Bereits nach dem Mittagessen nahm ich in einem der Flugzeuge auf dem John F. Kennedy International Airport Platz. Die nächsten sieben Stunden würde ich nichts groß machen können. Glücklicherweise würde der Flug nicht durch irgendwelche Zwischenstopps unterbrochen werden, ich brauchte nichts weiter zu tun, als zu warten, dass wir wieder landen würden.
Die Verabschiedung von meinem Team war kurz ausgefallen, sie alle würden gezwungenermaßen noch bis morgen in New York ausharren, Mira mit eingeschlossen.
Was Mira betraf, war Danielles Plan recht simpel: Ich hatte Maykel einfach erklärt, dass ich, sobald ich in den Niederlanden gelandet war, mich sofort auf dem Weg ins Krankenhaus zu Fenna machen würde und deshalb keine Zeit haben würde, Mira zuhause abzuliefern. Was auch absolut der Wahrheit entsprach, denn nichts war im Moment wichtiger als Fenna.
Da der Rest meines Teams ohne mich erstmal nicht weitermachen konnte, würden sie, nachdem alles Organisatorische geklärt war, ebenfalls zurück in die Niederlande fliegen. Maykel hatte Danielle kurzerhand die Aufgabe gegeben, Mira nachhause zu bringen.
Und genau den letzten Punkt würden wir bewusst ignorieren. Zwar war Mira etwas zögerlich gewesen, aber sie hatte doch zugestimmt, für eine Woche bei Danielle zu wohnen, solange, bis wir die Tour fortsetzen konnten und Maykel hoffentlich nicht auffiel, dass Mira in keinster Weise wieder in Amsterdam war.
Mira war also versorgt und ich drehte eine Weile den Kopf hin und her, um eine bequemere Position zu finden. Sieben Stunden Nichtstun. Ich wollte schlafen und, sobald ich wieder wach wurde, zurück auf niederländischem Boden sein.
Schlafen konnte ich allerdings so gut wie vergessen, denn es war mehr die Sorge um Fenna in meinem Kopf, als Ruhe. Sodass ich mir nur seufzend meinen Laptop nahm, die Kopfhörer in die richtige Buchse steckte und anfing, mir ein Mash-Up zusammenzubasteln. Vielleicht konnte ich das für die nächste Show in Los Angeles verwenden, denn die in Chicago fiel ja wegen Fennas Unfall und meiner Reise aus.
Fünf Stunden arbeitete ich also an neuer Musik, bevor dann doch der ersehnte Schlaf kam. Als ich wieder wach wurde, waren es allerdings immer noch eineinhalb verdammte Stunden, bis ich da sein würde.
Inzwischen wurde ich immer unruhiger. Mein Laptop war so gut wie dabei, an niedrigem Akkustand vorerst zu sterben, ich hatte getrunken, gegessen und saß auf meinem Platz wie jemand, der auf den großen Knall wartete, um loszurennen. Genau das würde ich auch vorhaben.
Wenn es nach mir ginge dauerte der Moment, bis die Landung angesagt hatte, viel zu lange. Als das Flugzeug schließlich sicher stand, griff ich nach der Laptoptasche, meiner Jacke und machte mich daran, möglichst als erster hier rauszukommen. Meinen Koffer musste ich auch noch holen und dann so schnell es ging Richtung Krankenhaus fahren. Eigentlich hätte ich Erika ja Bescheid sagen können, damit sie mich abholte, aber irgendwie hatte ich genau daran eben nicht gedacht.
Der Taxifahrer, der mich anschließend zum Leiden University Medical Center fuhr, hatte glücklicherweise keine Ahnung, wer ich war und wir unterhielten uns hauptsächlich übers Wetter und er schimpfte über den Verkehr.
Es war fast halb zwölf, als ich vor dem Krankenhaus stand. Eigentlich war das Wahnsinn, hier mitten in der Nacht noch aufzukreuzen, mitsamt einem schwarzen Rollkoffer, der alles enthielt, was man für eine Tour brauchte. Aber ich wollte nicht nachhause, ehe ich Fenna nicht wenigstens kurz gesehen hatte.
Der eigentliche Eingang war natürlich längst geschlossen, aber an der Seite befand sich noch eine Tür. Man sollte klingeln, hieß es auf einem Schild. Wahrscheinlich war das für Besucher wie mich gedacht, die auch um halb zwölf hier aufkreuzten.
Nachdem ich geklingelt hatte, tat sich eine Weile erstmal nichts, und zwar absolut gar nichts. Erst nach zähem Warten tauchte ein glatzköpfiger Mann im Türrahmen auf und öffnete sie einen Spaltbreit, sodass ich nur seinen Kopf sehen konnte.
„Kann ich Ihnen helfen?" Stirnrunzelnd schaute er auf den Rollkoffer hinter mir und auf die Laptoptasche über meiner Schulter.
„Ja bitte" Ich holte kurz Luft. Egal, für wen oder was er mich hielt, ich wollte einfach nur zu Fenna. „Mein Name ist Armin van Buuren. Ich würde gerne zu meiner Tochter Fenna van Buuren." Ich warf ihm einen bittenden Blick zu, „Ich verstehe...wenn es schon spät ist...aber ich bin extra so schnell wie möglich aus New York hergekommen und ein früherer Flug war nicht möglich. Also würden Sie mich..."
„Geschäftsmann, oder was?" Ein erneutes Stirnrunzeln des Mannes und er schien wohl auch zu den wenigen Leuten zu gehören, die mich nicht kannten.
„Nein, DJ", murmelte ich, keine Ahnung warum. Worauf mein Gegenüber jetzt den Kopf schüttelte und irgendwas wie „DJ, meine Güte" von sich gab.
„Und Sie wollen also jetzt zu Ihrer Tochter?", fragte er mich und fast kam es mir so vor, als wirkte seine ganze Gestalt auf einmal etwas furchteinflößender. Er beugte sich vor.
„Ja, bitte" Ich starrte ihm weiterhin ins Gesicht. War es so verdammt schwer, auch jetzt noch zu Fenna zu kommen?
Überraschenderweise zog der Mann die Tür ganz auf und trat zur Seite, damit ich durchgehen konnte. „Na, wollen wir mal nicht so sein" Er nickte mir zu.
Wir machten einen kurzen Abstecher Richtung Computer, da der Mann keine Ahnung hatte, in welchem Zimmer Fenna lag. Immerhin war sie nicht die einzige Patientin hier.
Allein die ganze Atmosphäre erinnerte mich stark an die Geburten meiner Kinder. Kurz nach Remys war ich sogar noch zu meinem Set beim Tomorrowland geflogen, hatte ihm freudestrahlend das komplette Set gewidmet und war zwei Stunden später wieder im Krankenhaus gewesen, wo er schon wieder geschlafen hatte und Erika immer noch leicht erschöpft wirkte.
Wir blieben stehen, nachdem wir durch ein paar identisch aussehende Flure gegangen waren und jetzt vor einer Tür standen, die sich auch so gar nicht von den anderen unterschied.
„Sollte Ihre Tochter schon schlafen, kommen Sie morgen wieder, in Ordnung?" Der Mann klopfte kurz an die Tür und öffnete sie schließlich. Von drinnen hatte man tatsächlich etwas gehört.
Fenna saß aufrecht im Bett, die Decke bis ans Kinn hochgezogen und sie schaute etwas skeptisch, als erwarte sie alles andere, nur nicht mich.
„Papa?" Sie schien etwas überrascht, bevor sie doch ziemlich schnell aus dem Bett kletterte und zu mir herüberflitzte. „Du kommst ja doch noch!" Ich bemerkte währenddessen, dass im Nachbarbett der Kopf eines Mädchens auftauchte, mit ihren schwarzen Haaren hatte sie fast etwas Ähnlichkeit mit Mira.
„Das ist Marijke" Fenna zog mich Richtung Bett, wo sie sich setzte. Ich ließ mich währenddessen auf der Bettkante nieder, „Sie hat den Arm gebrochen. Und ich bin auf den Kopf gefallen." Sie zeigte überflüssigerweise auf den weißen Verband um ihren Kopf. Ich hatte schon so oder so deswegen einen gewaltigen Schrecken bekommen.
„Hallo" Ich lächelte Marijke zu, die mich nur etwas erstaunt ansah. „Ist das dein Vater, Fenna?", fragte sie, „Der, der gerade in New York war?" Und meine Tochter nickte, stolzer hätte sie nicht sein können.
„Aber jetzt ist er hier" Lächelnd schlang sie die Arme um mich. „Ja, ich bin mit Überschallgeschwindigkeit hergekommen", scherzte ich und sie lachte.
„Papa hat sogar 'nen Privatjet", erklärte sie Marijke, die darauf noch erstaunter guckte und anfing, sich durch ihre schwarzen Haare zu fahren. „Wow" Ihr einziger Kommentar zu der Sache.
„Obwohl ich nicht immer damit fliege", erklärte ich schnell, damit Fennas Zimmernachbarin nicht auf falsche Gedanken kam, „Nur zu besonderen Anlässen." Wie, um ein krankes Mädchen namens Mira sicher und vor Blicken geschützt nach Australien zu transportieren.