9. Kapitel - Bei den Nachbarn

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"Pünktlich, pünktlich.", sagt mein Vater, als ich an der Tür stehe. Ich zucke mit den Schultern und entscheide, dass es sich nicht lohnen würde, sich jetzt die Schuhe auszuziehen, da wir sowieso in ein paar Minuten herüber gehen würden. Zu den Nachbarn. Grillen. Mal sehen, wie das wird, meine Mutter hat gemeint, dass die Nachbarn einen Sohn haben, der in meinem Alter ist und auf meine Schule geht. Das ist gut, also hoffe ich, dass dieser Junge nett ist.

"Kannst du bitte den Salat nehmen!", fragt besagte Mutter gerade, wobei es weniger eine Frage als ein Befehl ist.

"Ja, komme schon!", rufe ich zurück und öffne die Glastür zur Küche. Mittlerweile habe ich so einigermaßen daran gewöhnt, dass alles so anders ist, es ist schließlich so ähnlich, wie wenn man im Urlaub in einem Ferienhaus ist. Da ist auch nichts wie zuhause. Nur, dass dieser 'Urlaub' länger als zwei oder drei Wochen gehen wird.

"Was soll ich nehmen?"

"Hier, die Salatschüssel. Und den Wein bitte auch, der ist ein Geschenk." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, ziehe meinen Pferdeschwanz noch einmal fester, hebe dann die Salatschüssel vom Tisch hoch und nehme die Weinflasche in die andere Hand.

"Gehen wir jetzt?", erkundige ich mich und schaue mir den Salat genauer an. Irgendwas mit viel Tomate und Grünem. Keine Ahnung, so gerne mag ich Salat nämlich nicht.

"Ja, eine Minute.", verkündet meine Mutter und geht an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich sehe ihr hinterher und komme auf die Idee, dass ich mein Handy mitnehmen könnte. Wer weiß, vielleicht wird es ja so langweilig, dass ein Handy nötig ist. Also, Salat wieder abstellen, Handy holen und in die Jackentasche stecken.

Ich bin bereit. Mein Vater auch, meine Mutter scheinbar noch nicht. Aber das ist ganz normal, sie braucht immer am längsten, wenn wir loswollen, muss sie noch irgendetwas Wichtiges erledigen. In diesem Fall ihre Perlenkette ummachen. Wozu das auch gut sein kann, es ist schließlich nur ein Willkommensgrillen. Na gut, es ist so etwas wie der 'erste Eindruck', aber trotzdem, man kann auch übertreiben. Schließlich ist sie auch fertig und wir können los.

"Mel, warum hast du denn keine vernünftigere Hose an?", kommt es entsetzt von meiner Mutter. Ich sehe an mit herab. Ich habe meine Jeans mit den Löchern an den Knien an. Völlig normal. Deswegen mache ich mir auch gar nicht erst die Mühe zu antworten, das würde sich Null lohnen. Streit mit meiner Mutter brauche ich gerade nicht. Erst recht nicht bei so einem unnötigen Thema.

Bis wir vor der Tür der Nachbarn ankommen, dauert es nicht lange. Logisch, die wohnen ja auch direkt neben uns. Was ein Wunder. Auf dem Klingelschild kann ich 'Polis' ablesen. Lustiger Nachname, aber im Gegensatz zu meinem sozusagen nichts. Hellmann. Wie sich das auch anhört. Dafür hat es mir eine Menge Kosenamen eingebracht, einschließlich meinem Namen im Internet, MelissaBright. Oder MelliBright, wie auch immer. Also hat der Nachname doch etwas Positives an sich.

Mein Vater drückt auf die Klingel, ich halte den Salat und den Wein, die langsam schwer werden und puste eine Haarsträhne, die sich in mein Gesicht verirrt hat, weg.

"Josh, öffne du die Tür!", dringt eine weibliche Stimme zu uns und einen Moment später geht die Tür auf. Auf der anderen Seite steht ein Junge. Aha, das ist dann wohl der 'Sohn in meinem Alter'. Und ich muss sagen, dass er nicht schlecht aussieht. Er sieht gut aus. Wenn nicht sogar sehr gut. Dunkelblonde Haare, tiefblaue Augen, die Sympathie ausstrahlen, hübsche Gesichtszüge. Ich lächele etwas überrumpelt.

"Hallo.", sagt dieser Josh und streckt mir die Hand entgegen. Ich ergreife sie.

"Melissa.", stelle ich mich vor.

"Ich bin Joshua. Ihr könnt reinkommen, wir grillen draußen, im Garten. Soll ich euch irgendetwas abnehmen?"

Ich lehne sein Angebot höflich ab und folge Joshua durch den Flur und das Wohnzimmer auf die Terrasse, wo bereits ein Mann steht, der anscheinend der Vater von Joshua ist.

"Ah, da sind ja die neuen Nachbarn.", sagt er und geht auf uns zu. "Simone und Lisa sind noch in der Küche, die kommen auch gleich her. Ihr könnt euch schon mal hinsetzen."

Er deutet auf den die Stühle an einem Tisch, auf dem bereits Teller, Gläser, Baguette, Soßen und noch ein paar andere Dinge, die man zum Grillen brauchen könnte. Mein Mutter setzt sich hin, ich mich neben sie. Joshua verschwindet wieder im Haus.

"Ich heiße Chris.", stellt sich Joshua's Vater vor.

"Simone.", sagt meine Mutter und lächelt freundlich. "Wir haben Wein mitgebracht, als Willkommensgeschenk." Meine Mutter will gerade aufstehen und ihm den Wein geben, den ich auf den Tisch gestellt hatte, als Joshua in Begleitung einer Frau- seiner Mutter, nehme ich an- und eines etwas jüngeren Mädchens wiederkommt.

"Ach hallo!", begrüßt uns die Frau. "Dann können wir doch gleich schon beginnen mit dem Grillen."

Sie nickt Chris zu, der daraufhin meint: "Klar, aber es dauert noch etwas. Josh, zeigst du..."

"Melli.", helfe ich ihm aus.

"Genau. Zeigst du Melli bitte dein Zimmer?"

Zögerlich schaue ich zu Joshua, der bejaht und mir mit einer Handbewegung verdeutlicht, dass ich ihm folgen soll. Ich stehe auf, gehe zu ihm und schließe das Fliegengitter hinter mir.

"Na gut, gehen wir mal nach oben.", sagt Joshua.

"Gerne."

Er lächelt mich aufmunternd an und läuft die Treppen nach oben. Schließlich stehen wir vor einer Tür.

"So, mein Zimmer ist nicht ganz so aufgeräumt.", er zuckt mit den Schultern. "aber das wird schon gehen."

Joshua drückt die Türklinke herunter und offenbart mir damit sein Zimmer. Und schon ist er einen Schritt weiter als Manuel. Wobei ich dessen Zimmer morgen sehen werde. Ich schaue mich um, sieht ziemlich normal aus. Und eigentlich gar nicht so unaufgeräumt. An einer Wand steht ein Bett, daneben ein großes Regal, an dem ein Skateboard lehnt und sogar eine Tür zu einem Balkon. Cool, so was habe ich mir schon immer gewünscht, einen eigenen Balkon.

"Wie wäre es mit hinsetzen?", schlägt Joshua vor und deutet auf ein Sofa, das ich bisher noch nicht gesehen hatte. Ich nicke und setze mich.

"Und ihr seid neu hergezogen.", stellt er fest.

"Ja. Davor haben wir in Magdeburg gewohnt."

Joshua lächelt. Er kommt mir bisher wirklich nett vor, obwohl ich fast nichts über ihn weiß. "Erzähl mal was über dich.", fordere ich ihn also auf.

"Ja, kann ich machen. Also ich skate gerne mit Freunden, hier in der Nähe gibt es auch einen Skaterplatz." Dass er skatet war klar. Sonst würde da kein Skateboard stehen. "Und ich spiele Handball im Verein."

Er macht einer Pause und meint dann: "Jetzt bist du an der Reihe."

"Momentan mache ich nicht so viel, nur YouTube." Sofort habe ich Joshua's Aufmerksamkeit geweckt.

Sehe ich da vielleicht Konkurrenz für GLP?

Für immer- GermanLetsPlay FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt