And then, there was Justin

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Ich lernte Justin kennen, als ich in die Oberstufe kam. Am Anfang versuchte ich, mich von ihm fernzuhalten. Er war nicht einer dieser Personen, mit denen ich unbedingt Kontakt hegen musste. Er war keiner dieser Bad Boys mit denen man nichts zu tun haben wollte, weil sie einen immer in Schwierigkeiten brachten oder ähnliches. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart nicht sehr wohl. Ich fand ihn echt lästig. Er versuchte immer zu an mich ranzukommen, eine Freundschaft aufzubauen. Ich wollte dies nicht, ließ mich aber irgendwann darauf ein. Im Unterricht saß er relativ weit von mir Weg, was zu meinen Gunsten, eigentlich nicht sonderlich schlimm war. Nachdem das Schuljahr anfing, fing auch meine Phase der Krankheit an. Ich wurde überdurchschnittlich häufig krank. Die Leute mit denen ich abhing würde ich nicht als meine Freunde, sondern eher als gute Bekanntschaften betiteln. Sie scherten sich nicht reichlich viel um mein Befinden und dementsprechend tat ich es ihnen gleich.

Nun ja, mit Justin hatte ich eigentlich nur zwei Fächer zusammen, Religion und Biologie. Letzteres war der Grund dafür, dass Justin versuchte Kontakt aufzubauen. Als ich krank war nahm er mir also immerzu Arbeitsblätter mit, gab mir diese für gewöhnlich aber immer erst dann, wenn ich wieder zurück in der Schule war. Nur an diesem einem Tag nicht. Er bat darum, mir diese nach Hause vorbeizubringen um mir diese zu erklären, da diese in seinen Augen relativ schwer verständlich waren. So kam er vorbei und versuchte mir zu erklären, was ich denn unter Lipiden zu verstehen hatte. Dies zog sich über mehrere Stunden, da seine Erklärungsversuche nicht ausreichend für mein Verständnis waren. Unglücklicherweise luden ihn meine Eltern ein zum Essen zu bleiben. So kochte er mit mir und aß mit uns zu Abend. Meine Eltern - warum auch immer- fanden ihn gleich sympathisch.

Nach und nach baute sich eine Freundschaft auf, welche Rückblickend sicherlich auch was mit meinen Eltern zu tun hatte. Natürlicherweise traf ich mich nun auch häufiger außerhalb der Schule mit ihm. Eric freute sich zu Beginn für mich, aber damals wusste ich noch nicht, in welche Richtung das ausschlagen würde. Justin wurde einer der Grundlegenden Freunde in meinem Leben, welche mir hoch halfen, wenn ich einmal auf dem Boden lag. Er war immer da, wenn irgendwas war. Ich konnte ihn nachts anrufen und er ging ran und wäre sogar noch um vier Uhr morgens zu mir gekommen.

Als Eric bemerkte wie nah Justin und ich uns standen ging es rapide ab. Er wurde eifersüchtig, wollte nicht, dass ich mich länger mit Justin außerhalb der Schule treffe und wollte mich nicht einmal mehr sehen. Ich wusste nicht, dass Eric dazu in der Lage war, so zu reagieren.

"Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich einfach so, nur weil du das möchtest, aufhöre Justin zu sehen. Was denkst du, wer du bist, dass du mir das befiehlst? Ich bin nicht deine Puppe, die nach deinem sagen handelt", es war nicht neu, dass ich Eric so sehr in einer Sache wiedersprach. Unsere Erwartungen, Träume und Überzeugungen variierten und gingen in bestimmten Dingen weit auseinander. So wollte er später einmal Kinder kriegen und arbeiten, während seine zukünftige zu Hause auf diese aufpasste. Ich war von einer solchen Zukunft mehr als abgeschreckt. Mir vorzustellen, ich müsse alles aufgeben für das ich einmal hart gearbeitet habe, das konnte ich nicht. Ich bin nicht die Person die einmal eine perfekte Familie haben will. Ich bin nicht die, die gerne nach Klischees lebt. Die alteingesessene Rollenverteilung war alles andere als das, was ich mir von meinem späteren Leben einmal erhoffte. Ich arbeitete hart für das was ich einmal erreichen wollte. Ich wollte einmal studieren, groß aufsteigen und gutes Geld verdienen und wenn dass alles gut läuft vielleicht einmal Kinder haben. Oder zumindest welche adoptieren. Ihm war, dass alles suspekt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass mir meine Träume wichtiger waren als seine. Er konnte sich nicht vorstellen das je irgendetwas wichtiger sein sollte als er. Der Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen zeigte sich jedoch erst später. Ich wusste nicht woher sein ganzes Misstrauen kam, seine Eifersucht auf etwas so Absurdes. Absurd- zumindest in meinen Augen, zumindest zu diesem Zeitpunkt - aber das sollte sich noch ändern.

Je weiter Eric und ich auseinandergingen, desto mehr Zeit verbrachte ich mit Justin. Ich sah ihn fast täglich und wir machten fast gar nichts mehr ohneeinander. Im Nachhinein kann ich Erics Art und Weise voll und ganz nachvollziehen.

Es war nicht rein unsere Verhaltensweise die unter Justins Einfluss litt, sondern auch unsere körperliche Beziehung. Meine Bedenken und meine Angst gegenüber Eric häuften sich als Justin und ich uns immer besser verstanden. Eric wurde in seiner Art immer abweisender und ich suchte halt bei Justin. Es war damals echt schwer für mich.

„Eric, lass mich dir doch all das erklären. Es ist nicht so einfach für mich momentan. Du verschanzt dich hinter einer Mauer, weil du nicht mit ansehen kannst, was ein guter Freund mir bedeuten kann. Du weißt selber ich hab's nicht so mit Menschen", ich log bei dieser Aussage keinesfalls, denn ich hatte es schon immer schwer Empathie für andere Menschen zu entwickeln.

„Du sagst, dass alles mit einer solchen Leichtigkeit. Siehst du denn nicht, dass er auf dich steht?" Eric schrie mich dabei beinahe an, aber ich wollte nicht glauben was er dort sagte.

„Eric, das ist lächerlich. Wie kommst du auf so einen Blödsinn?"

„Er sieht dich mit diesen achtenden Augen an, als wärst du etwas nicht Irdisches. Als wärst du eine Göttin. Er verehrt dich förmlich", Eric sagte dies und sah mich dabei nicht an. Ich konnte einfach nicht fassen was er da sagte. Justin auf mich stehen? Niemals.

„Eric, denkst du echt, dass ich es nicht merken würde, wenn er auf mich stehen würde? Wovor hast du denn Angst? Das ich dich verlasse? Nein, das habe ich nicht vor." Ich verlor so langsam meine Geduld mit diesem Jungen. Was erhoffte er sich wo das hinführen wird? Im Eifer des Gefechts bemerkte ich gar nicht, dass wir uns immer weiter voneinander entfernten, nicht nur psychisch sondern auch physisch. Ich ging langsam auf ihn zu, denn er sah mich noch immer nicht an.

„Wovor hast du Angst?" ich flüsterte diese Frage nur noch und stand vor ihm. Er war nur ein kleines Stück größer als ich. Wenn er den Kopf so sinken ließ konnte ich ihm ungehindert die Stirn küssen ohne dafür auf die Zehenspitzen zu müssen. „Hm?" ich nahm sein Kinn in meine Hände und hebte seinen Kopf an, sodass er mir in die Augen sah. Er versuchte meinem Blick auszuweichen und erschreckenderweise tat mir das mehr weh, als unsere Streiterei. Ich konnte diese Spannung nicht länger ertragen. Ich wusste ich würde mich selber dadurch kaputt machen. Ich sah ihn ein weiteres Mal an bevor ich meine Lippen sanft auf seine legte. Sobald ich ihn küsste fiel die ganze Last von mir, ich fühlte mich wieder geborgen bei ihm. Ich entfernt mich wieder von ihm und spürte wie mir eine Träne die Wange hinunterkullerte. Sein fehlendes Vertrauen in mich setze mir wohl mehr zu als ich zuvor dachte. Ich entfernte mich wieder von ihm, weil mir das ganze echt suspekt erschien. Dieses streiten und dann auf einmal soll alles gut sein, nein das ist nicht richtig. Ich wusste in diesem Moment einfach nicht wie ich handeln sollte. Er gab mir das Gefühl einer gewissen Distanz, als wären wir fremde. Er schaute mich nicht einmal an. Es schien als würde ihn das mehr belasten als ich dachte. Er zeigte zum ersten Mal seit langem menschliche Gefühle. Er war offensichtlich stark verletzt, nicht jedoch von meinen Worten, sondern von seinem eigenen Misstrauen.

Der Nervenauftreibendste Kampf : JungsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt