LVII. das Leugnen

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"Phase 1: Das Leugnen
In der Ersten Phase des Abschieds, sei es von einem geliebten Menschen der stirbt oder vom Partner, versuchen die Betroffenen ihre Situation zu leugnen. Sie wollen nicht wahrhaben, was passiert."

Louis' P.o.V
Jetzt saß ich also hier. Am Liebsten hätte ich das Interview geschwänzt, doch meine Freunde hatten mich praktisch hierhin geschleift.
Es war fast ein Wunder, dass ich die Jungs noch als Freunde bezeichnen konnte. Ich hatte mich die letzten Tage wie ein Idiot Ihnen gegenüber verhalten. Nicht nur wegen der Sache mit Kathy.
Wollte ich wirklich den Jungs eins mit diesem Mädchen auswischen? Nein, das Ganze sollte nur als kleine Provokation Lucia gegenüber dienen. Nur bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen.
Ich dachte wieder an den Zeitungsartikel in meiner Hosentasche. Als ich heute morgen aufgestanden war und angefangen hatte mein Zimmer voller leerer Bierflaschen aufzuräumen, entdeckte ich einen Zettel an den Kühlschrank gepinnt.
Anscheinend irgend so eine Psycho-Kacke. So etwas konnte nur von Liam oder Niall kommen.
Ärsche.
Irgendwie landete der Zettel dann doch in meiner Hosentasche und nicht im Mülleimer. Doch das musste niemand wissen.

"Sie wollen nicht wahrhaben, was passiert."
Während des Interviews glitt mein Blick immer wieder zu Lucia hinter den Kameras. Was wollte ich nicht wahrhaben? Dass Lucia sich immer mehr von mir entfernt? Dass dieser Mist mein Schuld ist?
Das weiß ich doch schon. Ich hatte Lucia so tief verletzt mit der Kathy-Geschichte, obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte. Zumindest nicht in diesem Ausmaß.
Ich wollte Lucia doch bloß eine kleine Lektion in Treue zeigen. Und als sie dann so gefühlskalt reagierte, ging einfach die Wut mit mir durch und ich erzählte ihr diese Lüge. Die Lüge, die wahrscheinlich nicht nur mein Leben zerstört.
Ich hatte natürlich nicht mit Kathy geschlafen!
Viel eher würde ich Niall küssen oder mit Taylor ein einem Raum eingesperrt sein, als so etwas zu tun. Ich bin kein herzloser Krimineller. Ich weiß, stellt mich ruhig als Arsch dar, ich habe selbst einige schlaflose Nächte vor und nach dieser Aktion damit verbracht, mich selbst zu hassen.
Aber ich wollte sehen, ob Lucia mich wirklich nie mochte.
Nur ist mir viel zu spät klargeworden, dass ich ihr etwas bedeutet hatte. Die Betonung liegt auf "hatte".
Niall und Liam hatte ich am Abend aufgeklärt, mit ihnen seit einer gefühlten Ewigkeit richtig geredet und ihnen erklärt, dass Kathy nur die Schwester eines alten Freundes war, die auf mich stand und dass ich nicht mit ihr geschlafen habe.
Nachdem die beiden mich erst minutenlang geradezu angewidert betrachtet hatten und ich vor Schuldgefühlen fast angefangen hatte zu weinen, (in Ordnung, ich hatte doch etwas geflennt) versuchten sie mir doch zu helfen. Sie wollten zwar, dass ich das alleine wieder geradebiegen sollte, aber sie würden mich gerne Unterstützen, wenn ich noch etwas für Lucia empfinden sollte.
Selbstverständlich tat ich das! Für mich gab es niemanden, außer dieses Blonde Mädchen, keine Blau-grauen Augen, die mich so verzauberten wie ihre. Keine Minute verstrich, in der ich nicht an sie dachte.
Man kann nicht einfach so aufhören jemanden zu lieben, bei Lucia scheint es mir schier unmöglich. Nur glaube ich, dass sie mich nicht braucht. Dass sie ohne mich besser klarkommt.

Doch es ist, wie es ist. Und ich muss mit den Konsequenzen meiner Entscheidungen leben, ob es mir passte oder nicht.
Das Interview war zu Ende. Gottseidank. Es war schrecklich. Nicht nur, dass ich total unkonzentriert war und die anderen mich mit mitfühlenden Blicken betrachteten, nein, sondern auch das Lucia die ganze Zeit grinsend auf ihr Handy sah. Bestimmt schrieb sie mit diesem Lennart. Wenn ich ihr doch nur klar machen konnte, dass dieser Typ ein verlogener Arsch war...

Ich hatte ihn gesehen. Er kaufte sich gerade ein Päckchen mit weißem Pulver, als ich vorgestern am Tattooladen vorbeikam, in dem ich mir letztens ein Tattoo hatte stechen lassen.
Was ich in dieser Gasse gemacht hatte, sollte lieber niemand erfahren. Ich mag zwar kein Drogenproblem haben, aber ich bin trotzdem kein Unschuldslamm. Vor allem in Situationen wie dieser. Nun konnte sich jeder selbst dazudichten, was ich mir besorgt hatte.

Ich drängte mich an Harry und Lucia vorbei, die sich über irgendwas zu unterhalten schienen, bis sie mich zurückrief. Ich muss hier raus. Ich bin nicht gut für sie.
Diese Worte wiederholte ich immer wieder, bis ich aus dem Gebäude trat und die kühle Luft tief einatmete.
Wo bleibt denn dieser blöde Wagen?

Neben mir trat eine weitere Person auf den Bürgersteig. Ich musste nicht hinsehen um zu wissen, wer es war. Ich spürte es einfach. Komisch aber wahr.

Ihre schulterlangen Haare bewegten sich leicht im kühlen Wind. Wie gerne ich sie ihr aus ihrem wunderschönen Gesicht streichen würde.
Kopfschüttelnd stieß ich mich mit den Händen von der Wand ab. Ich muss wissen ob sie alleine nach Hause muss.  Wer weiß, wer da draußen herumläuft.
Ich kann sehen, dass sie nicht damit gerechnet hat mich noch zu sehen.
Doch sie scheint sich dazu zu zwingen, zu antworten.
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht."
Ihre Antwort kühl, fast schon verachtend.
Und vor ein paar Wochen lag sie noch neben mir im Bett und ließ mich nicht gehen.
Ich wollte auf sie zugehen, wenigstens ihre Nähe spüren. Doch sie wich vor mir zurück und es brach mir das Herz. Ich hatte dieses Mädchen verraten, betrogen und belogen. Das volle Programm. Ihre Reaktion, auch wenn es nicht die war, die ich mir erhoffte, war berechtigt.

Selbst wenn ich sie nicht wiederbekommen kann, ich liebe sie und muss sie vor diesem Lennart beschützen. Niemand hat auch nur eine Ahnung, wie tief seine Vergehen wirklich gehen. Sie kennt nur die Spitze des Eisbergs und selbst die will sie nicht glauben.
Wenigstens kann ich versuchen es ihr zu erklären.
Nur blockt sie ab.
"Ich kann dir nicht mehr vertrauen Louis.Vielleicht willst du nicht, dass ich glücklich bin?"
Autsch, das tut weh.
Aber ich würde alles auf der Welt mögliche tun, damit sie wieder lächelt, damit sie glücklich ist und ihre Augen wieder strahlen.
Und als ob mir mein Schicksal noch eine weitere Lektion erteilen will, als ob es nicht schon genug sind, kommt Lennart in einem Motorrad vor uns zum stehen.
Oh, wie gerne würde ich ihn jetzt da runterziehen und ihm eine reinhauen, einfach dafür, dass er Lucia manipuliert.
Ich schiebe keineswegs eine Eifersuchtsszene, vielmehr will ich sie beschützen.
Dieser schmierige Typ grinst mich heimlich an, als Lucia einige Schritte auf ihn zu geht.
Er weiß anscheinend, dass ich den richtigen Lennart, den ekelhaften, perversen, Drogensüchtigen Lennart kenne. Und er macht sich nichts draus.
Wenn er wüsste. Nur weil ich in einer Boygroup bin, heißt das noch lange nicht, dass ich weiß wie man jemandem eine verpasst.
Ich werde mich Lucia zurückhalten. Noch.
Ich werde nie ihren Gesichtsausdruck vergessen, als ich mich auf Lennart stürzen wollte.

Und wie ich so sehe, gerade auf diesem Motorrad, wird mir etwas klar.
Ich brauche sie.
Und sie braucht mich. Ich muss sie vor diesem Typen schützen.
Wahrscheinlich hatte ich das die ganze Zeit geleugnet.

One look (l.t)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt