FAMILY

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Nicht mal eine halbe Stunde später kamen wir zuhause an. Ich zog die baufällige Tür auf, als ich eine Stimme hörte. „Rue?" Ich wirbelte herum und entdeckte den Jungen in der großen Eiche.

„Adrian!"

„Geh schon mal rein", sagte ich an Ruby gewandt, „ich komm gleich."

Als die Tür zufiel, machte ich einen Schritt auf ihn zu. „Was machst du denn hier?"

Adrian war ein Junge mit blonden Haar und treuherzigen braunen Augen und außerdem unser ehemaliger Nachbar. Stundenlang hatten wir früher in den Straßen unseres Viertels gespielt. Waren durch die Straßen getobt. Ein Jahr lang waren wir auch zusammen in die Schule gegangen, aber dann hatte er die Schule abgebrochen. Für mich war er so etwas wie ein Bruder.

Zusammen mit seinem großen Bruder und seiner Mutter hatte er in der kleinen Hütte neben uns gewohnt.

Hatte.

Sein Bruder wurde letztes Jahr von einem Friedenswächter erschossen, als dieser einige Früchte hinaus schmuggeln wollte, weil sie ansonsten verhungert wären. Da der Bruder das meiste Geld verdient hatte und diese Geldquelle nun ausschied, hatten sie kaum noch was und lebten nun auf der Straße. Ernährten sich von Müll. Keine Seltenheit in Distrikt 11.

„Mich verabschieden", antwortete er nur und sprang vom Baum.

„Was? Wie meinst du das?"

Ich sah ihn an und fokussierte sein Gesicht, um irgendwelche Gefühle herauszulesen.

Er antwortete nicht und starrte auf den Boden. Zwanzig Sekunden verbrachte er damit, einem Käfer zu zuschauen, wie er über den erdigen Boden wanderte. Unser Haus stand auf einer Art Feld und somit teilten wir praktisch alles mit diesem Ungeziefer.

Schließlich atmete er tief ein, hob den Kopf und sah mir in die Augen: „Wir verlassen den Distrikt. Mutter und ich. Und wir nehmen Troy mit", Troy war ein Friedenswächter. Einer mit noch ein bisschen Menschenverstand und der sah, dass dieses System mehr als unfair war. Ich glaube, er und Adrians Mutter sind inzwischen sogar schon verheiratet. Natürlich geheim. „Heute Nacht", fügte er noch hinzu.

„Was?" Entsetzt sah ich ihn an.

„Ja..."

„Aber...wie?"

Ein weiteres Mal schwieg er, dann richtete er seinen Blick in die Ferne. In den Wald, der ungefähr eine Meile entfernt lag und nickte in seine Richtung.

„Dadurch. Der Sturm hat vorgestern ein Loch in den Grenzzaun gerissen. Es wird erst morgen wieder verschlossen, hat Troy erzählt."

„Aber...aber warum?", ich konnte es immer noch nicht ganz realisieren. Seit mehreren Wochen hatte ich Adrian schon nicht mehr gesehen und plötzlich kam er mit solchen Neuigkeiten daher. „Dort draußen werdet ihr sterben!", rief ich aufgebracht.

„Dort draußen wird es besser sein als hier", seine Stimme war ruhig, aber ich merkte, dass er innerlich auch sehr aufgebracht zu sein schien.

„Aber...ihr werdet sterben. Dort draußen ist nichts", wiederholte ich mit Nachdruck. In meinem Inneren herrschte Chaos wegen dieser Information.

Ich konnte mich für keine Seite entscheiden; ob dies nun einen gute Idee oder eher eine schlechte Idee war.

„Nein, eben nicht", zischte Adrian plötzlich und nahm mich an den Schultern, „dort draußen ist mehr als dieses Leben! Verstehst du nicht? Es ist unsere einzige Chance! Und außerdem...", plötzlich wurde er wieder ruhiger und hörte auf mich zu schütteln, „und außerdem würde ich ansonsten morgen zu den Hungerspielen ausgewählt werden."

Die 74.Hungerspiele aus Rues Sicht // KISS THE RAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt