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Il reste 4 Chapitres gratuits

2 | Zimtgeschmack

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Adrian lenkte den Porsche geschickt durch den morgendlichen Londoner Verkehr. Er mied große Kreuzungen und bekannte Plätze und fuhr auf wenig befahrenen Straßen, als ob er jeden versteckten Winkel der Metropole kannte. Er parkte hinter einem kleinen Park, entfernt von dem Gedrängel der Touristen. Wir schlenderten eine kleine, schattige Gasse entlang. Ich blickte nach oben und sah die goldene Spitze der Kathedrale hinter den Häuserdächern hervorblitzen. Selbst bei dem trüben Licht das herrschte, glänzte das Gold in einer warmen Farbe. Ich sah schüchtern zu Adrian hinüber. Seine ungewöhnliche Blässe schien noch intensiver geworden zu sein. Aber das lag bestimmt nur an dem Licht, dachte ich und wandte meinen Blick nach vorne.

Als wir das Ende der Gasse erreichten und die riesige Kathedrale vor uns in den bewölkten Himmel empor ragte, deutete Adrian nach rechts.

»Da vorne ist es.«

Die Fassade des Cafés war im viktorianischen Stil gebaut. In goldener, geschwungener Schrift stand über der Tür The Old Diary. Ich folgte Adrian in das Innere. Es war gut besucht und es herrschte eine gemütliche Atmosphäre. Adrian sah sich nach einem freien Tisch um, ich warf währenddessen einen Blick auf die Kuchen in der Glasvitrine. Ich fand jedes Stück verlockend, vom Zitronentörtchen bis zum Blaubeercupcake. Schließlich wurde Adrian fündig. Von dem Tisch aus, wo wir uns niederließen, konnte man durch ein großes Fenster genau auf die Kathedrale sehen.

Doch bevor ich mich setzte, zog ich meinen Mantel aus, Adrian nahm ihn mir im nächsten Moment ab und hing das blaue Kleidungsstück in die Garderobe. Das alles ging so schnell, dass ich mich nicht einmal bedanken konnte. Erst nachdem Adrian sich mir gegenüber hinsetzte, fand ich Gelegenheit dazu.

»Bist du immer so höflich?«, fragte ich neugierig.

»Nur wenn ich in Begleitung einer hübschen Dame bin«, gab er schmeichelnd zurück. Adrians eisblaue Augen fixierten mich. Es war Zeit, dass auch ich ihm ein Kompliment machte.

»Ich finde deine Augenfarbe unheimlich schön. Ich wünschte, ich hätte auch so eine.« Adrian musste daraufhin lächeln.

»Du bist genau wie meine Schwester«, erzählte er.

»Hat sie den nicht dieselbe Augenfarbe?«, fragte ich verwundert.

»Nein, ihre sind dunkelbraun.«

Die Kellnerin, eine junge Brünette, kam an unseren Tisch. Ich bestellte mir den von Adrian angepriesenen Apfelkuchen und einen Kaffee. Adrian selbst nahm eine Tasse Tee und etwas Kaffeegebäck dazu. Er bediente das geläufige Klischee des Engländers. Während wir auf unsere Bestellung warteten, sah ich aus dem Fenster. Die Wolkendecke lichtete sich ein wenig, das Weiß der Kathedrale strahlte dadurch noch mehr.

»Die St. Paul Cathedral ist mein Lieblingsbauwerk hier in London«, erzählte Adrian.

»Wieso?«, wollte ich interessiert wissen.

»Sie war früher im 17. Jahrhundert zum größten Teil zerfallen und einer der beliebtesten Versammlungsplätze. Du musst dir vorstellen wie in den Seitenschiffen die Händler ihre Waren verkaufen. Bunte Teppiche aus dem fernen Orient, wertvolle Seide aus China und auch heimische Sachen. An den Säulen treffen sich Anwälte mit ihren Klienten und Arbeitslose halten Ausschau nach einer Beschäftigung. Und erst der Kirchhof: Er war das damalige Zentrum des Buchhandels in London. Dieser Ort hier erlebte soviel Wandel und Geschichte. Selbst nach all den Kriegen und dem großen Feuer, steht die Kathedrale immer noch dort, wo sie vor mehr als vierhundert Jahren errichtet wurde.« Adrians Augen funkelten begeistert. Er beschrieb es so bildhaft und lebendig, als ob er die Vergangenheit dieses Ortes mit eigenen Augen gesehen hatte.

Die Kellnerin stellte das silberne Tablett auf unseren Tisch. Nachdem ich ein Stück von meinem Kuchen probiert hatte, stimmte ich Adrian zu.

»Ich habe es dir doch gesagt.« Er nahm einen Schluck von seinem Tee. Nach einer Weile des Schweigens sagte er: »Falls du den Job bekommen solltest«, er lächelte mich an, »und ich bin mir ganz sicher, dass du ihn bekommen wirst, solltest du wissen, dass unsere Familie etwas kompliziert ist.«

We kissed the London RainOù les histoires vivent. Découvrez maintenant