8. Kapitel

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Menja:

Ich schlug die Augen auf und das Erste, das ich sah, waren die besorgten, goldfarbenen Augen meiner Schwester.

„Fenja!“, sagte ich erleichtert und spürte, wie trocken meine Kehle war. Meine Stimme ähnelte mehr einem heiseren Krächzen, als mir, trotzdem entspannte sich der Ausdruck in Fenjas Gesicht.

„Es geht dir gut“, stellte sie mit einem Lächeln fest und umarmte mich fest. Nach einer Weile löste ich mich sanft von ihr.

„Viel wichtiger ist doch: Wie geht es dir?“

Ich beäugte sie kritisch. Ihr schien nichts zu fehlen, den Göttern sei Dank. Wenn ihr wegen meiner Entscheidung, die Hunter aus dem Weg zu schaffen, etwas passiert wäre, hätte ich es mir niemals verziehen. „Verzeihst du mir, dass du nun doch keinen Blick in die Menschenstadt werfen kannst?“

Fenja kniff unwillig die Lippen zusammen.

„Ich finde das immer noch ganz schon gemein von dir. Aber ich kann dir einfach nicht lange böse sein“

Erst jetzt bemerkte ich die Blüte in meiner Hand. Fasziniert setzte ich mich von meinem Lager auf und betrachtete sie genauer. Die Blüte war wunderschön. Ihre weiße Farbe schien sanft zu schimmern, wie das Sonnenlicht, wenn es sich auf der Oberfläche eines Flusses brach. Die Blätter waren hauchdünn und ein wenig durchscheinend, es ließ sie zerbrechlich aussehen, ganz so, als würden sie in Stücke fallen, sobald man mit einem Finger darüber strich. Während ich sie in meiner Hand hielt, bemerkte ich das kaum wahrnehmbare Pulsieren. Es war fast, als hätte die Blüte einen Herzschlag.

„Wunderschön, nicht wahr?“, fragte mich Fenja und setzte sich neben mich. „Es ist ein Geschenk vom Herz des Waldes, er hat uns begrüßt“

In meinen Gedanken tauchte das vage Bild eines riesigen Baumes auf, ich erinnerte mich an das Gefühl von Geborgenheit, dass mich bei diesem Anblick überkam, das Gefühl, willkommen zu sein.

„Ich weiß“, antwortete ich Fenja mit einem abwesenden Lächeln und legte die Blüte vorsichtig ab. Erst dann besah ich mich unserer Umgebung.

Überall empfingen mich die Farben Braun und Grün, wohin ich auch blickte.

„Ist das nicht toll? Die Elfen können die Pflanzen nach ihrem Willen wachsen lassen, wie es aussieht“, erzählte Fenja mit leuchtenden Augen. „Aber einer von ihnen ist richtig grob. Es ist der, der den Elfen befohlen hat, uns zu ergreifen. Aber zum Glück scheinen nicht alle so zu sein wie er…“

Ich nickte zur Bestätigung. „Du meinst den Elf mit den tiefblauen Augen. Er hat meinem Träger auch befohlen, den Giftpfeil so lange wie möglich in meinem Körper stecken zu lassen, obwohl dieser ihn rausziehen wollte“

Ich fasste unwillkürlich an meine Wunde. Sie schmerzte ein wenig, aber ich hatte schon schlimmere Verletzungen erlitten. Dennoch sollte ich sie behandeln. Mit geübten Handbewegungen zerriss ich ein Stück meiner Kleidung und presste es auf die Wunde.

„Fenja, kannst du mir etwas Wasser holen?“

„Natürlich“ Sie sah sich sofort im Zimmer um, aber mir ging das nicht schnell genug, also zeigte ich ihr mit den Fingern ungeduldig, in welcher Ecke des Raumes sich eine Wasserschale befand. Ich hätte es auch zu mir rufen können, doch ich wollte meine Kräfte lieber schonen, solange ich noch nicht wusste, wie viel von dem Gift noch in meinem Körper steckte.

Fenja brachte mir die Schüssel und ich tränkte meinen Stofffetzen in dem Wasser, ehe ich vorsichtig begann, meine Wunde damit zu reinigen.

„Ein paar Salbeiblätter und ein oder zwei Heuhechelwurzeln wären jetzt ganz hilfreich“, meinte ich verstimmt, das Brennen und Ziehen in meiner Schulter ignorierend. Wenn Fenja oder ich uns verletzten, legten wir immer zu Brei zerstampfte Salbei- oderHuflattichblätter auf die Wunde, um sie zu reinigen und die Blutung zu stillen. Ein Sud aus Heuhecheln- und Wegwartenwurzeln jedoch reinigte den Körper von innen und entgifteten ihn.

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