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„Meine Familie steht vor der Tür. Sie möchte dich sehen, jedoch weiß sie nicht, ob du es ihnen erlaubst.", ich sah sie mit offenen Augen an. „Deine Familie? Er, Er auch?", fragte ich sie. „Nein nur Majka i Babo (Mama und Papa)", ich nickte und senkte meinen Blick. Sie lief kurz raus und kam dann mit Faruk, Jasins Vater und Selima, Jasins Mutter, ins Krankenzimmer.

Wir schwiegen uns an. Weder sie noch ich sagten vorerst etwas. Ehe auch nur jemand etwas sagen konnte, kam meine Familie ins Zimmer. Jasins und meine Familie sahen sich an. Klar waren sie Freude, doch unser Beziehungsabbruch hatte nicht nur Jasin und mich auseinandergerissen, sondern auch die Freundschaft dieser zwei Familien. Auch wenn sie sich ab und zu besuchten, gab es diese gewisse Nähe schon fünf Jahre nicht mehr.

„Ich möchte mich auch bei Ihnen bedanken, dass sie ihrer Tochter erlaubt haben, mir ihr Knochenmark zu spenden.", sagte nun ich und brach das Eis. „Es ist doch selbstverständlich. Wenn man jemandem helfen kann, dann muss man das auch machen. Vor allem, wenn es jemand ist, den man kennt.", sagte Jasins Vater, der mir schon immer lieber war, als seine Mutter. „Ich helfe dir gerne Amal, das habe ich dir schon gesagt.", mischte sich Sarah ein. Ich nickte und so fing das Gespräch an. Sie wollten wissen, wie es mir geht, wie ich es bisher ausgehalten habe und alles Drum und Dran. Als sie sich von mir verabschiedeten, reichte ich Jasins Mutter die Hand. Völlig verbohrt sah sie meine Hand an. „Von wem hast du diesen Ring Amal?", fragte sie mich. Ich sah zu Lamija, dann zu meiner Mutter und dann zu Jasins Mutter. „Ich, ich habe ihn zugeschickt bekommen.", sie nickte. „Von?", hinterfragte sie. „Ich, ehm, von einem Jungen.", sagte ich und entnahm meine Hand aus ihrer. Sie nickte erneut und verschwand aus meinem Krankenzimmer. Auch sein Vater und seine Schwester verabschiedeten sich und ließen mich alleine.

„Ich weiß nicht, wieso sie überhaupt her kommen, wenn sie so gut wie nicht sprechen. Sie wollten doch nur sicher gehen, ob du noch lebst, oder doch tot bist, sodass deren Tochter dir ihr Knochenmark nicht spenden muss.", sagte meine Mutter. „Mama ich bitte dich. Sag doch sowas nicht. Sie wussten nicht, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollen, zum einen bin ich krank, zum anderen wäre ich beinahe die Schwiegertochter dieses Hauses geworden. Sie wissen, was zwischen mir und Jasin war und können deshalb nicht abwägen, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollen.", zügelte ich meine Mutter. „Ist ja gut mein Kind. Ich meine es doch nicht so.", mein Vater räusperte sich. „Wir sollten auch so langsam gehen." „Lamija und ich bleiben hier.", sagte meine Mutter. Mein Vater nickte und verließ zusammen mit meinem Cousin das Krankenzimmer. Mein Bruder konnte leider nicht mitkommen, seine Frau hat entbunden und braucht ihn, was auch wirklich sehr verständlich ist. „Dass sie deine Spenderin ist, macht deine Situation aber auch nicht besser.", bemerkte Lamija. „Wie denn auch. Jedes Mal, wenn ich mir versuche klar zu machen, wer mein Spender ist muss ich an Jasin denken. Meine Wunden reißen neu auf, mein Inneres sagt mir, schreie und lasse alles raus, aber ich bekomme keinen Ton über die Lippen. Lamija, wie soll ich das nur durchstehen. Mama ich habe ihn noch immer nicht vergessen könne. Jetzt hat mich auch noch Nedim endgültig verlassen. Ich bin alleine und meine Sehnsucht nach ihm steigt noch mehr. Was soll ich machen? Der Ring, der Brief, die Partnerschaft, all das verwirrt mich. Ich kann einfach nicht mehr klar denken und was ich machen soll, weiß ich auch nicht.", ich sah auf meine Hände und spielte mit dem Ring von Jasin. Sollte ich ihn wirklich an behalten oder sollte ich ihn abmachen?

Was hat das zu bedeuten? Wie soll es weiter gehen?

...

Mitten in der Nacht wurde mir heiß und warm. Mein Herz schlug wie verrückt und mein Atem wurde unregelmäßiger. Schlagartig öffnete ich meine Augen und blickte um mich rum. In der Ecke des Zimmers saß eine Gestalt, die ich nicht entziffern konnte. Schnell schaltete ich das Licht an und erblickte eine schlafende Person. Als ich genauer hinsah, erkannte ich ihn. Er sah älter aus, sein Bart war etwas länger und seine Augenringe dunkler. Mit all meiner Kraft stand ich auf, ich lief auf ihn zu und rüttelte an ihm. „Hey, aufwachen.", sagte ich sanft und legte meine Hand zitternd auf seinen Oberarm. „Ajet.", nuschelte er. „Jasin steh vom Boden auf.", er roch nach Alkohol, was mich sehr verwunderte, denn so kannte ich ihn nicht. Ich half ihm so gut es ging beim Aufstehen und setzte ihn auf mein Bett. „Was soll das? Was hast du hier verloren?", ich legte mich zurück aufs Bett und sah ihn gedankenverloren an. „Ajet ich.", gab er von sich. „Jasin du.", wiederholte ich seine Worte. „Du, du trägst den Ring.", er verharrte mit seinem Blick auf meiner Hand. „Ja, aber nur weil ich noch nicht dazu gekommen bin ihn abzulegen.", er sah mich traurig an. Die Hoffnung in seinen Augen verschwand und sein Blick wurde leer, wie an dem Abend, an dem er mich abserviert hatte.

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