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Circe

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Circe


Schon seit einer gefühlten Ewigkeit stand ich vor einer vermoderten Holztür. Was dahinter lag, konnte ich mir nur dunkel vorstellen. Doch auch ohne hineinzuschauen wusste ich, dass hinter dieser Tür schreckliche Dinge geschahen, denn gelegentlich zerschnitt ein schmerzerfüllter Schrei die Stille. Ich konnte nur hoffen, dass die Schreie nicht Nereza gehörten.

Nach einigen Minuten schwang die Holztür auf und Nereza kam mit Hilfe eines Mannes aus der Kammer. Sie stand gebückt da, ihre dunkelbraunen Haare fielen ihr strähnig ins Gesicht. Ihr ganzer Körper zitterte vor Schwäche und sie hob nur kurz den Kopf, erblickte mich und ließ ihn dann wieder hängen.

„Da hast du deine Schwester wieder", grummelte der breitschultrige Mann und stieß Nereza von sich weg. Glücklicherweise konnte ich Nereza gerade noch auffangen, bevor sie auf dem Boden aufkam.

„Mistkerl", grummelte Nereza leise, während der Mann sich sein Blut von der Lippe wischte. Nereza hatte sich augenscheinlich gewehrt.

„Gut gemacht, Nereza", entgegnete ein Wachmann, welcher gerade die Steintreppen hinunter gelaufen kam. „Karneg geht mit den meisten Menschen viel zu grob um." Das belustigte Grinsen des fremden Mannes konnte ich selbst in der Dunkelheit erkennen, sogar seine apfelgrünen Augen funkelten kurz auf.

„Lass uns gehen", sagte ich, legte einen Arm um Nerezas Hüfte und ging langsam los.

„Warte, ich helfe dir." sagte der Wachmann und legte Nerezas Arm über seine Schulter. Doch Nereza schob den Wachmann so gut es ging weg und schleppte sich aus eigener Kraft weiter, die Treppen hinauf und geradewegs in ihr Zimmer. Ich sah den Wachmann noch kurz misstrauisch an, doch dann folgte ich Nereza schnell.

„Ich bringe alle hier um", sagte Nereza, als sie sich auf ihr Bett gesetzt hatte und mir den Rücken zudrehte. Das Jägerbrandmal zwischen den Schulterblättern konnte man nur noch mit Mühe erkennen. Nur den Schlangenkopf hatte der Foltermeister Karneg unversehrt gelassen, als wolle er Nereza warnen.

„Warum musstest du auch das Gespräch mithören?", entgegnete ich und tupfte mit einem feuchten Lumpen vorsichtig um die Wunde. Nereza zuckte zusammen, ließ sich jedoch nicht beirren und sprach weiter.

„Renroth will den Thron und den Kelch der Toten an sich reißen."

Ich hielt inne. John musste mit dem göttlichen Artefakt wohl diesen Kelch gemeint haben. Doch was hatten wir Jäger damit zu tun?

„Wenn er diese Ziele erreicht hat, will er Sima befreien. Die Dämonin, die Desmond bedroht hat."

„Also ist Renroth ein Verräter", stellte ich mit einem unwohlen Gefühl im Magen fest und warf den Lappen fast schon achtlos auf die Seite. Nereza sah dem Lumpen schweigend hinterher.

Das Jahr der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt