3 Tanz auf Glas.

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❰  S O P H I A  ❱




„Das ist ein Herzschlag, Mrs Payne, und das nennen wir einen Fötus in der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche."

Atmen.

Scheiße.

Ich musste verdammt noch mal atmen.

„Ganz ruhig, Mrs Payne", sprach der Arzt zu mir, doch ich konnte nicht anders. Mir wurde schwindelig und in meinen Ohren rauschte es. Die Panik, die sich durch meinen Körper fraß, war hässlich und widerlich.

Ich musste mich hinlegen und man gab mir etwas zur Beruhigung, das half vielleicht meinen Körper zu kontrollieren, aber nicht meine Gedanken. Deshalb hörte ich dem Arzt nur mit halben Ohr zu. „Den Mutterpass gibt es ab der neunten Woche und eine weitere Betreuung ist mit unserer Praxis möglich."

Weitere Betreuung?

Ich wusste nicht mal, ob ich in den nächsten fünf Minuten einen Fuß vor dem Nächsten setzten konnte. Also nickte ich alles nur in Ein-Satz-Manier ab und traute meinen eigenen Beinen nicht mehr. Mir war eiskalt als ich das Behandlungszimmer verließ und konnte mich nur noch daran erinnern, dass ich auf mich acht geben sollte.

Kein Stress, gesunde Ernährung und sollte es Probleme geben, dann wäre es besser hier noch einmal aufzutauchen. Was sollte das eigentlich heißen, hier noch mal aufzutauchen? Sentimentale Ultraschallbilder machen lassen, über Geburtstermine zu fachsimpeln?

Fast wäre ich in hysterisches Gekicher ausgebrochen, einfach, weil mich die komplette Situation überforderte. Andere Frauen tanzten fast durch die Arzt-Praxis, ich glaubte, die Wände kämen näher.

An der Rezeption warteten Louis und Basil, ich bat den Fahrer Louis nach Hause zu bringen. „Ich möchte ein Stück zu Fuß laufen", sprach ich, doch Basil hielt das für keine gute Idee: „Ohne Begleitung darf ich Sie nicht gehen lassen."

„Niemand wird es ausplaudern", antwortete ich und lächelte gezwungen. „Oder es bemerken." Zumindest hoffte ich das. Basil ließ sich versichern, dass ich ihn anrief, sobald ich ihn brauchte und Louis schwieg, doch sein Blick sagte mir alles.

Nämlich, dass ich es nicht wagen sollte morgen auf der Arbeit aufzutauchen und stattdessen mal richtig ausschlafen sollte.

Ich ließ den Beiden einen Vorsprung und bemerkte, dass meine Hände zitterten als ich die leichte Sommerjacke anzog und nach meinem Handy in der Handtasche kramte. Es gab nur einen Ort, wo ich jetzt hin wollte und kurzerhand schrieb ich meiner besten Freundin.

Eleanor hatte heute frei. Es tat mir leid ihr den Tag zu nehmen, aber ich brauchte sie jetzt. Sie verstand meine Kurznachricht sofort und ich machte mich auf dem Weg zur Subway. Gefühlt ewig war ich nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Vermissen tat ich das allerdings auch nicht.

Eng an eng mit fremden Leuten zu stehen hob nicht gerade meine Laune. Der nette Schweißgeruch ließ mich nur noch durch den Mund atmen und wünschte, mein Kopf hätte ein An- und Ausknopf. Allerdings rauschte er im Moment nur, also konnte es auch egal sein.

Als ich wieder über der Erde war, da atmete ich tief durch und musste noch zwei Blocks laufen. Vorbei an multikulti Supermarkt, an Indischen Restaurants, der Geruch ließ Übelkeit aufsteigen und ich widerstand der Versuchung durch die Ramschläden zu gehen. Früher hatte ich das gerne gemacht, jetzt wohnte ich nicht mehr dort, wo man für einen Dollar zwei Paar Schuhe und einen Tanga bekam.

ROSSO [ Dritter Akt ] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt