16.Kapitel. Drachenhöhle

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William flog durch die Berge und versuchte den Weg zu finden, den ihm der Drache beschrieben hatte. Das Problem war, dass für ihn alle Berge gleich aussahen. Er flog irgendwann in eine der Höhle. Er war der Meinung, dass sie relativ Sechseckig war, so wie der Drache es beschrieben hatte. Vorsichtig landete er auf einem Stein und sah sich im Dunkeln um. War er hier richtig? Er wusste es nicht, doch als sich der Boden unter ihm plötzlich bewegte, traf ihn die bittere Erkenntnis. Das war kein Stein! Und gleich darauf starrten ihn zwei goldene Augen aus der Dunkelheit an.
William war komplett in Schockstarre. Er konnte sich keinen Millimeter bewegen. Vielleicht sah der Drache ihn im Dunkeln ja nicht.
Mit einem Schnaufen wurde Will vom Drachen geweht. Der warme Atem drückte ihn gegen die Höhlenwand und der Drache rappelte sich auf. Gähnend schimpfte er:
"Wer weckt mich mitten am Tag?"
William hielt die Luft an. Das Vieh könnte und würde ihn mit einem Happs verschlucken. Er betete, ohne an einen speziellen Gott zu denken, dass ihn der Drache nicht sah und er schien Glück zu haben. Dann aber hörte er, wie das Wesen schnüffelte und begann langsam Richtung Ausgang zu hopsen.
Einmal ... zweimal ... dreimal und mit einem Ruck riss der Drache seinen Kopf herum! Er starrte ihn direkt an!
William hörte schwere Schritte auf sich zu kommen und entschied, dass leise sein, nichts mehr nutzte. Es hieß jetzt, rette sich wer kann! Das bedeutete in diesem Fall, so schnell wie möglich diese Höhle zu verlassen. Mit kräftigem Flügelschlag stieß er sich vorwärts und flog auf das Licht zu. Er hatte das Gefühl gar nicht voran zu kommen, bis er endlich aus der Höhle ins Freie gelangte. Statt weiter gerade aus davon zu fliegen, bestritt er eine scharfe Kurve und landete hinter einem Stein. Noch immer hektisch atmend, blickte er durch eine kleine Lücke. Sein Herz schlug gegen seinen Brustkorb und er fürchtete, es würde gleich heraus hüpfen.
In dem Moment lugte der Kopf des Drachen aus der Höhle. Rote Schuppen zogen sich über ihn hinweg und William hielt erneut die Luft an, in der Hoffnung, dass er diesmal nicht schnüffelt.
Er hatte Glück. Der Drache schaute sich nur ratlos um und tat das ganze wohl als Einbildung ab oder ein kleines Vögelchen war ihm nicht wichtig genug seinen Schlaf noch länger zu .
William sah sich erneut um und entdeckte eine weitere Höhle auf die die Beschreibung des Drachens zutreffen könnte.
Diesmal noch vorsichtiger, flog er hinein und hörte plötzlich Stimmen. "Wie oft willst du es noch versuchen? Lass es, du verletzt dich noch."
Das war eindeutig Nathaniel.
"Ich versuche es solange, bis ich hier raus bin. Ich warte sicher nicht in diesem Loch, bis eins dieser Monster uns grillt. Wenn du dich nützlich machen willst, heb mich hoch!"
Und das war eindeutig seine Schwester.
Er folgte den diskutierenden Stimmen, bis er ein großes Loch im Boden erreichte. Ein nahezu winziges Licht brannte darin. Es reichte allerdings aus, um zu sehen, wie Avina auf Nathaniels Schultern stand und versuchte, die Kante zu erreichen. Selbst zu zweit, waren sie immer noch zu klein und Avina beschloss, es doch nochmal mit klettern zu versuchen.
Sie war höchstens noch einen Meter von der Kante entfernt. Das müsste doch zu schaffen sein. Sie krallte sich mit den Fingern in den Stein, doch als sie ihre Füße ebenfalls an die Wand setzte und mit einer Hand los ließ, um höher zu klettern, brach der Stein unter ihrer Hand weg und sie stürzte auf Nathaniel. Beide vielen auf den Boden und Avina fluchte.
"Verdammt. Es war so knapp."
"Ich sagte doch, es ist zwecklos."
"Du bist zwecklos", fauchte Avina zurück, "Was nützt ein Magier der keine Magie wirken kann?"
Nathaniel seufzte. "Ich sagte doch, ich hab keine Ahnung, warum es nicht funktioniert. Ich konnte gerademal dieses Minilicht erzeugen und das war schon extrem kompliziert."
Beide rappelten sich auf und William hatte genug gesehen. Er wollte hinunter fliegen, eh sich die beiden gegenseitig zerfleischten. Andererseits... wenn er sich als sie noch klein waren mit Avina gestritten hatte, hatte ihr Vater sie solange in ihr, damals noch gemeinsames Zimmer gesperrt, bis sie sich wieder vertrugen. So schnell würde es wohl nicht wieder passieren, dass beide zusammen in einen Loch fest saßen.
Es dauerte sicher noch eine ganze Weile, eh Selina auftauchte, also beschloss er zu warten.
Avina besah ein weiteres Mal die Wand des Lochs. Der Stein war wirklich zu porös zum Klettern, aber das wollte sie sich nicht eingestehen. Sie mussten doch hier raus.
Abschätzend rieb sie ihre Hände gegeneinander. Also auf ein neues. Sie legte eine Hand an die Wand. Die zweite folgte und die Beine gleich darauf. Vorsicht verlagerte sie das Gewicht auf eines ihrer Beine und trat mit dem anderen höher. Sie stützte sich langsam darauf hoch und griff mit den Händen weiter nach oben. Der Stein hielt und sie wiederholte das ganze mehrere Male.
Als sie sich langsam der Kante näherte, drückte sogar Nathaniel beide Daumen, dass es diesmal doch klappte. Langsam verlagerte sie wieder ihr Gewicht auf das linke Bein und zog sich höher.
-Knirsch!- Das Geräusch von brechenden Stein lies sie den Atem anhalten, doch es half nicht, sie fiel. Panisch versuchte sie, sich fest zu krallen, doch alles was sie zu fassen bekam, brach unter ihrem Gewicht weg. Am Boden angekommen bemerkte sie ihre Schmerzen. Ihre Finger brannten. Sie hatte sich die Haut aufgeschürft und ihre Knie bluteten.
Nathaniel lief zu ihr. "Verdammt. Ich hab gesagt, du verletzt dich noch." Er klang wütend aber irgendwie auch besorgt.
"Pah..."
"Avina hör auf damit" Nathaniel war diesmal ganz ruhig aber sie schrie ihn trotzdem an "Womit!? Wir müssenhier raus!"
"Ich mein nicht zu versuchen hier raus zu kommen. Ich meine das Gegenteil von dem zu tun, was ich sage. Aus Prinzip, anderer Meinung zu sein. Das bringt uns keinen Schritt weiter."
"Ich will aber nicht deiner Meinung sein", brüllte Avina und Nathaniel seufzte. "Wieso nicht?"
"Darum."
"Das ist verdammt nochmal kein Grund!", schrie Nathaniel und Avina zuckte zusammen. Er hatte sie noch nie angeschrien. Es war gar nicht seine Art, so emotional zu werden. Selina hatte es ein paar Mal geschafft ihn so wütend zu machen, aber sie nicht.
Mit verschränkten Armen stand er vor ihr und sprach weiterhin laut und gereizt. "Ich hab es nicht verdient, dass du mich so behandelst. Gut ich habe Fehler gemacht, aber ichhab euch gerettet." Er seuftze "Ich hätte vielleicht nicht lügen sollen."
"Vielleicht!?", unterbrach ihn Avina, doch er ignorierte es und sprach einfach weiter. "Ich hatte verdammt gute Gründe, es zu tun und du hörst jetzt endlich auf, die zickige Prinzessin zu spielen!" Er kniete sich zu ihr herunter.  "So bist du nicht das Mädchen, in das ich mich verliebt habe ... für das ich alles aufgebe. Denk mal nach! Vergleich meine Fehler mit dem, was ich für dich getan hab und bedenk dabei wer ich bin und auf wessen Seite ich eigentlich stehen müsste. Wenn du dann immer noch sauer bist, lass ich euch in Ruhe, sobald wir hier raus sind."
Avina sah ihn lange an und er dachte sie wollte nichts sagen, bis er erkannte, dass Tränen ihre Wange hinunter liefen. Er hatte es im Dunkeln nicht gleich bemerkt und seine Gesichtszüge wurden weicher. Die Maske hatte er längst abgenommen. Hier unten in der Finsternis, war sie zwecklos.
Sie schluchzte. "Es ... es tut mir leid. Es ist nur ... ich ... es ist alles zu viel. Meine Eltern sind tot. Mein Bruder verzaubert. Selina entführt, und dann hast du mich auch noch angelogen. Ich ...", sie konnte es nicht aussprechen, aber sie fühlte sich unheimlich allein. Allein der Dunkelheit überlassen.
"Was, wenn wir hier nicht mehr raus kommen? Gefressen werden oder sonst was? Was wenn der Drache Selina gefressen hat oder..."
"Schhh ist ja gut", unterbrach Nathaniel sie und legte ihr eine Hand an die Wange, "Wir kommen hier raus, ich verspreche es." Er wischte ihre Tränen weg und schob eine Strähne aus ihrem Gesicht. Dabei beugte er sich langsam vor. Avina konnte seinen Atem auf ihrer Lippe spüren, da ließ sie ein plötzliches Krächzen auseinanderschrecken.

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William flog zu ihnen hinunter. Er hatte genug gesehen. Vertragen war gut, aber er hatte seiner Schwester wehgetan und war auch nicht ganz unschuldig, was Darons Eroberung ihres Landes anging. Er hatte ihm gestern Abend erst bewiesen das er, obwohl er auf ihrer Seite stand, etwas verschobene Moralvorstellungen hatte.
Damit er sie küssen durfte, musste er sich erstmal sein Vertrauen verdienen, er war schließlich ihr großer Bruder.
"William." Avina war erleichtert, dass es ihrem Bruder gut ging. Er landete auf ihrer Schulter und schmiegte sich tröstend an ihren Kopf.
"Keine Angst Schwesterchen, du kommst hier raus. Selina wird euch befreien."
Avina wurde etwas rot, was man im Dunkeln zum Glück nicht sah. Wie viel hatte er mitgekriegt?
Nathaniel lachte bitter. "Wollten wir nicht sie retten?"
"Tja jetzt nicht mehr", meinte William. Selina hatte eine Rettung eindeutig nicht nötig. Sie war wirklich beeindruckend. Wie sie mit diesem Drachen geredet hatte. Er wäre auf ihrer Schulter fast gestorben, als er sie angestarrt hatt. Dabei sollte er doch, der mutige Prinz sein.
Naja gerade war er ein Rabe, das zählte wohl als Ausrede und er fuhr fort. "Sie scheint sich ganz gut mit dem Drachen zu verstehen."
"Toll, wenn wir das gewusst hätten, hätten wir uns eine Menge Ärger gespart", seufzte Nathaniel und setzte sich auf den Boden. "Dann warten wir also."
William nickte und flog wieder davon. Zurück zu Selina und verkündete: "Ich hab sie gefunden."
Kurz darauf sah Selina über den Rand des Loches in dem Avina mit Nathaniel gefangen war.
"Naa, habt ihr mich vermisst?", fragte sie amüsiert.
Nathaniel sah sie entgeistert an. "Wenn du gar nicht entführt worden wärst, wären wir gar nicht in dieser Lage."
"Das klingt schon wieder so, als wäre ich daran schuld. Kann ich was dafür, dass er mich einfach mitgenommen hat?", sie deutete hinter sich.
"Selina geh da weg, wenn du immernoch willst, dass ich die beiden da raushole."
Sie war mit Will und dem Drachen hergekommen und während Will draußen vor der Höhle Wache hielt, sollten Selina und der Drache die beiden da raus holen.
Sie trat zur Seite und der Drache holte beide aus dem Loch.
Avina warf sich in Selinas Arme und umarmte sie fest. "Kommt jetzt, sonst bemerken sie noch, dass ich hier bin.", sagte der Drache mit seiner tiefen Stimme.
Selina kletterte auf ihn. Als sie bemerkte, dass Nathaniel und Avina sie nur erschrocken anstarrten, rollte sie mit den Augen.
"Wie wollt ihr sonst hier raus kommen? Glaubt mir, von diesem Schwanz gepackt und hochgezogen zu werden ist keineswegs angenehm oder gar empfehlenswert."
Ohne ein weiteres Wort stiegen die beiden auf und Selina musste sich ein Grinsen verkneifen, was ihr nicht sonderlich gut gelang, da Avina, die sich an ihren Bauch klammerte, es bemerkte und ihr mit dem Finger in den Bauch piekste.
Selina reagierte nicht darauf.
"Können wir los?", fragte der Drache.
"Ja wir können los."
