-30-

12 0 0
                                    

Tag fünfundneunzig

Es gibt einige Augenblicke, die ich nie wieder in mein Leben vergessen werde. Meinen ersten Schultag, meine erste gute Note oder meine Geburtstage. Wir alle prägen uns besondere Ereignisse und behalten sie als eine Erinnerung an die Vergangenheit. Das macht unser Gedächtnis aus. Meine Haare klebten mir nass im Gesicht herum und selbst der heftig wehende Wind, hätte dies nicht ändern können. Mein Blick war auf Adrian's Gesicht gerichtet. Seine vollen Lippen waren etwas errötet und seine Mimik war nur mehr als verwirrend. Seine Hände ruhten noch immer auf meiner Hüfte und meinem Nacken. Auch ich lies nicht von ab. Wir waren uns sehr nah, sodass meine Lippen noch leicht die seine streiften. Unser unregelmäßiges Atmen und der Regen waren zu hören. Die Welt schien stehen zu bleiben. So, als ob nur noch wir auf dieser Welt wären. Es war etwas Zeit vergangen, seitdem ich ihm meine Glückwünsche ausgerichtet hatte. Ich hatte nicht einmal erwartet, dass er den Kuss zulässt. Mein Besuch war unangekündigten und es kam etwas anhänglich rüber, aber sein Geburtstag sollte etwas besonderes werden. Auch wenn wir heute eine wichtige Prüfung hinter uns hatten. Ich denke, dass ich diesen Augenblick nie wieder vergessen werde. So, wie Adrian mir gerade in die Augen guckte und so, wie ich ihm in die Augen guckte, war es unbeschreiblich. Das war der Augenblick, indem ich wusste, dass ich gegenüber ihm Gefühle entwickelte. Ob es bei ihm auch so ist? Es waren mittlerweile mehr als zehn Sekunden vergangen und trotzdem verharrten wir in dieser Position. Seine Nähe zu spüren war ein schönes Gefühl, jedenfalls fast so schön, als wenn ich mein Lieblingseis essen würde.

Em, komm rein, forderte Adrian mich auf.

Seine Stimme erweckte meine Aufmerksamkeit. Sofort schob ich meine Gedanken bei Seite. Mit einem Mal lies er von mir ab und ging einen Schritt nach hinten. Ich war etwas ratlos, doch dann erinnerte ich mich an seine Anforderung, welcher ich gerne nachging. Trotzdem war ich weiterhin regungslos und stand mit offenem Mund so da. Er lächelte mich sanft an, bevor er einen Schritt zu mir machte und mich bei der Hand nahm. Erst als er unsere Finger miteinander verschränkte, lächelte auch ich. Ohne ein Wort zu sprechen, drehte er sich um und führte mich mit sich. Wir gingen in das Haus hinein und mir wurde sofort bewusst, dass Adrian wohlhabend ist. Doch ich blieb still und lief hinter ihm. Wir liefen einen langen Flur entlang, der hell beleuchtet ist. Der Boden war wahrscheinlich aus Marmorfliesen gemacht und die Wände waren in einem schlichten Weiss gestrichen. Wo wir lang liefen, hinterließen wir einzelne Wasserpfützen. Ich verkniff mir das Seufzen, weil ich zum ersten Mal bei ihm war und dann noch so durchnässt.
Unsere Schritte halten, so groß war der Flur. Als wir am Ende des Flures angekommen waren, konnte man einen riesigen Foyer sehen, der sowohl an der rechten, als auch an der linken Wandseite eine Treppe hatte. Die beiden Treppen waren kurvig angerichtet, sodass sie sich oben, auf der ersten Etage trafen. Es wunderte mich nicht, dass das Haus mehr als nur eine Etage hat. Lange konnte ich nicht das wunderschöne Foyer begutachten, denn Adrian zog mich zu einer der Treppen. Wahrscheinlich würden wir in sein Zimmer gehen.

Neben einander gingen wir die große Treppe hoch. Ich musste aufpassen, weil meine Schuhe sehr rutschig waren. Beinahe wäre ich sogar nach hinten gestürzt, hätte Adrian mich nicht am Arm festgehalten. Schockiert gab ich ein leises Dankeschön von mir und presste die Lippen aufeinander. Indes verkniff sich Adrian sein Lachen und grinste mich schief an. Augenverdrehend entfernte ich mich von ihm und lief vor. Doch dieses Mal, hielt ich mich am Gelände der Treppe fest. Hinter mir betrat auch Adrian die erste Etage. Ich Blick kurz stehen, weil ich nicht wusste, wohin ich sollte. Jedoch lies Adrian mir nicht viel Zeit zum Denken, sondern zog mich wieder mit sich. Wir bogen um die Ecke ab und erneut befanden wir uns in einem Flur. Neugierig blickte ich mich um. Überall waren Bilderrahmen mit schönen Familien Fotos aufgehauen, aber auch das konnte ich mir nicht näher angucken. Ich achtete nicht einmal darauf, wohin mich Adrian zog. Viel mehr versuchte ich, etwas über seine Familie zu erfahren. Zwar wusste ich, dass seine Eltern glücklich verheiratet sind und er einen Bruder hat. Aber mehr erzählt er mir auch nicht, was ich eigentlich etwas schade fand. So liefen wir den Flur durch, bis uns eine Frau entgegen kam. Mir kam sofort die Frage auf, wer sie ist. Aber aufgrund ihrer Uniform, musste sie eine Angestellte sein. Kein Wunder, so ein großes Haus, würde ich auch nicht alleine putzen wollen. Sie lächelte uns schief an und ich erwiderte es nur mit einem fragenden Gesichtsausdruck. Was sie wohl dachte. Wahrscheinlich war sie bei meinem Anblick nicht sehr erfreut, denn ich hinterließ wortwörtlich eine Wasserspur hinter mir.

LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt