen setzte ich mich in Bewegung und gab vor mir die Karte des Königreiches, der einzige Wandbehang an den kahlen Wänden, anzusehen.
"Ja, anders ist es wohl." Ich warf einen Blick über die Schulter. Der Prinz hatte sich nicht von der Stelle bewegt, lehnte am Schreibtisch seines Vaters, die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt. Ich beneidete ihn um seine Ruhe. In meinem Inneren herrschte Chaos. Mein Leben stand momentan an der Schwelle zu einer drastischen Veränderung und die sah momentan nicht sehr positiv aus.
"Ihr seid vom Land habe ich gehört." Er hob die Augenbrauen und sah mich erneut von oben bis unten an. Es war keine Frage, aber ich hatte das Bedürfnis zu antworten und mich und meine Herkunft zu verteidigen.
"Ich würde es nicht Land nennen. Sommerhill ist zugegeben ein Grenzbereich," Mit den Fingern fuhr ich die Umrandungen meiner Heimat auf der Karte nach. "aber es ist kein Dorf." Als ich seinen Blick sah, der deutlich machte, dass er das anders sah, musste ich mich zusammen reißen um nicht noch weiter zu sprechen. Gerne würde ich ihm sagen, er solle nicht so arrogant sein und mich als Dorftrottel abstempeln, aber Vater würde mich dafür umbringen und ich war definitiv noch zu jung um abzukratzen. Also biss ich mir auf die Zunge, wand den Blick von der Karte ab und lief weiter im Raum umher.
"Was macht ihr in eurer Freizeit, Eure Hoheit?" Mit den Fingern strich ich über die Ledereinbände der dutzenden Bücher im Regal. Er waren überwiegend dicke Wälzer über die Geschichte unseres Landes, aber auch Lexika über Dinge von Natur bis zur Jagd.
"Warum fragt ihr?" Ich hörte wie er näher kam und drehte mich halb zu ihm um. Noch immer die Ruhe in Person betrachtete er mich mit mildem Interesse. Keine Frage, er hatte auf das hier genauso wenig Lust wie ich.
"Nun ja, Vater meinte wir sollen uns besser kennenlernen, also werde ich nach euren Freizeitaktivitäten fragen und mich dann danach erkundigen wie ihr euren Kaffe trinkt. Später werde ich ein Kompliment über euer Aussehen fallenlassen und mich wegen vorgetäuschter Müdigkeit zurückziehen." Ich lächelte unschuldig als er mich überrascht ansah. "Ich mag auf dem Land aufgewachsen sein, aber ich kenne die Etikette sehr wohl. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, Eure Hoheit. Ich bin tatsächlich ziemlich müde. Führen wir das Gespräch morgen weiter?"
"Selbstverständlich, Prinzessin." Er hatte seine Fassung zurückgewonnen, griff nach meiner Hand und hauchte einen Kuss darauf. Ein wohliger Schauer lief mir über den ganzen Körper. Was war das denn bitte? "Genießt euren Schönheitsschlaf. Ich werde Euch morgen nach dem Frühstück abholen, damit wir hier fortfahren können."
Mit leicht wackligen Beinen knickste ich und ließ eilig und komplett aus dem Konzept gebracht das Zimmer und den Prinzen hinter mir.
959 Wörter
Tja, hier ist es endlich, das langersehnte Kapitel ;-)
Was glaubt ihr denkt der Prinz jetzt von Victoria?
Und wie wird es weitergehen ?
Lasst ein Vote und einen Kommentar, wenn es euch gefallen hat.
x GwendolynAmerica

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Eine Königin zum Verlieben
Historical FictionSeit ihrem achten Lebensjahr ist Prinzessin Victoria, einzige Tochter eines mächtigen Herzoges, dem Kronprinzen des Landes versprochen. Ihr ganzes Leben lang hat sie gelernt sich wie eine Dame ihres Standes und zukünftige Königin zu verhalten. Dabei...