Er trat zum Eingang der Höhle, stieß sich von der Kante ab und flog steil nach oben. Selina klammerte sich fest, während Avina ihr ins Ohr kreischte. Er flog einen Umweg nach Hause um mögliche Verfolger loszuwerden.
Als sie schließlich auf dem Landesteg aufkamen, sprang Nathaniel von dem Drachenrücken und stützte sich an einen Fells. Er musste durchatmen um sich nicht zu übergeben. Avina hingegen klammerte sich immernoch an sie.
"Du kannst mich jetzt loslassen."
Langsam löste Avina ihren Klammergriff und sprang vom Drachen. Selina umarmte zum Dank nochmal seinen Hals und sprang dann ab.
Sie landete leichtfüßig auf dem Boden und der Drache ging in seine Höhle.
Kurz bevor er rein ging drehte er sich nochmal um und verkündete: "Selina bitte zeige ihnen, wo sie schlafen können und komm dann noch einmal zu mir." Selina nickte ihm zu und er verschwand in der Höhle.
"Kommt mit."
Selina führte sie in den Raum mit den vielen Decken und Fellen und Nathaniel kam nochmal auf sie zu, während Avina sich ein paar Decken schnappte und ein Lager baute.
"Du wirkst nicht überrascht, wusstest du, dass ich Ash bin? ", fragte er vorsichtig.
"Ich hatte Vermutungen, aber der Drache hat es mir gesagt, bevor Will zu euch geflogen ist."
"Und macht es dir etwas aus?"
Als sie nur den Kopf schüttelte, wurde ihm wieder bewusst, wie rational sie meistens war und dass sie nur wirklich schrie, wenn es zu viel für sie wurde.
"Ich hatte mir schon Gedanken gemacht und mir wurde klar, dass du logische Gründe dafür hattest."
Es wunderte ihn immer wieder, wieso die beiden Mädchen befreundet waren. Sie konnten in den meisten Sachen nicht unterschiedlicher sein. Selina war vernunftgesteuert, Avina hörte eher auf ihre Gefühle. Noch verrückter war, dass er sich in Avina verliebt hatte. Er war auch nicht der gefühlsduselige typ.
Er zog Selina in eine zögernde umarmung und murmelte leise: "Danke."
"Nichts zu danken.", antwortete sie lächelnd und machte sich von ihm los.
Er drehte sich zu Avina und begann ihr zu helfen. Selina drehte sich ebenfalls um und ging den Drachen suchen. Sie fand ihn in einem der Räume in dem sie noch nicht gewesen war. Dieser schien seine Schatzkammer zu sein, denn überall lagen bergeweise Gold, Edelsteine, Schmuck und Rüstungsteile.
"Du wolltest mich sprechen?", rief sie zu ihm hinauf. Er lag auf einem dieser Berge und hielt die Augen geschlossen.
"Ja, ich wollte noch mit dir sprechen", stimmte er ihr zu, seine Augen waren immernoch geschlossen.
"Ihr müsst die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen hierbleiben. Meine Gefährten werden sie suchen und meist geben sie nicht so schnell wieder auf."
Selina sah ihn ein wenig entgeistert an, doch sie nahm es dann mit einem Schulterzucken hin.
"Ich habe hier mehrere Truhen voller Kleider. Ihr könnt sie verwenden. Ich brauche sie ja nicht." Er deutete mit seinem großen Kopf auf eine von ihnen.
Selina wandte sich neugierig der Truhe zu und öffnete sie. Ganz oben lag ein mitternachtsblaues Kleid mit zartem goldenem Rankenmuster. Sie berührte es vorsichtig, zog es aus der Truhe und hielt es sich vor den Körper.
Der Drache der nun seine Augen geöffnet hatte, sah sie an.
"Dies ist eines der Kleider deiner Mutter. Sie trug es nie, aus Angst es kaputt zu machen. Zieh es mal an!", forderte er sie auf.
Sie ging hinter einen Paravent, der zufällig in der Nähe stand und zog sich um.
Vorsichtig kam sie wieder dahinter vor. Es passte wie angegossen.
Der Drache sah sie an und sagte: "Es steht dir sehr gut. Los geh und zeig es deinen Freunden!"
Sie sagte kein Wort, sondern ging noch einmal zur Truhe und fand ein paar farblich passende Ballerinas. Sie zog sie an und auch diese passten, als wären sie nur für sie gemacht.
Selina eilte auf den Raum zu der ihr und ihren Freunden als Schlafplatz diente. Kurz bevor sie eintrat holte sie noch einmal tief Luft.

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